Elmshorn. Im Internet stellt sich Volker Hatje den Fragen der Elmshorner Bürger, direkt und ungefiltert. Ein Modell für die Zukunft?

Eine Bürgersprechstunde gibt es in vielen, ja wahrscheinlich allen größeren Gemeinden und Städten im Kreis Pinneberg. Manchmal im Rathaus, manchmal sogar auf dem Wochenmarkt. Aber bestimmt nicht auf Instagram. Außer in Elmshorn. Dort sind diese digitalen Bürgersprechstunden fast schon normal. Supernormal?

Auf jeden Fall ist die Fragestunde im Livestream auf Instagram für Oberbürgermeister Volker Hatje kein Neuland mehr. Zum vierten Mal stellte er sich nun schon im Internet live den Fragen den Elmshornerinnen und Elmshorner. Die konnten im Vorfeld Fragen einreichen, fast 50 kamen zusammen. Zu Gesicht bekam Hatje diese vorab aber nicht.

Elmshorn Oberbürgermeister auf Instagram: Sprechstunde im Livestream

„Ich finde das Format total spannend“, sagt Hatje. „Für mich ist das jedes Mal ein Sprung ins kalte Wasser. Ich kenne vorab ja nur die Themenbereiche.“ Davon gab es diesmal im Wesentlichen vier: den Stadtumbau, den Umzug des Buttermarktes, den Relaunch des Stadtslogans „Supernormal“ und einen Bereich unter dem Titel „Sonstiges“.

Das Thema „Supernormal“ beschäftigt die Elmshornerinnen und Elmshorner offenbar ganz besonders. Der initiale Launch der Kampagne 2017 stand unter keinem guten Stern, ein Beitrag der Satire-Sendung „Extra3“ machte Elmshorn zwar bundesweit bekannt, aber den Stadtslogan auch gewissermaßen lächerlicher.

„Supernormal“: Elmshorn wagt den Relaunch der Stadtmarke

Jetzt wollten es die Verantwortlichen besser machen, wagten erst kürzlich den Relaunch. Alle sollten ins Boot geholt werden. Die Euphorie unter den Beteiligten war groß, doch die übertrug sich offenbar nicht auf alle. So will eine Nutzerin wissen, warum „so unfassbar viel Geld“ für den Relaunch ausgegeben werde, wo doch der größere Teil der Einwohner diese Marke ablehne.

100.000 Euro kostet der Relaunch die Stadt. In Zukunft soll weiteres Geld möglichst nicht allein aus der Stadtkasse kommen, die Kampagne ist für mehrere Jahre angelegt. Aber die Nutzerin meckert nicht, sie macht gleich einen Vorschlag: „Warum konnte man dieses Geld nicht in Kultur oder in die Jugend investieren?“

Die Verantwortlichen der Stadt, des Stadtmarketings, der Wirtschaftsförderung, der Nordakademie und der Initiative Elmshorn beim Relaunch der Stadtmarke „Supernormal“.
Die Verantwortlichen der Stadt, des Stadtmarketings, der Wirtschaftsförderung, der Nordakademie und der Initiative Elmshorn beim Relaunch der Stadtmarke „Supernormal“. © Marvin Mertens | Marvin Mertens

Hatje: Geld für „Supernormal“-Relaunch bleibt in Elmshorn

Ein anderer wünscht sich, man hätte die Bürgerinnen und Bürger vor dem Relaunch befragt, welche Inhalte sie sich für die Kampagne vorstellen könnten, welche Ideen sie dazu hätten. „Das könnte die Akzeptanz deutlich steigern und würde möglicherweise auch günstiger werden“, schreibt der Nutzer.

Hatje nutzt diese Fragen, um darauf hinzuweisen, dass das Geld in der Stadt bleibe. „Das Geld wird in Elmshorn ausgegeben“, so Hatje. Der Relaunch komme zum richtigen Zeitpunkt, die Menschen sehnten sich nach der Corona-Pandemie und mit Blick auf den Ukraine-Krieg nach Normalität. Er sagt aber auch: Elmshorn sei zu groß, um sich nur auf ein Thema zu konzentrieren. Stadtmarke, Kultur, Jugendarbeit – das sollte man nicht gegeneinander aufwiegen.

Fast alle Elmshorner haben schon einmal vom Slogan gehört

Im Zentrum der neuen „Supernormal“-Kampagne sollen die Fragen stehen, was für die Elmshornerinnen und Elmshorner normal sei und was für sie ein gutes Leben bedeutete. Deshalb sollen sich nach dem initialen Launch eben auch die Menschen miteinbringen. Mit diesen Ideen und Eindrücken solle die Kampagne im weiteren Verlauf mit Leben gefüllt werden, so Hatje.

