Hetlingen. Schachblumen-Blüte steht in der Elbmarsch bevor. Edelgard Heim, Leiterin Elbmarschenhaus in Haseldorf, stellt die Blume vor.
Jedes Jahr im April ist auf den Wiesen in Hetlingen vor dem Sommerdeich das Schachblumenfest. 100.000 Blüten verwandeln die Landschaft dann in ein pinkfarbenes, romantisches Blütenmeer. Das Fest wird ausgerichtet von der Arbeitsgemeinschaft Umweltschutz Haseldorfer Marsch (ARGE) in Zusammenarbeit mit der Integrierten Station Unterelbe im Elbmarschenhaus in Haseldorf. In diesem Jahr muss es aufgrund der Coronakrise ausfallen.
Im englischsprachigen Raum wird diese Art auch als Schlangenkopf (snake’s head) oder Lepra-Lilie (leper lily) bezeichnet. Hier ist auch der Name Perlhuhnfleckigen Würfelbecher geläufig. Noch vor 60 Jahren kam sie millionenfach auf den feuchten und extensiv genutzten Wiesen der Elbmarschen vor. Sie wurde damals körbeweise gepflückt und in Hamburg auf Märkten verkauft.
Die Schachblume hat viele Namen
Heutzutage ist die Reettulpe – die Pflanze hat viele Namen – vom Aussterben bedroht und darf nicht gepflückt werden. Grund ist in erster Linie die Veränderung ihres Lebensraumes durch Ausbleiben des Hochwassers, zu frühe Mahd, zu starke Beweidung und intensive Düngergaben. Denn das Kiebitzei – noch ein Name – ist eine empfindliche Diva.
Am bekanntesten ist sie als Schachblume oder auch Schachbrettblume und gehört zur Pflanzenfamilie der Liliengewächse. Sie blüht nur circa zwei Wochen im Jahr. Etwa acht Monate ruht die Zwiebel im Erdreich. Im zweiten Jahr wächst ein einziges Blatt empor. Von dieser Anstrengung muss sich die Pflanze erst einmal weitere acht Monate erholen, um im dritten Jahr wieder nur Stängel und Blätter zu bilden. Im vierten Jahr bringt sie ihre glockenförmigen, pink-karierten Blüten hervor.
Etwa ein bis 30 Prozent der Blüten der Schachblume sind nicht rötlich, sondern weiß. Die Gründe dafür sind unbekannt. Das Liliengewächs kann bis zu 25 Jahre alt werden und verhält sich nicht immer lehrbuchgerecht. Mal blüht sie, mal blüht sie nicht. Auf den feuchten Wiesen, die die ARGE gepachtet hat und die durch einen örtlichen Landwirt extensiv genutzt werden, wächst die Reettulpe in großer Zahl. Wann sie in diesem Jahr blüht, ist noch nicht bekannt.
Schachblumen blühen erst im vierten Jahr
Eine einzelne Schachblumen-Pflanze durchläuft in ihrer Entwicklung mehrere Stadien, bis sie blüht. Am Anfang, noch vor der Zwiebel-Phase, steht das Samenkorn. Es geht los, wenn der dünne, fädige Sämling sich aus dem Samenkorn der Sonne entgegenstreckt und wegen seiner Kopfbedeckung als Zipfelmützen-Stadium bezeichnet wird. Gefolgt vom Schwert-Stadium, das seinen Namen der Schwertform der Blätter verdankt, erreicht er schließlich das „Kerzenständer-Stadium“. Jetzt ist die Pflanze schon viel kräftiger.
Wer die Schachblume im Garten aussät, braucht Geduld. Die Schachblume ist ein sehr kapriziöses Gewächs. Niemand weiß, warum sie nicht jedes Jahr blüht, sondern Jahre auslässt, in denen sie ganz bescheiden im Schwertstadium verharrt und nur grasähnliche Blätter produziert. Dann kann man sie leicht übersehen und für einen Grashalm halten. Sie wird dann leicht zertreten oder im Garten als unerwünschtes Unkraut herausgerissen.
Die Blüte ist zweigeschlechtlich, das heißt, dass weibliche und männliche Anteile vorhanden sind. Dieses Prinzip ist bei Pflanzen weit verbreitet. Die Schachblume hat einen aus drei Fruchtblättern verwachsenen weiblichen Blütenteil. Dieser trägt eine dreiteilige Narbe. Die sechs männlichen Staubfäden tragen in gelben Staubbeuteln die Pollen. Gelangen Pollen auf die Narbe, findet die Befruchtung statt. Die Schachblume bildet dann sehr viele, kleine Samen.
Zwiebeln erhalten Nährstoffe für Pflanzen
Angelockt von den leuchtenden Blütenblättern, stürzen sich insbesondere Hummeln und Bienen auf die Pollen. Als besondere Leckerei lockt die Schachblume noch mit Nektar. Die vollkommen mit Pollen übersäten Insekten taumeln betört zur nächsten Blüte, die mit den Pollen befruchtet wird. Es kommt jedoch auch Selbstbefruchtung innerhalb einer Blüte vor. Und wenn das alles nicht klappt, hat die Schachblume noch eine Zwiebel, mit der sie Tochterzwiebeln bilden kann.
Zwiebeln werden im Laufe der Vegetationsperiode mit Nährstoffen vollgepackt, damit die Pflanze im nächsten Frühjahr gleich durchstarten kann und so einen Konkurrenzvorteil vor anderen Pflanzen hat, die quasi „von der Hand in den Mund“ leben und erst Nährstoffe produzieren müssen. Hoffentlich kann die Marschen-Diva in diesem Jahr ihre Zwiebel gut füllen, damit im nächsten Frühjahr viele blühende Schachblumen blühen.