Kreis Pinneberg. Neuer Kreisnaturschutzbeauftragter hat schon viele Projekte für den Insektenschutz ins Leben gerufen. Wo sie sind.
Wenn in ein paar Wochen der Frühling ausbricht, soll es überall im Kreis Pinneberg kräftig blühen. Der neue Kreisnaturschutzbeauftragte Rainer Naujox hat in seiner erst 18 Monate währenden Amtszeit den Insekten-, Bienen- und Vogelschutz zu seiner Hauptaufgabe erklärt. In fast zwei Dutzend Städten und Gemeinden des Kreises hat Naujox bereits 27 Projekte angeregt, in denen die Kommunen, Aktivisten und Naturschutzverbände 27 neue Blühwiesen angelegt haben.
Das jüngste Umweltprojekt dieser Art wird gerade an der Kastanienallee in Rellingen realisiert, wo 54 Wohnungseigentümer jetzt beschlossen haben, gut 1000 Quadratmeter einer seit Jahren nur von Maulwürfen genutzten Rasenfläche in eine blühende Landschaft verwandeln zu wollen.
„Wir müssen hier vor unserer Haustür etwas für den Insekten- und Klimaschutz tun“, erklärt Beirätin Angelika Wulf ihr Engagement für das Projekt mit Adresse Kastanienallee 8–24, das ganz in der Nähe der Autobahn-23-Trasse liegt. In den vergangenen Jahren hätten sie bereits ihre Bodendächer gedämmt.
Zurzeit seien sie dabei, eine Regenwasserrückgewinnungsanlage zu bauen. Und für den Frühling sollte jetzt der grüne Rasen in ein buntes Blumenmeer umgestaltet werden, sagt die „Zukunfts-Visionärin“ der Rellinger Eigentümergemeinschaft, wie sie sich selbst beschreibt.
Auch die Gesellschaft für Abfallbehandlung (GAB)
Im Internet sei sie auf Naujox’ Initiative gestoßen, der sofort seine Mithilfe zusagte. Er beauftragte den Landwirt Hermann Ahrens aus Tangstedt, mit seinem Trecker und Pflug die Rasenfläche umzupflügen. Nun ist die künftige Blumenpracht ausgesät worden, die dann im April und Mai sprießen kann. „Eine Blühwiese ist pflegeleicht und muss nur zweimal im Jahr, im Sommer und im Herbst, gemäht werden“, erklärt Naujox.
Auch die Gesellschaft für Abfallbehandlung (GAB) konnte der Kreis-Naturschutzbeauftragte überzeugen mitzumachen. An der Bilsbek, unweit der Firmenzentrale an der alten B 5 in Kummerfeld, sind auf einer einen halben Hektar großen Fläche 70 Obstbäume – Äpfel, Kirschen, Pflaumen und Quitten – angepflanzt worden.
„Dauerhaft bestehende Streuobstwiesen besitzen ein hohes ökologisches Potential“, begründet GAB-Geschäftsführer Jens Ohde dieses Engagement. „Und wir haben die Flächen, um Projekte dieser Art zu realisieren, und leisten gern unseren Beitrag“.
Haseldorf macht 6000 Quadratmeter Bolzplatz zur Blühwiese
In Haseldorf hat Naujox’ Engagement den Gemeindevertreter Frank Schoppa dazu inspiriert, vorzuschlagen, den alten, ungenutzten Sportplatz im Dorf zu einer Blühwiese zu machen. Der Gemeinderat stimmte zu, und so sprießt nun bald eine bunte Blumenpracht auf 6000 Quadratmeter Fläche, die viele Jahre als Bolzplatz diente.
„Das ist eine klassische Insektenschutzmaßnahme“, sagt Schoppa, der als Chef des Bundes deutscher Baumschulen ohnehin seit Jahren die Kommunen im Kreis auffordert, für mehr öffentliches Grün und straßenbegleitende Anpflanzungen zu tun.
Und so wächst der Blühwiesen-Freundeskreis weiter und weiter. Die Kommunen Pinneberg, Wedel, Rellingen, Kummerfeld, Heidgraben, Borstel-Hohenraden und Seestermühe haben sich ebenso wie die Straßenmeisterei des Kreises und der Abwasserbetrieb Pinnebergs entschlossen, auf eigenen Flächen Blühwiesen anzulegen.
Naturschutzverbände in Barmstedt, Schenefeld, Wedel, Quickborn und Heidgraben haben sich der Initiative angeschlossen. In Quickborn soll auf Anregung der SPD eine freie Fläche am Ziegenweg zu einer Blühwiese werden und von einer Schule betreut werden. Und auch in Bönningstedt und Haselau machen Privatleute wie an der Kastanienallee in Rellingen mit.
Nur einmal sei er bisher mit seiner Blühwiesen-Initiative gescheitert, berichtet Naujox. Er habe eine große Supermarktkette mit Sitz in Kiel, die zahlreiche Märkte im Kreis betreibt, davon überzeugen wollen, diesen Beispielen zu folgen. „Doch von denen habe ich nie wieder etwas gehört“, wundert sich der Kreis-Naturschutzbeauftragte.
Experte erwartet dramatischen Rückgang des Insektenaufkommens
Dabei sei die Situation für unsere Umwelt hoch dramatisch. Nach übereinstimmenden Aussagen zahlreicher Institute und Studien sei in den vergangenen zehn Jahren in Deutschland das Insektenaufkommen um 50 bis 75 Prozent zurückgegangen, warnt Naujox. „Einige Experten meinen, dass das Insektensterben langfristig krassere Auswirkungen haben wird als unser Klimaproblem.“ Für die Vogelarten mit Sicherheit, die durch das Insektensterben selbst in ihrer Arterhaltung stark bedroht seien.
Darum hat Naujox jetzt mit seinen Pinneberger Naturfreunden, wo er Vorsitzender von 132 Mitstreitern ist, das „Bündnis für Natur in Dorf und Stadt“ gegründet, das diese Blühwieseninitiative kreisweit koordinieren soll. „Ohne Natur kann der Mensch nicht leben“, ist das Credo dieser Initiative, die überall im Kreis praktische Lösungen anstoßen möchte, dem Insekten- und Bienensterben durch Anpflanzungen entgegenzuwirken.
Die Leute müssten nur etwas mehr Mut haben, etwas Wildnis und vermeintliches Unkraut in ihren Vorgärten sprießen zu lassen, rät Naujox. Sie würden dafür reichlich belohnt: Es habe positive Auswirkungen auf den Klima-, Arten- und Grundwasserschutz, es bilde sich wertvoller Humus, Schädlingsbekämpfer sorgten für ein ökologisches Gleichgewicht. Und vor allem: „Wenn es blüht, ist es eine Augenweide für uns Menschen.“