Pinneberg/Itzehoe. Das Ende des langen Prozesses war für Freitag geplant. Warum das nicht klappt und wann jetzt mit einem Urteil gerechnet werden kann.

Im Prozess um den beinahe tödlichen Messerstich von Pinneberg ist erneut der Zeitplan des Gerichtes über den Haufen geworfen worden. Vier Beweisanträge der Verteidigung verhinderten am Donnerstag den Schluss der Beweisaufnahme. Das für Freitag vorgesehene Urteil ist damit hinfällig.

Dem Vorsitzenden Richter Johann Lohmann war seine Verärgerung deutlich anzumerken, als er nach längerer Beratung mit der Kammer einen neuen Zeitplan bekannt gab. Statt der Urteilsverkündung soll am Freitag nochmals ein Zeuge gehört werden, der bereits am 25. April den Prozessbeteiligten Rede und Antwort gestanden hatte.

Bahnhof Pinneberg: Messerstich nach Videodreh – Urteil wird erneut verschoben

Dann sind aufgrund der Urlaubszeit zwei kurze Stütztermine geplant, bei denen lediglich Urkunden verlesen werden. Sie sind notwendig, weil ein Prozess laut Strafprozessordnung maximal für drei Wochen unterbrochen werden darf. Erst nach dem 25. September kann die Beweisaufnahme fortgesetzt werden.

Lohmann forderte die Verteidiger Lino Peters und Uwe Maeffert am Donnerstag auf, dem Gericht ihre freien Termine bis zum Jahresende zu übermitteln. Ein schnelles Prozessende, wie es schon in Reichweite schien, ist derzeit also nicht in Sicht. Es war bereits das dritte Mal in Folge, das die Schlussvorträge nicht gehalten werden konnten.

Die Messerattacke am Bahnhof Pinneberg spielte sich am 6. Juli vergangenen Jahres ab

Es geht immer noch um eine Messerattacke am Bahnhof Pinneberg, die am Morgen des 6. Juli 2022 beinahe tödlich geendet hat. Und um einen heimlichen Musikvideodreh im Parkhaus des Bahnhofs, an dem das spätere Opfer zuvor beteiligt war.

Der Angeklagte Jamal H. (22) verdeckt sein Gesicht hinter einem Aktendeckel. Neben ihm seine Anwälte Uwe Maeffert und Lino Peters.
Der Angeklagte Jamal H. (22) verdeckt sein Gesicht hinter einem Aktendeckel. Neben ihm seine Anwälte Uwe Maeffert und Lino Peters. © Arne Kolarczyk

Die Ereignisse der Tatnacht arbeitet die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Itzehoe bereits seit dem 3. Januar auf. Der Angeklagte Jamal H. (22), dem versuchter Totschlag vorgeworfen wird, sitzt bereits mehr als ein Jahr in Untersuchungshaft. Einen Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls hatte die Kammer im Verfahren abgelehnt.

Messerattacke am Bahnhof Pinneberg: Donnerstag wird ein Kripobeamter vernommen

Am Donnerstag wurde zunächst, ausgehend von einem Beweisantrag der Verteidigung, ein Ermittlungsbeamter der Mordkommission Itzehoe vernommen. Er hatte einen der Tatzeugen verhört. Die Befragung des Vernehmungsbeamten zog sich mehr als zwei Stunden hin.

Im Anschluss waren wieder einmal die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung geplant. Dazu kam es jedoch nicht, weil die Verteidiger vier neue Beweisanträge präsentierten.

Verteidiger fordert ein medizinisches Gutachten zur Alkoholisierung des Angeklagten

So will Lino Peters ein medizinisches Sachverständigengutachten einholen lassen, was die Alkoholisierung seines Mandanten zur Tatzeit betrifft. Die These des Verteidigers: Jamal H. sei zum Zeitpunkt des Messerstichs in seiner Affektkontrolle und Steuerungsfähigkeit eingeschränkt gewesen, weil er mehr als 2,5 Promille intus hatte.

Diese Behauptung stützt Peters auf die Aussage eines Tatzeugen vom 8. Februar, der gemeinsam mit dem Angeklagten beim Videodreh zweieinhalb Flaschen Wodka geleert haben will. Ein derart hoher Alkoholwert würde laut dem Rechtsanwalt zu einer verminderten Schuldfähigkeit führen.

Auch ein neuer Zeuge soll in dem seit Januar laufenden Prozess aussagen

Als zweites will Peters einen Zeugen laden lassen, der bisher im Verfahren noch nicht ausgesagt hat. Dessen Aussage, so kündigte der Verteidiger an, werde die Glaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen Andy T. erschüttern. Der wiederum war im Verfahren der einzige, der Jamal H. zweifelsfrei als Täter identifiziert hatte.

Der dritte Antrag betrifft die Ablehnung eines medizinischen Sachverständigen, der vierte die erneute Vorladung eines Zeugen. Letzterem Ansinnen kommt das Gericht nach, vermutlich schon am Freitag.

Messerattacke nach Videodreh am Bahnhof: Initiator soll erneut aussagen

Peters will dann nochmals den Initiator des Videodrehs in die Mangel nehmen. Er ist davon überzeugt, dass in dem Musikvideo – alle Aufnahmen sollen angeblich gelöscht sein – gewaltverherrlichende Inhalte eine Rolle spielten. Dort sollen Waffen herumgereicht worden sein, es soll simuliert worden sein, wie man jemanden umbringt.

Die übrigen Anträge zu bescheiden, wird Zeit benötigen. Zeit, die der straffe Terminplan des Gerichtes vor der Sommerpause nicht übrig hatte. Richter Lohmann hielt der Verteidigung vor, dass sie mehrere der Anträge bereits zu einem früheren Zeitpunkt hätte stellen können.

Bahnhof Pinneberg: Messerstich nach Videodreh – Urteil wird erneut verschoben

Während der inzwischen mehr als 20 Prozesstage hatte das Gericht unzählige Zeugen gehört. Der aus Pinneberg stammende Angeklagte, der zunächst wie das lebensgefährlich verletzte Opfer der Attacke die Aussage verweigert hatte, ließ zu einem späteren Zeitpunkt seine Verteidiger eine Erklärung verlesen.

Demnach räumt Jamal H. den Messerstich ein, will jedoch in Notwehr gehandelt haben. Die Verteidiger haben mehrfach bekräftigt, einen Freispruch oder anderenfalls eine bewährungsfähige Strafe erreichen zu wollen. Ob das klappt oder Jamal H. länger in Haft bleiben muss? Bis zum Urteil wird noch einige Zeit vergehen.