Schenefeld/Quickborn. Warum der junge Schenefelder Tunahan K. im Juni 2017 sterben musste, ist bis heute unklar. Sicher ist dagegen, wer die Tat beging.
Bleibt der Mord an dem Schenefelder Nachwuchsboxer Tunahan K. ungesühnt? Zwei Jahre, nachdem am 21. Juli 2017 die Leiche des 22-Jährigen in einem Waldstück an der A 7 bei Quickborn gefunden worden ist, hat die Polizei ihre extra dafür gebildete Soko Holmmoor aufgelöst. Damit bleibt fraglich, ob jemals die Auftraggeber der Tat gefunden werden.
Der Mörder indes steht fest. Es handelt sich um den Quickborner Frank Lindner, der als Auftragskiller tätig gewesen sein soll und sich im Januar 2018 in der Justizvollzugsanstalt Itzehoe umbrachte.
Nach seinem Freitod hatte die Polizei tagelang das Grundstück des Mannes am Harksheider Weg in Quickborn durchsucht. Mit Hilfe eines Baggers sowie mit Schaufeln hoben die Beamten riesige Löcher aus. Schnell machten Gerüchte die Runde, dass auf dem Areal nach mehreren Leichen gesucht wird. Tatsächlich suchten die Ermittler nach Waffen und nach Munition. Dafür machten sie auch Kleinholz aus dem alten Bungalow, in dem Lindner lebte. Die Wände des Gebäudes wurden aufgestemmt, der hölzerne Wintergarten eingerissen. Das Betonfundament der Terrasse, das der 58-Jährige erst kurz vor seinem Tod geschüttet hatte, wurde per Bagger und Meißel zerkleinert, um darunter liegende Hohlräume inspizieren zu können.
Die Suche war erfolgreich. Offenbar wurde Munition entdeckt, die zum Mordfall Tunahan K. passt. Laut Oberstaatsanwalt Peter Müller-Rakow sind sich die Ermittler inzwischen sicher, dass Lindner den Nachwuchsboxer erschoss. Doch wer ihn damit beauftragte, ist bis heute ebenso unklar wie das Motiv der Bluttat. Alle Ermittlungen dazu sollen bislang ins Leere gelaufen sein.
Ermittlungen werden laut Staatsanwalt nicht eingestellt
Dass will Müller-Rakow nicht bestätigen. Er betont, dass die Auflösung der Sonderkommission nicht bedeute, dass die Ermittlungen eingestellt werden: „Wir haben eine Ermittlungsgruppe gebildet, die mit Hochdruck an dem Fall weiterarbeitet.“ Eine Sonderkommission werde direkt nach einer Tat gebildet, wenn viele Hinweise eingehen würden und viele Spuren zu verfolgen seien. Dazu werde Personal aus anderen Dienststellen abgezogen. Diese Mitarbeiter würden nun an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Die Ermittlungsgruppe besteht aus Mitarbeitern der Mordkommission.
Vor ihnen liegt viel Arbeit. Denn Lindner könnte für diverse Verbrechen als Täter in Frage kommen. Ein Spezialeinsatzkommando der Polizei hatte den 58-Jährigen am 4. Januar 2018 an seinem Wohnort Quickborn festgenommen – wegen des Verdachts des Mordes. Am 23. November 2017 soll der Quickborner eine 76 Jahre alte Seniorin in ihrem Haus in Appen überfallen und so massiv auf die vermögende Frau eingeprügelt haben, dass sie drei Wochen später verstarb. Am Tatort war die Polizei auf die DNA des Quickborners gestoßen, der bereits mehrfach vorbestraft ist – etwa wegen versuchten Mordes.
Bevor Lindner Ende Januar 2018 seinem Leben in der Zelle ein Ende setzte, gestand er den Überfall auf die Seniorin. Und er vertraute einem Zellennachbarn an, auf seinem gemieteten Grundstück am Harksheider Weg in Quickborn diverse Waffenverstecke angelegt zu haben. Es folgte die spektakuläre Durchsuchungsaktion der Polizei, bei der Beweise für die Täterschaft Lindners am Mord an Tunahan K. gefunden wurden.
Der Schenefelder Nachwuchsboxer war am 23. Juni 2017 zum letzten Mal gesehen worden. Damals verließ er in seinem Maserati um 17.15 Uhr seine Arbeitsstelle im Norden von Hamburg. Später konnten Spezialisten der Polizei die Autofahrt des 22-Jährigen rekonstruieren. K. fuhr demnach um 17.32 Uhr in Quickborn von der Autobahn ab und parkte den Wagen in einem Waldstück nahe der Raststätte Holmmoor. Kurz darauf geschah der Mord. Das Haus, in dem Lindner zu der Zeit lebte, befindet sich nur einige Hundert Meter vom Tatort entfernt.
Wer schoss in Wedel auf den Trainer des Boxers?
Der Maserati wurde nach der Tat zurückgefahren und um 18.04 Uhr in Hamburg geparkt – 120 Meter entfernt von der Arbeitsstelle des jungen Mannes. Wer damals am Steuer saß, konnte die Polizei nicht ermitteln. Offen ist auch der Hintergrund einer zweiten Gewalttat, die für den Fall bedeutsam sein und auch von Lindner begangen worden sein könnte. Einige Stunden vor dem Tod des Boxers schoss ein Unbekannter von hinten auf Koren G., den Trainer des jungen Mannes. Tatort war die Straße Möllers Park in Wedel, wo der 37-Jährige damals wohnte. Der Schuss traf ihn in der Kniekehle.
Lindner könnte auch für zwei Mordanschläge auf Motorradrocker in Hamburg verantwortlich sein. Am 11. April 2013 wurde ein Mitglied der Hells Angel an der Rennbahnstraße in Hamburg-Horn mit drei Schüssen niedergestreckt. Das Bild einer Überwachungskamera zeigte einen vermummten Mann, der davonläuft und wenig später in einem Kombi mit PI-Kennzeichen flüchtete. Einen ähnlichen Wagentyp fuhr der Quickborner.
Im Oktober 2015 detonierte im Hinterhof eines Hauses an der Hoheluftchaussee eine Handgranate. Ziel war der Lamborghini von Erkan U., damals Chef der Mongols-Bande. Der Sprengsatz detonierte unter dem Auto. Dieses wurde stark beschädigt, Erkan U. überlebte unverletzt. Bereits Anfang 2015 wurde auf das Bauernhaus in Seevetal geschossen, das der Mongols-Chef damals bewohnte. Auch diese Taten könnten auf das Konto des Berufsverbrechers gehen, der 2003 in Berlin nach einem missglückten Einbruch wegen versuchten Totschlags zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt worden war und nach seiner Entlassung 2012 nach Quickborn zog. Doch Fakt ist: Für die meisten Tatbeteiligungen des Mannes fehlen bislang die Beweise.