Quickborn. Frank Lindner, der sich 2018 in Haft das Leben nahm, soll weitere Verbrechen begangen haben. Fahndung nach Komplizen beendet.

Die Videosequenz dauert nur fünf Sekunden. Zu sehen ist eine vermummte Person in grauer Kleidung, die über einen Gehweg rennt. Die Aufnahme des Mannes, dessen Gesicht nicht zu erkennen ist, stammt vom 11. April 2013. Entstanden ist sie gegen 0.45 Uhr an der Rennbahnstraße in Hamburg-Horn, wo unmittelbar zuvor ein Mitglied der Hells Angels mit drei Schüssen niedergestreckt worden war.

Der flüchtige Mann ist der Schütze. Und mehr als fünf Jahre nach der Tat bekommt er ein Gesicht: Die Polizei vermutet, dass es sich um den Quickborner Frank Lindner handelt. Den Mann, der im Juni 2017 den aus Schenefeld stammenden Nachwuchsboxer Tunahan K. (22) ermordet haben soll und der auch für den tödlichen Überfall auf eine Appener Rentnerin von Ende November 2017 verantwortlich ist. Der Mann, der sich – so viel ist inzwischen klar – zum Teil als Auftragskiller finanziell über Wasser hielt.

Den Übergriff auf die 76 Jahre alte Seniorin hatte Lindner nach seiner Festnahme Anfang Januar 2018 gestanden. Ehe sich Lindner im Februar in der JVA Itzehoe das Leben nahm, vertraute er sich einem Mithäftling an und wies auf Verstecke hin, die er auf seinem angemieteten Grundstück am Harksheider Weg in Quickborn angelegt haben will.

Teile des Areals wurden umgegraben, die Betonterrasse aufgestemmt, die Innenwände des Behelfsbungalows aufgerissen. Zuletzt sollen die Beamten vorigen Mittwoch vor Ort gewesen sein. Gefunden wurde überwiegend Munition. Und die führt die Beamten offenbar auf die Spur mehrerer ungeklärter Fälle – wie den Anschlag auf den damals 24 Jahre alten Hells Angel Tim B. in Hamburg-Horn, der trotz der drei Schusswunden im Oberkörper schwer verletzt überlebte. Der Schütze flüchtete mit einem Kombi mit Pinneberger Kennzeichen, in dem offenbar eine weitere Person auf ihn wartete. Genau so einen Wagen fuhr Lindner. Sein alter Skoda Octavia Combi steht nach wie vor auf dem Grundstück in Quickborn.

Hat Lindner 2015 auch auf den Mongols-Chef geschossen?

Die Beamten vermuten außerdem, dass der Quickborner für einen zweiten Anschlag auf einen anderen Motorrad-Rocker verantwortlich sein könnte. Im Oktober 2015 detonierte im Hinterhof eines Hauses an der Hoheluftchaussee eine Handgranate russischer Bauart. Ziel war der Lamborghini von Erkan U., dem damaligen Chef der Mongols-Bande. Der Sprengsatz detonierte unter dem Fahrzeug. Dieses wurde stark beschädigt, der damals 37-Jährige Erkan U. überlebte unverletzt. Bereits Anfang 2015 wurde auf das Bauernhaus in Seevetal, das der Mongols-Chef damals bewohnte, scharf geschossen. Ob dies auch Lindner zuzurechnen ist, ist unklar.

Der Quickborner, der 2012 in die Eulenstadt zog, soll nach Informationen einer Hamburger Boulevardzeitung 500 bis 3000 Euro pro Auftrag erhalten haben. Für den Mord an Tunahan K. (22) soll er demnach einen anderen Lohn bekommen haben – angeblich ein Kilogramm Kokain. Ob das stimmt, will die Polizei nicht bestätigen. Der Mord an Tunahan K., dessen Leiche 1,5 Kilometer von Lindners Wohnort entfernt nahe der A 7 entdeckt wurde, wird von der Mordkommission der Bezirkskriminalinspektion Itzehoe bearbeitet – ebenso wie die Schüsse auf Tunahan K.’s Boxtrainer Khoren G., in der Nacht zum 23. Juni 2017 in Wedel.