Ellerau/Quickborn. 1100 Lkw pro Tag: Auf Quickborns Anraten stellt Gemeinde einen neuen Bebauungsplan auf. Das sei längst überfällig, sagt ein Experte.
Ist das jetzt der erhoffte Trumpfstich für Quickborn und Ellerau im Machtpoker, um die Ansiedlung des Logistik-Konzerns Hillwood aus den USA in letzter Minute doch noch zu verhindern? Der Planungsausschuss der Gemeinde Ellerau hat jetzt einstimmig einen neuen Bebauungsplan für das zehn Hektar große Areal an der Bahnstraße, Höhe AKN-Bahnhof Tanneneck, auf den Weg gebracht. Die seit 1962 als Industriegebiet ausgewiesene und seit etwa 20 Jahren brachliegende Fläche soll zu einem einfachen Gewerbegebiet herabgestuft werden.
Mit einer Veränderungssperre, die der Gemeinderat am 21. März zeitgleich mit dem B-Plan-Beschluss erlassen will, könnte nach Ansicht der Juristen beider Orte das Mega-Projekt noch zu Fall gebracht werden. Voraussetzung ist dann aber, dass die Behörden in Kreis und Land den Widersprüchen beider Orte stattgeben und die Baugenehmigung für unrechtmäßig und somit nichtig erklären. Dann müsste Hillwood einen erneuten Bauantrag nach den neuen Vorgaben stellen und den zu erwartenden Schwerlastverkehr dabei wohl erheblich reduzieren.
Hillwood Ellerau: Neueste Angabe des US-Konzerns - bis zu 1100 Lkw-Fahrten am Tag
Anwohner und Politiker beider Kommunen fürchten nämlich, dass ihre Gemeindestraßen im völligen Verkehrschaos versinken, wenn bis zu 1100 Lkw-Fahrten täglich das Gelände an- und abfahren, wie es die neuesten Angaben des Hillwood-Konzerns dazu beschreiben. In der erteilten Baugenehmigung war zuvor sogar von bis zu 1600 Lkw-Fahrten am Tag die Rede.
Für Quickborns Bürgermeister Thomas Beckmann steht jedenfalls fest: „Mit dem Massen-Logistik-Konzern Hillwood gibt es für uns keine Lösung.“ Notfalls werde Quickborn die Ansiedlung gerichtlich verhindern. Einen sofortigen Baustopp, weil der Konzern bereits die bestehenden Gebäude abreiße und im Frühjahr mit dem Bau von 50.000 Quadratmetern Lagerfläche beginnen will, konnte Quickborn aber jüngst nicht vor dem Verwaltungsgericht erreichen. Umso größer sei nun die Zustimmung für den Ellerauer Entscheidung: „Wir freuen uns sehr über den Aufstellungsbeschluss des Bau-, Planungs- und Umweltausschusses der Gemeinde Ellerau“, so Beckmann. „Aus unserer Sicht ist der Beschluss eine gute Sache für die Bürgerinnen und Bürger Quickborns und Elleraus.“
Stadtplaner: So einen alten Bebauungsplan hatte er noch nie auf dem Tisch
Die Gemeinde Ellerau hätte aber längst planungsrechtlich in dieses Gebiet eingreifen müssen, führte der von der Gemeinde beauftragte Stadtplaner Bernd Schürmann aus. „So ein altes Ding von 1962 habe ich noch nie in Arbeit gehabt“, sagte der erfahrene Diplomingenieur aus Itzehoe. Nicht nur ein Massenlogistiker wie Hillwood, auch jeder andere Industriebetrieb, der hochgradig die Umgebung mit Lärm, Abgasen oder Erschütterungen stören würde, hätte sich ohne weiteres in Ellerau ansiedeln können. „Und die Gemeinde würde nicht einmal gefragt und könnte nichts dagegen tun.“
Darum sei es dringend angezeigt, das Industriegebiet, in dem praktisch alles erlaubt sei, was woanders unzulässig wäre, in ein Gewerbegebiet umzuwandeln, riet Stadtplaner Schürmann dem Ellerauer Ausschuss. Nicht auszudenken, was seiner Gemeinde für Ungemach gedroht hätte, wenn sich aufgrund dieser jahrzehntelang geltenden Rechtslage ein großer Industriekonzern mit Fabriken für den Standort Ellerau interessiert hätte, sagte nach der Sitzung erleichtert Bürgermeister Ralf Martens.
US-Konzern: Übergeordnetes Ziel sei nun „eine gemeindetypische Gewerbestruktur“
Und so beschloss der Planungsausschuss den neuen B-Plan 30 aufzustellen, der den alten von 1962 aufheben soll. „Übergeordnetes Planungsziel“ sei es, hieß es ausdrücklich auf Antrag der SPD-Fraktion, dass jedes künftige Gewerbe zwischen Bahnstraße, Buchenweg und Werner-von-Siemens-Straße sich verträglich in die vorhandene „gemeindetypische Gewerbestruktur“ einpassen müsse.
