Wedel. Rathaus-Mitarbeiter informiert Politik, dass Bürgermeister Dokumente schreddern ließ. So reagiert Kaser, und das sagen die Bürger.
Helle Aufregung in Wedel. Weil am Gründonnerstag die Politik in der Ratsversammlung (19 Uhr) im Wedeler Rathaus voraussichtlich den inferfraktionell getragenen Beschluss zur Abwahl von Bürgermeister Gernot Kaser fassen wird, haben Vorgänge vom vergangenen Donnerstag für Irritationen gesorgt.
Ein Rathaus-Mitarbeiter meldete der Politik, dass der Bürgermeister sein Büro aufräume und dabei auch Schriftstücke geschreddert werden würden. Welche Dokumente genau dabei verloren gingen – ungewiss.
Vor drohener Abwahl: Gernot Kaser lässt Dokumente schreddern
Zumindest der Zeitpunkt dieser Aktion erscheint im Zusammenhang, dass am Donnerstag voraussichtlich das Abwahlverfahren eingeleitet wird, fraglich. Allerdings: Entscheiden sich zwei Drittel der 40 Ratspolitiker für diesen Vorgang, ruhen ab diesem Zeitpunkt Kasers Amtsgeschäfte. Die Wedeler selbst entscheiden dann voraussichtlich am 9. Juni über Kasers Zukunft.
Am Freitagabend berichtete zuerst das „Wedel-Schulauer Tageblatt“ über diesen Vorgang im Rathaus. Eine Anfrage dazu ließ der Bürgermeister vor Veröffentlichung unbeantwortet. Dafür äußerte sich der Bürgermeister, der in den vergangenen Monaten auch regelmäßig kritische Abendblatt-Nachfragen unbeachtet gelassen hatte, in den Abendstunden des Sonnabends, 24. März, in den beiden großen Wedeler Facebookgruppen (Wedel - Germany und Wedel - die Community), die zusammen mehr als 11.000 Menschen erreichen: „Ich habe nicht-vertrauliches Material (veraltete Zeitungen, Zeitschriften, Werbesendungen) in von Mitarbeitern bereitgestellte Behälter zusammengestellt. Dieser Behälter soll abtransportiert und der Altpapierentsorgung zugeführt werden.“
Er habe begonnen, sein Büro aufzuräumen, „da ich nach dem anzunehmenden Ratsbeschluss vom kommenden Donnerstag damit rechne, unmittelbar mein Büro verlassen zu müssen und ich dies meinen Vertretern in einem geordneten Zustand übergeben möchte“. Diese sollen laut Kaser die Amtsgeschäfte bestmöglich in den folgenden Monaten weiterführen können.
Facebook-Posting Gernot Kaser: Es waren „Handnotizen, Kopien, Ausdrucke von E-Mails und Dokumenten“
Darüber hinaus habe er seiner Sekretärin „einen Stapel von ca. 50-60 Blättern übergeben mit der Arbeitsanweisung, diese Dokumente datenschutzgerecht in einem Aktenvernichter zu vernichten, was sie auch unmittelbar umgesetzt hat“. Kaser schreibt weiter: „Hierbei handelte es sich ausnahmslos um Handnotizen, Kopien, Ausdrucke von E-Mails und Dokumenten. Alle Ausdrucke sind im Email-System, den digitalen Dateiablagen und dem Allris-System vorhanden bzw. digital abgelegt.“
Diese Ausdrucke und Kopien seien von ihm, „unter anderem zum Zwecke der besseren Lesbarkeit angefertigt. Unter diesen Blättern befand sich kein einziges Original-Dokument und dementsprechend fällt kein Dokument unter die Pflicht, ins Archiv übergeben werden zu müssen.“
Wedel: Diskussionen um Abwahl von Bürgermeister Gernot Kaser
Das gesamte Wochenende diskutierten Wedeler im Internet hitzig über das Thema Nummer eins in der Rolandstadt. Viele derjenigen, die eine großangelegte Verschwörung von Politik, Rathaus-Mitarbeitern, Vereinen wie Wedel Marketing – und auch der lokalen Presse – gegen den Amtsinhaber wittern, fordern konkrete Beweise für das Fehlverhalten Kasers, die eine Abwahl tatsächlich rechtfertigten.