Außerdem betont der Oberbürgermeister, dass zwar nicht alle Elmshornerinnen und Elmshorner den Slogan gut fänden. „Aber eine Befragung der Nordakademie hat ergeben, dass 98 Prozent der Menschen in der Stadt ihn kennen“, so Hatje. Und das sei ein schöner Erfolg – und nicht überall im Kreis der Fall.

Oberbürgermeister mit kleinem Seitenhieb auf Pinneberg

„Eine Stadt im Umkreis hatte mal den Slogan: ‚Wir können auch anders‘ und hat den mittlerweile auch schon wieder gewechselt. ‚Supernormal‘ bleibt den Menschen im Kopf“, so Hatje. Ein kleiner Seitenhieb auf Pinneberg. Dort posierte Bürgermeisterin Urte Steinberg damals mit bunter Haarpracht als Punkerin. Auch diese Kampagne sorgte für Diskussionen in der Stadt.

Pinneberg startete die Imagekampagne „Wir können auch anders“ mit Bürgermeisterin Urte Steinberg als Punkerin.
Pinneberg startete die Imagekampagne „Wir können auch anders“ mit Bürgermeisterin Urte Steinberg als Punkerin. © Stadtmarketing Pinneberg | Stadtmarketing Pinneberg

Die Themen, die die Elmshorner Bürgerinnen und Bürger bewegen, sind vielseitig. So möchte ein Nutzer wissen: „Kann die Innenstadt Lkw-frei werden?“ Die Stadt tue viel, um den Verkehr aus der Innenstadt zu drücken. „Aber wir sind als Stadt gebeutelt, weil wir von zwei Bundesstraßen durchschnitten werden“, sagt Hatje.

Themen sind Stadtumbau, Straßenarbeiten, Wochenmarkt

Eine andere Nutzerin möchte wissen, wie lange die Bauarbeiten an der Hamburger Straße noch dauern. Da nimmt Hatje kein Blatt vor den Mund: „Das wird uns mindestens noch fünf Jahre beschäftigen. Ich verstehe, dass so eine Dauerbaustelle ärgerlich ist. Aber wir hatten keine andere Wahl. Das musste gemacht werden.“ Immerhin: Die Kosten würden zu 90 Prozent vom Bund übernommen.

Auch der geplante Umzug des Wochenmarktes im Zuge des Umbaus des Buttermarktes beschäftigt die Menschen in Elmshorn. Eine Nutzerin fragt, wie die Marktbeschicker, die in der Markthalle ihre Stände hatten, über die Runden kommen sollen. Denn ihnen sei es nicht gestattet, Tische und Bänke auf der Ausweichfläche am Südufer des Hafens aufzustellen.

Elmshorner wünschen sich Unterstützung für die Marktbeschicker

„Somit bricht ein wichtiger Umsatz weg. Es muss doch auch an die kleinen Händler gedacht werden, die schon vorhanden sind“, fordert die Frau. Eine andere Nutzerin pflichtet ihr bei: „Freu mich auch so über den italienischen Laden in der Markthalle und möchte, dass er erhalten bleibt“, schreibt sie.

Die Stadt tue viel, um das Risiko für die Händler aus der Markthalle zu minimieren, sagt Hatje. Rund eine Million Euro lasse sich die Stadt den Umzug des Wochenmarktes kosten. Rund drei Viertel davon gehen für die Verkaufscontainer drauf, die speziell für Elmshorn gebaut würden.

Elmshorner Wochenmarkt: Barrierefreiheit nicht überall gegeben

Es sei den Händlern durchaus gestattet, Sitzgelegenheiten aufzustellen, einige hätten in den großen Containern sogar mehr Platz als zuvor in der Markthalle. „Die Container sollten nach der Fertigstellung des Buttermarktes in rund sechs Jahren für andere Zwecke genutzt werden“, sagt Hatje. Er könne sich gut einen Imbissstand am Hafen oder im Steindammpark vorstellen.

Nicht alle Fragen wurden vorab eingereicht, manche werden direkt während des Livestreams gestellt. So will ein Nutzer wissen, wie es um die Barrierefreiheit auf dem neuen Wochenmarktareal bestellt ist. Die Container seien leider nicht vollständig barrierefrei, sagt Hatje.

Hatje ist souverän vor der Kamera im Livestream

Die Stadt arbeite daran, die Fläche herzurichten, um eingeschränkten Menschen den Wochenmarktbesuch so gut es geht zu erleichtern. „Das Kopfsteinpflaster ist dafür nicht ideal, aber die Löcher werden aufgefüllt, die größten Stolpersteine entfernt“, verspricht der Oberbürgermeister.

