Pinneberg. CDU-Kandidat Bröcker verliert Bürgermeisterwahl, und Vize-Bürgermeister Bohlen (CDU) verlässt Pinneberg. Wie geht es weiter?
Verliert die CDU im Rathaus nach dem eindeutigen Ergebnis bei der Bürgermeisterwahl an Einfluss? Nicht nur, dass ihr Kandidat Marco Bröcker (CDU) in der Stichwahl unterlag, auch der Erste Stadtrat Stefan Bohlen (CDU) wird Pinneberg verlassen und am 1. Januar in Kaltenkirchen das Amt des Bürgermeisters antreten.
Auch wenn der Bürgermeister nicht allein entscheidet, Einfluss nehmen auf das Geschehen in der Stadt kann er schon, indem er beispielsweise Vorschläge macht, wie er die Stadtverwaltung künftig strukturieren will und Vorlagen in die politischen Ausschüsse einbringt. So könnte sein Wort auch bei der Auswahl eines neuen Ersten Stadtrats, der ihn vertritt, ins Gewicht fallen.
Ratsversammlung in Pinneberg wählt neuen Stadtrat
Derzeit ist die Stelle noch nicht ausgeschrieben. Gewählt wird der Stadtrat von der Ratsversammlung, dem höchsten politischen Gremium der Stadt Pinneberg. Die kommt wieder am 23. November zusammen. Auf der Tagesordnung steht dann sicherlich auch die Personalie Stadtrat. Vorab werden die Politiker auch mit dem neuen Bürgermeister über dessen Vorstellungen sprechen.
Die Ratsversammlung setzt sich nach der Kommunalwahl im Mai wie folgt zusammen: Die CDU ist mit 17 von insgesamt 48 Sitzen die stärkste politische Kraft, gefolgt von SPD (11) und Grünen (10). FDP und Buntes Pinneberg sind mit jeweils fünf Sitzen vertreten.
Zuletzt hatten CDU und Grüne nicht nur einen gemeinsamen Bürgermeisterkandidaten ins Rennen geschickt, sondern in der Entscheidung um den Standort der neuen Feuerwache mit 27 Stimmen eine Mehrheit gegen die anderen drei Fraktionen gebildet.
Stadtrat ist in Pinneberg vertritt auch dem Bürgermeister
Die Ratsversammlung hatte den Christdemokraten Stefan Bohlen im Juni 2019 für sechs Jahre zum Stadtrat gewählt. Seit dem 26. September 2019 ist er als Erster Stadtrat auch Erster Stellvertreter von Bürgermeisterin Urte Steinberg (parteilos). Der Erste Stadtrat und die Bürgermeisterin leiten je eines der beiden Dezernate der Stadtverwaltung Pinneberg und vertreten sich gegenseitig.
In den Zuständigkeitsbereich des Ersten Stadtrats fallen das Dezernat II mit dem Bereich Innerer Service mit den Fachdiensten: Verwaltung inklusive deren Digitalisierung, Brandschutz, Personal und Finanzen sowie den Bereich Bürgerservice. Dazu gehören die Fachdienste Ordnung und Standesamt, Soziale Leistungen, Verkehr sowie die Eigenbetriebe Kommunaler Servicebetrieb (KSP) und Abwasserbetrieb.
SPD in Pinneberg kann keinen Linksruck erkennen
Das Votum bei der Stichwahl am 29. Oktober war eindeutig: Thomas Voerste (parteilos), Jugendamtsleiter im Kreis Rendsburg-Eckernförde und gemeinsamer Kandidat von SPD und FDP, erhielt 62,6 Prozent der Stimmen. Er übernimmt das Amt des Bürgermeisters offiziell am 10. Januar von Urte Steinberg. Wie werden sich die Machtverhältnisse verschieben? Könnte man sogar von einem Linksruck im Pinneberger Rathaus sprechen? Das sagen die Parteien in Pinneberg dazu:
„Einen Linksruck können wir nicht erkennen, denn an den Mehrheitsverhältnissen im Rat und in den Ausschüssen hat sich durch die Wahl des Bürgermeisters nichts verändert. Der Bürgermeister ist überparteilich, er leitet die Verwaltung, und seine Aufgabe besteht darin, die politischen Entscheidungen der Ratsversammlung umzusetzen“, sagt SPD-Fraktionsvorsitzende Angela Traboldt.
