Wedel. Der gespendete Propeller sollte an den Hafen. Doch er ist weg. Das sagen Spender-Familie und Wedels Ex-Bürgermeister Schmidt.
Die verschwundene Schiffsschraube, die am Hafen in Wedel an der Elbe als maritimes Symbol ausgestellt werden sollte, bleibt weiter unauffindbar. 2014 hatte das Unternehmen Gebrüder Becker seinen Betrieb an der Werkstraße eingestellt.
Der damalige Chef Claus Becker wollte anschließend die gut einen Meter breite Schraube, die in der Schifffahrtsbranche auch als Propeller bezeichnet wird, der Stadt vermachen. Mit Antriebswelle war das Konstrukt vor dem Eingang der Firma gute 2,20 Meter groß. Das Gesamtgewicht liegt bei weit über 500 Kilo.
Verschollene Schiffsschraube in Wedel: Spender-Familie Becker ist enttäuscht
Die Schraube sollte als Ausstellungsstück an den Schulauer Hafen kommen, dort hatte die Traditionsfirma einst ebenfalls produziert. 2015 begann das Unterfangen, den Propeller zu spenden. Die Stadt soll dem Vernehmen nach dann den vererbten Propeller in Empfang genommen haben.
Doch die Aktenlage zu dem Vorfall ist äußerst schwammig, die Spur verliert sich auf dem Gelände der Feuerwehr. Bis heute weiß niemand, wo die Schraube ist – und ob sie überhaupt noch existiert.
Monika Becker: „Wir bedauern es sehr, dass der Propeller endgültig weg ist.“
„Wir finden es natürlich schade und bedauern es sehr, dass der Propeller endgültig weg ist. Aber die Sache ist jetzt für uns auch erledigt, weil wir nun einmal auch nichts Schriftliches von der Stadt in der Hand haben“, sagt Monika Becker, Schwägerin des Ende 2021 verstorbenen letzten Inhabers Claus Becker.
Es war stets das gesprochene Wort aller Beteiligten, auf das man sich als Familie verlassen habe. Und nun stehe eben Aussage gegen Aussage.
Sie selbst hatte bei der Verwaltung ebenfalls versucht, Informationen über den Verbleib des Schiffspropellers einzuholen – und die finalen schlechten Neuigkeiten dann Anfang Juli nach wochenlanger verwaltungs-interner Recherche im Abendblatt gelesen.
Firmensitz am Wedeler Hafen: „Es wäre eine schöne Sache für unsere Familie gewesen“
„Die Schraube als Ausstellungsstück an der Ostmole des Hafens, dort wo einst unser Betrieb auch war – das war eine tolle Idee. Und es wäre einfach eine schöne Sache für unsere ganze Familie gewesen“, sagt die 75 Jahre alte Wedelerin.
Sie war einst mit ihrem Mann nach Madrid gezogen und hatte dort mit ihm eine Zweigstelle der Firma eröffnet. Während in Wedel die Produktion von Echoloten vorangetrieben worden war, produzierte die Firma Becker in Spanien in der Folge weiterhin Schiffsschrauben. Nach dem Tod ihres Mannes kehrte Monika Becker 2009 zurück nach Wedel.
„Der Bürgermeister hat sich für die Spende bedankt“ – jetzt ist die Schiffsschraube weg
„Meine Schwägerin, also die Frau von Claus, kann sich daran erinnern, dass der damalige Bürgermeister Niels Schmidt in der Werkstraße zu Gast war. Davon hat sie mir erzählt“, so Monika Becker. Schmidt war 18 Jahre Bürgermeister in Wedel, ehe er im Mai 2022 von Gernot Kaser abgelöst worden war.
Schmidt habe sich für die Spende an die Stadt Wedel bei der Familie bedankt und sei ebenfalls von der Idee, die Schraube am Schulauer Hafen als „Eye-Catcher“ auszustellen, angetan gewesen.
