Kreis Pinneberg. Erboste Reaktionen auf weniger Fahrten der S3 zwischen Hamburg und Pinneberg. Zurück zum 20-Minuten-Takt sei „fatale Fehlentscheidung“.
Anderthalb Jahre ist es her, da feierten Nutzer des Nahverkehrs aus Pinneberg und Halstenbek, dass endlich der Zehn-Minuten-Takt durchgehend für die S-Bahn eingerichtet worden ist. Jahrelang hatten sich Kommunalpolitiker dafür eingesetzt. Jetzt könnte das schöne Wintermärchen ein abruptes Ende finden. Intensiv wird im Land darüber nachgedacht, wo gespart werden muss. Und das wird auf jeden Fall die S-Bahnfahrer treffen. Die ersten Stimmen aus dem Kreis sprechen von eine empörenden Entscheidung.
Diese Entwicklung ist um so erstaunlicher, da ebenfalls im Kreis Pinneberg die nächste Schnellbahntrasse gebaut wird. Erst vor wenigen Tagen feierten Land, Bahn und Quickborns Bürgermeister Thomas Beckmann den ersten Meilenstein für den Bau einer neuen Trasse zwischen Eidelstedt, Bönningstedt, Hasloh, Quickborn, Ellerau und Ulzburg bis Kaltenkirchen.
HVV: S3 in Pinneberg abgehängt - Abgeordneter Hölck (SPD) fürchtet um Bahnhalte
Bleibt tatsächlich Pinneberg in der Hoch-Zeit der Verkehrswende im wahrsten Sinn des Wortes auf der Strecke? Vor allem der Landtagsabgeordnete Thomas Hölck (SPD) aus Haseldorf befürchtet das Schlimmste und teilt kräftig gegen Schleswig-Holsteins Wirtschafts- und Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) aus.
„Bevor Madsen Ansprüche an den Bund stellt, sollte er erstmal Schleswig-Holsteins Eigenanteil an den Regionalisierungsmitteln erhöhen“, fordert der Sozialdemokrat. Laut Hölck muss sich jedes Bundesland an den Bundesmitteln mit einem Eigenanteil beteiligen, um den Regional-Schienenverkehr zu finanzieren.
Die Bereitschaft der Landesregierung, vergleichbare Anteile wie andere Bundesländer aufzubringen, sei seit Jahren nicht gegeben. „Wir reden alle von der Verkehrswende, und dann kommt der CDU-Minister mit solchen Überlegungen daher. Das muss man gleich im Keim ersticken“, mahnt Hölck.
Staatssekretär: „Bund entzieht sich Schienen-Nahverkehrs-Finanzierungspflicht“
In Kiel beschäftigte sich heute das Kabinett mit „möglichen Straffungen und Einsparungen im Schienenpersonen-Nahverkehr (SPNV) infolge ausbleibender Bundesmittel“. Dazu sagte Verkehrs-Staatssekretär Tobias von der Heide: „Wir stehen erstmals vor der Situation, dass der Bund seiner grundgesetzlichen SPNV-Finanzierungspflicht nicht nachkommt und sich stattdessen zunehmend aus der Finanzierung zurückzieht. Das ist schmerzhaft und das genaue Gegenteil der von der Ampel-Koalition ausgerufenen Mobilitätswende. Wir hoffen stark, dass es hier noch zu einem Einlenken in Berlin kommt.“
„Da wir aber zeitlich an enge Fristen gebunden sind und als finanziell stark belastetes Flächenland die Fehlbeträge des Bundes nicht aus eigener Kraft ausgleichen können, sind wir gezwungen, schon jetzt zu reagieren“, teilt der Staatssekretär mit. In einem ersten Schritt habe das Ministerium gemeinsam mit dem Nahverkehrsverbund NAH.SH mögliche Einsparpotenziale ab 2025 ausgelotet und weitere Gespräche vereinbart.
S-Bahn Hamburg: Pinneberg-Elbgaustraße wird nur noch alle 20 Minuten bedient
Konkret auf den Weg gebracht wurde bislang eine Takt-Änderung auf der S-Bahn-Linie S 3 zwischen Pinneberg und der Elbgaustraße in den Randzeiten. Dort werden ab dem Fahrplanwechsel im Dezember von montags bis freitags ab 20 Uhr nur noch alle 20 Minuten statt alle zehn Minuten Züge verkehren.