Diese sollen jedoch erst in der öffentlichen Sitzung am Donnerstag, 28. März, mündlich im Ratssaal seitens der Ratspolitiker vorgetragen werden. Ratsmitglied Gerrit Baars (SPD) wies in seinem Facebook-Statement am Sonnabend darauf hin, dass es laut Gemeindeordnung des Landes Schleswig-Holstein unter anderem Aufgabe eines hauptamtlichen Bürgermeisters sei, die Verwaltung „in eigener Zuständigkeit nach den Zielen und Grundsätzen der Gemeindevertretung“ zu leiten und Beschlüsse der Wedeler Politik vorzubereiten und umzusetzen – „und über die Ausführung der Beschlüsse dem Hauptausschuss regelmäßig zu berichten“.
Laut Gemeindeordnung ist der Haupt- und Finanzausschuss Kasers Dienstvorgesetzter
Der Haupt- und Finanzausschuss in Wedel „ist laut Gemeindeordnung der Dienstvorgesetzte der Bürgermeisterin oder des Bürgermeisters; er hat keine Disziplinarbefugnis“. Insofern seien Aussagen, dass der Bürgermeister „ohne triftigen, wichtigen Grund willkürlich abgesägt werden“ könne oder Ausführungen über „antidemokratischen Machtmissbrauch“, nach Meinung des Sozialdemokraten schlichtweg falsch, da – grob zusammengefasst – der Rat bestimme, „wohin die Reise politisch gehe“. Der Bürgermeister müsse dann die von der Politik gefassten Beschlüsse umsetzen.
Daher sei bereits die Feststellung eines zerrütteten Vertrauensverhältnisses zwischen Bürgermeister und dem Rat der Stadt Wedel eine formal ausreichende Begründung für einen Abwahlantrag. Und: „Tatsächlich gehen die Gründe für den interfraktionellen Antrag aber darüber hinaus.“ Aus juristischen Gründen dürften Inhalte aus nicht-öffentlichen Sitzungen jedoch bislang noch nicht öffentlich werden.
Leserbriefe erreichen das Hamburger Abendblatt
Das Abendblatt hatte seine Leserinnen und Leser nach ihrer Meinung gefragt. So schreibt die Wedelerin Kerstin Lueckow: „Die Ratsfraktionen haben in der Sitzung am 22. Februar sehr (!) deutliche Kritik in Bezug auf die Zusammenarbeit mit Herrn Kaser geäußert. Das Verhältnis zwischen Herrn Kaser und Wedel Marketing kann man ja wohl nur noch als zerrüttet bezeichnen.“
Viele Mitarbeiter des Rathauses stellen Herrn Kaser regelmäßig ein sehr schlechtes Zeugnis aus: „Zum Beispiel Führung durch Spaltung. Auch ist von Ängsten und Drohungen die Rede sowie von mangelnder Sachkenntnis und Selbstreflexion. Resultat: Es gibt viele Kündigungen und der Krankenstand ist hoch. Eine handlungsfähige Verwaltung ist so kaum noch gegeben.“
Kommunalpolitiker könnten „kaum noch konstruktive Arbeit“ leisten
Auch die ehrenamtlichen Kommunalpolitiker hätten laut Lueckow in den vergangenen Monaten aufgrund der Streitigkeiten „kaum noch konstruktive Arbeit leisten“ können. Lueckow positioniert sich klar: „Gut, wenn all dies ein Ende findet! Wedel ist eine schöne Stadt. Es wird Zeit, dass endlich wieder positive Stimmung herrscht und die wichtigen Probleme in Wedel gelöst werden können.
Frank Sebastiani aus Wedel hält dagegen: „Der Bürgermeister meiner Stadt, Herr Kaser, wird immer wieder öffentlich kritisiert und vorgeführt. Ich vermisse hier jeden Respekt gegenüber der Person und dem Amt! Der Wählerwille – Herr Kaser wurde demokratisch ins Amt gewählt – passt offensichtlich einigen Akteuren nicht. Als Quereinsteiger ist Herr Kaser nicht so vernetzt wie sein Vorgänger. Und wenn dann Liebgewordenes infrage gestellt wird, lässt man den Bürgermeister halt ‚auflaufen‘“.