Auf die meisten Fragen hat Hatje schnell eine Antwort, kommt nicht ins Schwimmen, wirkt souverän vor der Kamera. Auch wenn er sagt: „Im Studio ist das schon recht steril. Draußen, direkt bei den Menschen, fühle ich mich wohler, da bin ich lockerer.“ Dennoch, das Format sei toll. „Ich finde das gut und wir werden das definitiv wieder machen.“

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Digitale Bürgersprechstunde kann neue Zielgruppen erreichen

Während der Fragestunde wird schnell deutlich, der Oberbürgermeister nimmt zwar die Fragen, aber sich selbst nicht zu ernst. Der Betreiber der Brauerei Simian Ales fragt „Volki“, es nicht an der Zeit für ein Brauhaus in der City sei. Und der Verwaltungschef antwortet: „Der Volki würde sich tierisch freuen, wenn im Bereich des Umbaus der Knechtschen Hallen die Gastronomie mit einem Brauhaus versehen wird.“

Die digitale Bürgersprechstunde ermögliche es, auch andere, jüngere Zielgruppen zu erreichen, sagt der Oberbürgermeister, der selbst keine sozialen Netzwerke nutzt. „Das ist für mich ein Energiefresser.“ Aber die Livestreams, die etwa einmal im Jahr stattfinden, seien eine spannende Erfahrung und böten Zugang zu jüngeren Menschen.

Elmshorner Agentur Medienkapitän organisiert Livestreams

Gesammelt wurden die Fragen unter anderem auf dem Instagram-Account „Wir sind Elmshorn“. Betrieben wird dieser von der Agentur Medienkapitän aus Elmshorn. Auf deren YouTube-Kanal ist auch die Aufzeichnung zu sehen. Gestreamt wurde aus dem Agentur-Studio in Elmshorn.

Ohne die „Kapitäne“ wären Projekte wie die digitale Bürgersprechstunde auch in Elmshorn nicht möglich. „Wir haben mit den Medienkapitänen starke Partner an unserer Seite, die wirklich eine große Expertise mitbringen“, sagt Hatje. „Ich verfolge sie schon länger und finde, die machen das gut. Die wissen, wie man die junge Zielgruppe erreicht.“

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Elmshorn: Hatje grillte auch schon Burger vor der Kamera

Die digitale Sprechstunde ist nur eine von vielen Aktionen, die Stadt und Medienkapitäne gemeinsam realisierten. So grillte der Oberbürgermeister schon mit „Burgermeister“ und Eventkoch Moritz Freudenthal Burger am Hafen und beantwortete dort die Fragen der Elmshornerinnen und Elmshorner. Die Burger wurden natürlich am Ende gemeinsam verspeist.

Oberbürgermeister Volker Hatje (2.v.r.) grillt mit Eventkoch Moritz Freudenthal (2.v.l.) gemeinsam Burger vor der Kamera.
Oberbürgermeister Volker Hatje (2.v.r.) grillt mit Eventkoch Moritz Freudenthal (2.v.l.) gemeinsam Burger vor der Kamera. © Medienkapitän | Medienkapitän

Auch diese Aktion wurde live auf Instagram gestreamt, moderiert von Medienkapitän Alexander Matzkewitz. Die Fragen waren mal kritisch, mal persönlich. Und der Oberbürgermeister gab freudig Auskunft. „Das war eine Supersache und hat richtig Spaß gemacht“, sagt Hatje.

Elmshorn: Stadt ist weit vorn in Sachen Digitalisierung

Das zeigt auch, dass solche Aktion vor allem dann funktionieren, wenn sich alle Beteiligten darauf einlassen. Als Oberbürgermeister im Internet beim Burger braten live Rede und Antwort zu stehen, ist sicherlich ungewöhnlich. Aber offenbar auch nötig. Denn immer mehr Bereich des Lebens werden digitalisiert. Nur in den öffentlichen Verwaltungen scheint die Zeit manchmal stillzustehen.

Aber das Thema nimmt Fahrt auf. „Wir merken, dass da gerade ganz viel passiert“, sagt Matzkewitz. Das Motto der Medienkapitäne: „Wir digitalisieren den Norden“. Und da ist ganz offensichtlich eine Menge zu tun. Elmshorn bildet da schon eine Ausnahme. Mit der digitalen Bürgersprechstunde ist die Krückaustadt einer der Vorreiter in Sachen Digitales im Kreis. Und vielleicht bald Vorbild für andere Kommunen.