Sonnabends endet der Zehn-Minuten-Takt um 15 Uhr und sonntags gilt ganztägig wie bis 2022 üblich der 20-Minuten-Takt. Tobias von der Hide: „Über weitere mögliche Straffungen sind wir mit unseren Hamburger Kolleginnen und Kollegen ebenso im Gespräch wie mit unserer AKN.“
S-Bahn-Pläne seien „Schlag ins Gesicht für alle Pendler“
Nicht wenige im Kreis Pinneberg halten die Rückkehr zum 20-Minuten-Takt der S3 für eine „fatale Fehlentscheidung“. So äußert sich etwa der FDP-Kreistagsabgeordnete Tobias Heisig: „Die von Staatssekretär von der Heide angekündigte Veränderung des Taktverkehrs der S3 zwischen Pinneberg und Hamburg ist ein Schlag ins Gesicht für alle Pendler aus dem Kreis Pinneberg.“
Wer die Verkehrswende will, müsse den ÖPNV attraktiver machen und das Angebot ausbauen und nicht einschränken, so Heising weiter. „Das Land muss endlich seinen Verpflichtungen hinterherkommen und sich finanziell angemessen am Schienenverkehr beteiligen. Schade, dass Schwarz-Grün dieser Verantwortung bei so einem wichtigen Thema nicht gerecht wird. Jetzt gilt es darauf hinzuwirken, dass der AKN kein ähnliches Schicksal droht. Fazit: Hier wird am falschen Ende gespart!“
Raudis will wissen, wie stark und an welchen Stellen „eingedampft“ wird
Auch die SPD-Landtagsabgeordnete aus Elmshorn Beate Raudis nennt die Pläne „verkehrspolitischen Irrsinn“. Raudis: „Wir brauchen schnell Klarheit, in welchem Ausmaß CDU und Grüne das Angebot an welchen Stellen eindampfen wollen. Leider gilt: Ohne Erhalt des Erreichten wird es wohl nicht gelingen, das von CDU und Grünen ausgerufene Ziel eines klimaneutralen Industrielands Schleswig-Holstein bis 2040 zu erreichen.“
Zudem fordert die Elmshorner Landtagspolitikerin, „dass die Landesregierung auch mitteilt, ob und welche Regionalzüge von den Plänen betroffen sein werden.“ Für sie steht aber jetzt schon fest, dass die Pläne den Pendlern und Pendlerinnen schaden. „Wer das Angebot jetzt zusammenstreicht, verkennt die Zeichen der Zeit. Das muss selbst dem Verkehrsminister klar geworden sein, oder er erkennt immer noch nicht, für welches Ressort er zuständig ist“, so Raudis weiter
Mit Blick auf Medienberichte, dass die Kürzung von zehn Prozent des Zug-Angebots in Rede stünden und damit bereits in diesem Jahr zu rechnen sei, stellt Verkehrsstaatssekretär von der Heide klar: „Es wird weder eine Ausdünnung von zehn Prozent geben, geschweige denn ein Inkrafttreten in diesem Jahr. Das ist zudem übrigens auch vertragsrechtlich ausgeschlossen, weil allenfalls maximal fünf Prozent des Angebots von einem auf das andere Jahr theoretisch gekürzt werden dürften“, so von der Heide.
Nahverkehr: Landesregierung will Bund stärker in die Pflicht nehmen
Die Landesregierung werde sich weiterhin mit aller Kraft gegenüber dem Bund für eine Aufstockung der Mittel einsetzen – das habe Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen mit seinen Länder-Kolleginnen und Kollegen zuletzt auf der Verkehrsministerkonferenz in der vergangenen Woche deutlich gemacht.
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Die schleswig-holsteinischen Vertreter haben in den Verhandlungen mit dem Bund darauf hingewiesen, dass die sich dynamisch anpassenden höheren Zuschüsse zu gering sind, um die reale Kostenentwicklung abzufedern. Der Bund unternehme beim Ausbau- und Modernisierungspakt trotz eines gutachterlich anerkannten Bedarfs von 40 Milliarden Euro nichts und stelle sogar eine Kürzung um 350 Millionen Euro in den Raum. Insgesamt gefährde der Bund mit seiner mangelhaften Finanzierung die Zukunft des Deutschlands-Tickets.