Schnell würden ein paar „Fettnäpfchen“ aufgestellt und die „Treffer“ dann öffentlich breitgetreten werden. Sebastiani schreibt: „Auch wenn der Bürgermeister keinen „Fettnapf“ auslässt – Fehler, Versäumnisse und Missverständnisse sind Intern zu klären. Alles andere kann man nur als schlechten Stil bezeichnen! Die Mitarbeitenden im Rathaus und die politisch Verantwortlichen solchen Handelns sind für unsere Stadt nicht tragbar. Sie schaden dem Ansehen unserer Stadt massiv.“
Schuld an der aktuellen Situation sei Kasers Vorgänger
Herb Gerner teilt mit, dass die Gründe für die aktuelle Situation mit Kasers Vorgänger Niels Schmidt zu tun hätten. In 18-jähriger Amtszeit habe jener „in Verwaltung und Politik sein Netzwerk gestrickt“. Dieses habe zur „massiven Überschuldung der Stadt geführt.“ Es habe kaum Impulse durch das Stadtmarketing gegeben, das Hafenfest reiche laut Gerner nicht.
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Vorhaben wie Business Park, Hafen oder Wedel Nord seien schlecht vorbereitet worden, es sei „keine überzeugende Zukunftsstrategie formuliert“ worden. Es sei daher verständlich, dass ein neuer Bürgermeister auch Personalentscheidungen treffen müsse, etwa bei der Vertragsauflösung mit Bauamtschefin Gisela Sinz, die Gerner begrüßt. Generell gesehen täten „die Parteien gut daran, selbst tragfähige Perspektiven für die Stadt aufzuzeigen und die Bewertung von Kiel abzuwarten“. Aktuell läuft nach einer Beschwerde eines Rathausmitarbeiters ein Disziplinarverfahren gegen Gernot Kaser.
Kaser „hätte man nie wählen dürfen, wenn man sich die Vita genauer angesehen hätte“
In einer anderen Zuschrift, Absender „C K“, heißt es dagegen über Kaser: „Kein Gewinn für Wedel. Hätte man nie wählen dürfen, wenn man sich die Vita genauer angesehen hätte. Völlig unfähig für dieses Amt“. Dirk und Elke Harten schreiben: „Wir sind froh, dass die Politik handelt und das Abwahlverfahren in Gang gebracht hat. Wir haben bisher nur Negatives über Herrn Kaser gehört und wahrgenommen. Weder in der Verwaltung, noch in den politischen Gremien, noch im Marketingverein scheint eine konstruktive Zusammenarbeit möglich zu sein. Das kann so nicht die volle Amtszeit weitergehen.“
Daniel Peters aus Wedel verweist auf die Demokratie. Das Bürgermeistervotum von 55 Prozent zu 45 Prozent Pro-Kaser gelte für ihn in der Demokratie für die volle Legislaturperiode „und ist von allen zu tragen, auch von den Unterstützern des unterlegenen Kandidaten“. Bürgermeister Kaser sei mit Respekt zu behandeln. Peters vermutet, dass jener nach Wunsch von Verwaltung, den Ratsfraktionen – auch jenen aus der Vergangenheit – sowie den Wedeler Institutionen und Vereinen durch ein Abwahlverfahren abgelöst werden.
Bürgermeister Kaser: Verwaltung zeichne sich durch „Illoyalität und Öffentlichkeitsarbeit“ gegen ihn aus
Peters meint: „Die Wedeler Verwaltung zeichnet sich durch Illoyalität und Öffentlichkeitsarbeit gegen unseren gewählten BM aus.“ .Auch die Wedeler Ratsfraktionen – mit Ausnahme der Wedeler Sozialen Initative (WSI) – seien nicht in der Lage, „auf einen gewählten BM deeskalierend einzuwirken, Lösungen hinter verschlossenen Türen zu finden, sondern suchen das Rampenlicht in öffentlichen Sitzungen, um die Abwahl herbeizuführen“.
Gernot Kaser sei Personalchef bei den Drägerwerken in Peters Heimatstadt Lübeck gewesen. „Es ist doch klar, dass er starke Defizite im Verwaltungsrecht aufweist und auf die Loyalität und Geduld in der Verwaltung angewiesen ist. Dass zwei berufliche Welten aufeinander prallen, dürfte niemanden überraschen.“ Neuwahlen brauche kein Mensch in Wedel. Viele hätten ganz andere Sorgen, „als eurer Schauspiel zu verfolgen. Gernot Kaser steht bestimmt zu seinen Fehlern und wer ohne Schuld ist, werfe bitte den ersten Stein“, so Peters