Ob das ausreicht, um jetzt die Ansiedlungspläne des US-Konzerns Hillwoods zu stoppen, wird sich erweisen müssen. Selbst wenn dessen Baugenehmigung von den Behörden kassiert werden sollte und die Veränderungssperre erlassen sei, würde ein Gewerbegebiet nicht automatisch einen Logistikkonzern ausschließen, sagte Stadtplaner Schürmann. Aber auf jeden Fall müssten dann behördlicherseits Gutachten erstellt werden, ob sich der zusätzliche Schwerlastverkehr in die vorhandenen Straßen einfügen würde.
Rechtsstreit: Begründung des Verwaltungsgerichts lässt Quickborn hoffen
Die Quickborner Verwaltung und ihr Rechtsamtsleiter Alp Kor halten dies für ausgeschlossen. Zumindest müsste der Lkw-Verkehr so weit heruntergeschraubt werden, dass es unattraktiv und unwirtschaftlich für den US-Konzern werden dürfte, der hier nach eigenen Angaben 80 Millionen Euro in den Bau der fünf großen Lagerhallen investieren will.
Inzwischen liegt auch die Begründung des Urteils des Verwaltungsgerichts Schleswig vor, das auf Antrag Quickborns keinen sofortigen Baustopp verhängte. Zwar sahen die Richter „durchaus noch Zweifel an einer gesicherten Erschließung“ des Geländes von der A7 über die Quickborner und Ellerauer Zufahrtstraßen. Aber es fehle der Nachweis, dass nicht nur im morgendlichen und nachmittäglichen Pendler- und Feierabendverkehr der Verkehr zum Erliegen käme, führt die Zweite Kammer des Verwaltungsgerichts aus.
Gutachten zum US-Projekt: In Spitzenzeiten würde der Verkehr zum Erliegen kommen
Wörtlich heißt es darin unter Berufung auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 1986: „Die gesicherte Erschließung wird indes nur dann in Frage gestellt, wenn die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs nicht nur in Spitzenzeiten ohne zusätzliche Erschließungsmaßnahmen wie eine Verbreiterung der Straße oder die Schaffung von Einfädelungsspuren nicht mehr gewährleistet wäre.“
In diesen Spitzenzeiten allerdings, konzediert das Gericht nach den vorliegenden Gutachten, würden Quickborn und Ellerau im Stau versinken. Durch die von Hillwood nun auf 1080 Lkw-Fahrten sowie 336 Pkw-Fahrten am Tag begrenzten Angaben würde sich der Schwerlastverkehr in der Bahnstraße und der Friedrichsgaber Straße von derzeit 350 bis 500 Lkw-Fahrten am Tag auf gut 1500 Lkw-Fahrten am Tag mehr als verdreifachen.
Quickborn: Mehrere lange Staus täglich auf der Bahn- und Friedrichsgaber Straße
Die Folge, so das Verwaltungsgericht: „Die Rückstaulängen würden im Vergleich zur aktuellen Situation deutlich zunehmen, sodass Staulängen vor allem in der Hauptverkehrszeit nachmittags von ca. 260 Metern in der Bahnstraße-Ost beziehungsweise über 430 Meter in der Friedrichsgaber-Straße zu erwarten seien.“
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Denn, so der Gerichtsbeschluss weiter: „Nach dem Verkehrsgutachten tritt im Prognosefall an allen Knotenpunkten eine Verschlechterung der Verkehrssituation ein: Am Knotenpunkt Bahnstraße/Buchenweg sei zumindest in der Spitzenstunde am Morgen mit spürbaren Wartezeiten an den Lichtzeichenanlagen sowie gelegentlichen Rückstauungen zu rechnen. Am Knotenpunkt Bahnstraße/Friedrichsgaber Straße komme es in den Spitzenstunden am Morgen und am Nachmittag sogar zu beträchtlichen Wartezeiten für die jeweils betroffenen Verkehrsteilnehmer, wobei sich häufig Rückstauungen bilden würden.“
Diese 15.000 Euro Gerichtskosten dürfte Quickborn trotz des nicht erfolgten vorzeitigen Baustopps gerne investiert haben. Einen möglichen Regressanspruch seitens des US-Konzerns Hillwoods wegen des neu aufgestellten B-Planes halten mehrere juristische Gutachten beider Kommunen für ziemlich unrealistisch. Bürgermeister Martens zitierte aus einer Expertise, dass Ellerau schon allein deshalb „auf der sicheren Seite“ sein dürfte, weil der zu ändernde B-Plan von 1962 älter als sieben Jahre alt ist.