CDU: Entscheidungen werden in der Ratsversammlung getroffen
Einen Vorteil für die SPD sieht sie aber: Man kenne Thomas Voerste bereits gut und freue sich auf die gemeinsame Zusammenarbeit. „Wir sind uns aber auch sicher, dass es den anderen Fraktionen gelingen wird, eine konstruktive und faire Zusammenarbeit mit dem künftigen Bürgermeister zu pflegen.“
In der CDU reagiert man auf die Anfrage des Abendblattes mit Unmut. „Es kann keine Machtverschiebung geben, denn die Entscheidungen werden in der Ratsversammlung getroffen, nicht in der Stadtverwaltung. In Pinneberg gibt es keine Koalition. Wir arbeiten mit wechselnden Mehrheiten“, sagt CDU-Ortsvorsitzende Natalina di Racca-Boenigk. „Bitte lassen Sie Herrn Voerste erst einmal sein Amt antreten, bevor wir uns über was auch immer unterhalten.“ Bündnis 90/Die Grünen zogen es vor, gar nicht erst auf die Abendblatt-Anfrage zu reagieren.
FDP hofft auf Normalität in der Pinneberger Kommunalpolitik
In der FDP hofft man, dass durch das Ende des Bürgermeisterwahlkampfes wieder Normalität in die Pinneberger Kommunalpolitik einkehrt. „Eine Vielzahl gemeinsamer Anträge und die letzten Ausführungen von Herrn Bröcker haben die gemeinsame Mehrheit von CDU und Grünen in den Fokus gerückt. In der Ratsversammlung haben sich seit der Kommunalwahl aber schon verschiedene Mehrheiten gebildet“, sagt FDP-Fraktionsvorsitzender Lukas Alexander Ellgoth. „Wir begrüßen, dass es in Pinneberg unüblich ist, basierend auf einem Koalitionsvertrag auf kommunaler Ebene zu regieren, wie es in anderen Städten üblich ist. Wir haben Schnittmengen mit jeder Fraktion in der Ratsversammlung und begrüßen dementsprechend sachorientiert wechselnde Mehrheiten.“
Einen Linksruck kann er nicht sehen. „Unsererseits wurde während des Wahlkampfes klar kommuniziert, dass ein Bürgermeister in erster Linie umsetzt, was die Ratsversammlung beschließt. Gerade Herr Voerste, der mit Verwaltungskompetenz und Parteilosigkeit geworben hat, wird dies nicht ändern können oder wollen. Ich bin überzeugt, dass auch CDU und Grüne Herrn Voerste schnell schätzen lernen werden und eine gute Zusammenarbeit mit allen Fraktionen etabliert werden kann.“
Buntes Pinneberg: mehr Überparteilichkeit und weniger Lagerdenken
Buntes Pinneberg sieht in dem Ergebnis der Bürgermeisterwahl einen weiteren Hinweis darauf, dass sich die Pinnebergerinnen und Pinneberger „mehr Überparteilichkeit und weniger Lagerdenken“ wünschen. „Die Fraktion Buntes Pinneberg war sehr irritiert über den demonstrativen Zusammenschluss von CDU und Grünen bei der Bürgermeisterwahl und parallel bei der Standortwahl der neuen Hauptfeuerwache“, sagt Karsten Kreißler, Vorsitzender von Buntes Pinneberg „Wir sind der Meinung, dass auf der kommunalen Ebene vor allem bürgernah und sachorientiert entschieden werden sollte, anstatt kleinliche Debatten über Machtansprüche und Parteizugehörigkeiten zu führen.“
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Thomas Voerste sei aus ihrer Sicht dafür der richtige Bürgermeister, da er den Eindruck vermittelt habe, dass er bei anstehenden Entscheidungen lösungsorientierte Gespräche mit allen Fraktionen führen werde. „Wenn auf dieser Grundlage von der Verwaltung Beschlussvorlagen entwickelt werden, die verschiedene Alternativen mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen aufzeigen, dann wird dem Wählerwillen großer Teile der Pinneberger Bevölkerung entsprochen. Wir wünschen Herrn Voerste viel Erfolg bei den vielen anstehenden Aufgaben in Pinneberg.“