Wedel. Völlig verängstigte Verwaltung in Wedel geht mit Gernot Kaser hart ins Gericht. Auch das Innenministerium rügt ihn - die Vorwürfe.
Wedels Bürgermeister Gernot Kaser sieht sich mit immer heftigeren Vorwürfen konfrontiert. Und die kommen nicht nur aus seinem engsten beruflichen Umfeld – dem Rathaus in Wedel. Auch die Kommunalaufsicht des Landes Schleswig-Holstein rügt nun in einem aktuellen Schreiben den Bürgermeister für Falschaussagen. Der Chef der Verwaltung hatte zudem wegen der miesen Stimmung „seines“ Personals um konkrete Antworten für die Gründe gebeten. Eine Personalumfrage Ende November des Vorjahres fiel aus Kasers Sicht schlimm aus.
Die Vorwürfe gegen ihn dürften ihm nicht gefallen, da unter anderem im Raum steht, Kaser würde über soziale Medien eher kommunizieren als mit den Mitarbeitenden. Das Schreiben des Personalrats ging an diesem Mittwoch, 7. Februar, an Kaser, das Leitungsteam, Fachdienstleitung Personal sowie an sämtliche gut 400 Verwaltungsmitarbeiter.
Bürgermeister Kaser: Niederschmetternde Antworten bei Personalbefragungen
Auf dem postalischen Weg erreichte es mit anonymen Absender auch die Abendblatt-Redaktion in Pinneberg. Die Echtheit der brisanten Dokumente ist gegenüber dem Abendblatt bestätigt worden. Kaser selbst soll nach Abendblatt-Informationen aktuell erkrankt ausfallen. Eine Anfrage am Donnerstagmittag, mit der Bitte um eine Stellungnahme – sofern möglich –, blieb bisher unbeantwortet.
Unter anderem hatte Bürgermeister Kaser den Personalrat in der Sitzung im November 2023 aufgefordert, sich von den Mitarbeitern konkrete Gründe für die Verärgerung am Arbeitsplatz nennen zu lassen – und gegen wen oder welche Position sich diese richten würden. „Als Hauptursache für die schlechte Stimmung, die Verärgerung, Frustration und Verunsicherung hat eine überwältigende Mehrheit (im Rathaus teilweise bis zu 94 Prozent) der Mitarbeitenden den Bürgermeister benannt“, heißt es in diesem Schreiben.
Frustrierte Rathausmitarbeiter: 48 Freitext-Kommentare zeichnen düsteres Bild vom Verwaltungschef
123 Mitarbeitende sehen den Bürgermeister explizit verantwortlich für die Verschlechterung der Stimmung. Zwar würden auch Fachbereichsleitungen und Leitungsteam genannt, „allerdings eklatant weniger als der Bürgermeister selbst“. Es habe als Rückmeldung immerhin 48 Freitext-Kommentare gegeben, der Personalrat führt eine stichpunktartige Zusammenfassung auf.
Nur einige Einschätzungen der Mitarbeiter zum Rathauschef lauten: „Versprechungen und falsche Aussagen an die Bürger*innen, teils aus Unkenntnis, ohne bei dem Fachpersonal nachzufragen, teils aus dem Wunsch, nach außen gut dazustehen“, „Kann Informationen nicht durchdringen, trifft dadurch viel zu spät und teils nicht nachvollziehbare Entscheidungen“, „Keine Sachkenntnis, keine Selbstreflexion“ oder auch „Führung durch Spaltung, keine Führungskraft“.
Vorwurf: Kaser würde lieber seine eigenen „Experten“ befragen
Kaser würde laut Mitarbeitern die Sachverhalte lieber mit „Experten aus seinem privaten Umfeld als mit sachkundigen Mitarbeitenden“ besprechen oder weise auch ein unzuverlässiges oder verletzendes Verhalten auf. Er schaffe ein Klima des Misstrauens, der Angst und der Demotivation. Er lüge lieber, als nach außen schlecht dazustehen. Insgesamt werden 17 harsche Kritikpunkte, darunter auch Drohungen gegenüber Mitarbeitenden, die das ganze Rathaus verunsicherten, geäußert.
Der Personalrat fällt bereits nach drei von insgesamt neun beantworteten Fragen ein zusammenfassendes Urteil. „Unzuverlässigkeit des Bürgermeisters schafft Verunsicherung, Ängste werden durch den respektlosen Umgang mit anderen Mitarbeitenden ausgelöst, Mehrarbeit entsteht durch falsche Kommunikation des Bürgermeisters“ oder auch durch „falsche und nicht umsetzbare Anweisungen“. Das mangelnde Vertrauen in seine Mitarbeiter sorge für Verärgerung, Verzögerung schaffe Frustration.
Mitarbeiter werden bei Sachthemen nicht involviert
Frage vier zielt darauf ab, wann sich Veränderungen gezeigt hätten. „Hinsichtlich des Bürgermeisters wurden Entscheidungen seit Beginn der Amtszeit verzögert, allerdings wurde das sicherlich mit der notwendigen Einarbeitung entschuldigt.“ Irgendwann könne diese Entschuldigung jedoch nicht mehr greifen, „zumal dennoch nicht auf das Fachwissen der langjährigen Mitarbeitenden zurückgegriffen wird“.