Der ehemalige Bürgermeister kann auch nicht beantworten, was genau mit der Schiffsschraube passiert ist: „Ich habe damals mit Herrn Becker gesprochen, und er war bereit, uns den Propeller zu schenken. Dann habe ich mit meinen damaligen Planern des Projekts am Hafen gesprochen.“
Wedel: Ex-Bürgermeister Niels Schmidt weiß auch nicht, wo die Schraube ist
Im Gespräch als Ausstellungsort sei zum Beispiel das Areal beim Fischimbiss „Isi“ direkt an der Elbe gewesen, wo bereits ein Anker an Land liegt. Das sollte aber noch genau geklärt werden. „Also habe ich gesagt, dass die Schraube erst mal bei der Firma Becker abgeholt und bei uns eingelagert werden soll. Und dann ist sie vom Bauhof zur Feuerwache transportiert worden. Das ist mein Sachstand.“
Dass die Schraube nach all den Jahren bis heute nicht wieder aufgetaucht sei und unauffindbar bleibe, sei schon mysteriös, so der Ex-Bürgermeister.
Holme Rudolf de Wall ist irritiert von der Aktenlage
Der Holmer Rudolf de Wall, der diesen Deal eingefädelt hatte und den Monika Becker in der Angelegenheit zuletzt kontaktiert hatte, ist ebenfalls weiterhin irritiert: „Tatsache ist, dass Angestellte der Stadt Wedel den Propeller vom Firmengelände abgeholt haben. Hierfür muss von Vorgesetzten ein Auftrag erteilt worden sein. Das ist ja ein Fakt. Dann wurde das Teil auf städtischem Grund und Boden, also bei der Feuerwehr, gelagert.“
Dort sei er dann nach Recherchen von Stadtsprecher Sven Kamin auf unbekannte Art und Weise dann abhanden gekommen. Außer einigen wenigen Notizen in den Protokollen, etwa in der Hafen AG, würden sich keine Vorgänge in den städtischen Akten zum Thema Schiffspropeller finden. Auch in den Listen von Spenden ab dem Wert von 50 Euro seit 2013 an die Stadt Wedel finde sich kein Vorgang.
Rekonstruktionen auf mündlicher Ebene hätten ergeben, dass nach dem Transport zur Feuerwehrwache die gut zwei Meter lange Antriebswelle dort abmontiert wurde.
Verschwundene Schiffsschraube: Wohl an der Feuerwache abgeholt
Der Propeller selbst soll dann auf mysteriöse Art und Weise endgültig verschwunden sein. Die Palette ist mutmaßlich abgeholt worden – niemand weiß von wem. Das verwundert den ehrenamtlichen Mitarbeiter des Möller-Technicon in Wedel, das sich mit der industriellen Stadtgeschichte beschäftigt.
Solch ein massives Konstrukt könne nur mit einem Kran angehoben werden. Auch dazu müsste es laut de Wall schriftliche Hinweise beziehungsweise einen Auftrag geben – eigentlich.
„Ich bin überzeugt, dass die Schiffsschraube geklaut worden ist“
Warum die Stadt Wedel nicht den Mut habe, sich zu dem Verschwinden der Schiffsschraube aus städtischem „Gewahrsam“ zu bekennen, sei für ihn nicht nachvollziehbar.
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„Ich persönlich bin überzeugt davon, dass die Schiffsschraube geklaut worden ist“, sagt de Wall. Möglicherweise sei diese wegen einer nicht fachgerechten Lagerung auch schon längst verrottet, oder sie sei wegen der wertvollen Metalllegierungen bereits eingeschmolzen worden, hatte er wegen der Unauffindbarkeit ebenfalls gemutmaßt.
Schulauer Hafen: Schiffsschraube kann nicht ausgestellt werden
Nach Angaben der Stadt wäre ein Aufstellen am Hafengelände auch wegen Sicherheitsbedenken ohnehin schwierig möglich gewesen, weil herumkletternde Kinder sich verletzen könnten.
„Das ist aus meiner Sicht eine Schutzbehauptung. Schließlich gibt es dort an der Promenade an der Elbe auch den großen Schiffsanker“, so de Wall.
Die Schiffsschraube der Firma Gebrüder Becker, die 1902 in Hamburg die Firma gegründet hatten und hochwertige Schiffsschrauben und Ruderanlagen produzierten, später auch an zwei unterschiedlichen Standorten in Wedel, wird dort mutmaßlich nicht mehr auftauchen.