Auch der Personalrat wird konkret: „Wenn Mitarbeitende umgesetzt werden oder freiwillig gehen, ein Fachbereich unvermittelt ausziehen soll und dies alles ohne vorherige Beteiligung des Personalrates oder eine adäquate Kommunikation geschieht, dann ist die Verschlechterung der Stimmung auch nicht verwunderlich.“
Ansage im Rathaus: „Hier wird jetzt umstrukturiert – und das ist erst der Anfang“
Wenn dies alles von der Bürgermeister-Aussage „Hier wird jetzt umstrukturiert, und das ist erst der Anfang“ begleitet werde, dann verändere sich nach Personalratsmeinung auch die Stimmung bei den Mitarbeitenden, die bisher wenig mit dem Bürgermeister zu tun hätten.
Mit direkten Vorgesetzten oder innerhalb der Fachbereiche selbst gibt es laut dem Schreiben eher weniger Probleme, wenn möglich, werde an Lösungen gearbeitet. Der Personalrat: „Die Mitarbeitenden in den meisten Fachbereichen fühlen sich von Ihren direkten Vorgesetzten sehr gut vertreten.“
Angst vor dem Chef: Mitarbeiter wollten „bloß nicht in den Fokus geraten“
Final waren die Mitarbeitenden vom Personalrat gefragt worden, ob sie den Bürgermeister auch direkt auf ihren Frust und Verärgerung angesprochen hätten. Das entziehe sich der Kenntnis des Personalrats. „Da wir die Rückmeldung bekommen haben, dass Mitarbeitende das Bedürfnis haben, sich möglichst unauffällig zu verhalten, um bloß nicht in den Fokus zu geraten, beantwortet das vermutlich, warum einige Kolleginnen und Kollegen nicht mit dem Bürgermeister direkt über Missstände reden möchten“, heißt es.
Zumal der Eindruck entstanden sei, dass es dem Bürgermeister ausschließlich um das eigene Ansehen in der Öffentlichkeit und nicht um die Mitarbeitenden oder die Verwaltung in Gänze gehe. Nach Abendblatt-Informationen wird von der Politik bereits in Gesprächen die Möglichkeit eines Abwahlverfahrens geprüft.
Innenministerium mit Richtigstellung nach Kasers Neujahrsansprache
Dem Abendblatt liegt überdies auch ein Schreiben aus dem Innenministerium Schleswig-Holsteins vor. Es ist an Wedels Stadtpräsident Julian Fresch und Bürgermeister Kaser adressiert. Darin geht es um die Situation in der Stadt Wedel und Gernot Kasers öffentliche Ankündigung beim Neujahrsempfang am 21. Januar.
Dort sagte Kaser zur bemängelten Kommunikation zwischen Bürgermeister und Politik, die Kommunalaufsicht des Landes habe bereits signalisiert, bei einem Mediationsverfahren eine moderierende Rolle einnehmen zu wollen. Dieser Darstellung widerspricht die Kommunalaufsicht allerdings nun.
Zoff mit Politik: Kommunalaufsicht habe sich nicht einschalten wollen
In dem Schreiben vom 25. Januar aus Kiel heißt es: „Entgegen der Darstellung, die wir den Medien entnehmen mussten, war keineswegs kommuniziert worden, wir würden die Moderation an uns ziehen wollen oder uns gar kommunalaufsichtlich einschalten. Auch dass die Stadt Wedel zu diesem Zeitpunkt bereits ein Mediationsverfahren geplant hatte, wurde uns nicht mitgeteilt.“
Neben Kaser hatte Ratsfrau Valerie Wilms das Ministerium im Vorfeld persönlich aufgesucht. Daraufhin habe Tilo von Riegen, Leiter der Kommunalabteilung im Innenministerium, der den Brief verfasst hat, ein Gespräch mit allen Beteiligten und den Fraktionsvorsitzenden angekündigt. „Ziel sollte es sein, Ihnen allen in diesem Rahmen das Hinzuziehen eines externen Fachkundigen zum Zwecke eines moderierten Mediationsverfahrens wärmstens ans Herz zu legen.“
Körber-Stiftung präsentierte der Politik das Programm „Respekt im Rat“
Allerdings hatte dann auch das Ministerium erfahren, dass die Körber-Stiftung mit dem Projekt „Respekt im Rat“ involviert ist und zeitnah die Auftaktveranstaltung geplant sei. Insofern „hat sich das von uns anvisierte gemeinsame Gespräch mit Haupt- und Ehrenamt der Stadt Wedel, in welchem wir Ihnen zu eben diesem Schritt geraten hätten, erübrigt.“
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Das Projekt, das für ein besseres Miteinander zwischen Politik und Rathaus wirbt, war den Ratsmitgliedern und der Verwaltung tatsächlich direkt am 25. Januar in der Sitzung vorgestellt worden und stieß auf offene Ohren. Kurze Zeit später entbrannten jedoch in derselben Sitzung im öffentlichen Teil heftige Diskussionen um das Wedeler Stadtmarketing. Auch diese Kontroverse ist noch nicht gelöst.
Der Kieler Amtsleiter von Riegen wünsche nun ein erfolgreiches Mediationsverfahren und für die Zukunft eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger der Stadt Wedel. Diese könnte durch die neuesten Entwicklungen allerdings weiter nachhaltig geschädigt worden sein.