Bad Segeberg/Bornhöved. Amtsgericht Segeberg: 70-Jähriger schoss mit Luftgewehr auf Spielplatz in Bornhöved. Mädchen erlitt Steckschuss – und ein Trauma.
Am Ende kam dem Angeklagten doch noch eine Art Entschuldigung in Richtung des minderjährigen Opfers über die Lippen. In der dreieinhalbstündigen Verhandlung zuvor zeigte der 70 Jahre alte Rentner nur wenig Reue und Verständnis. Und schon gar nicht konnte er glaubhaft und plausibel erklären, warum er an jenem verhängnisvollen Sonntagnachmittag im vorigen Sommer mit dem Luftgewehr direkt vor seinem Haus in Bornhöved zweimal auf zwei spielende Kinder aus der Nachbarschaft geschossen hatte.
Ein damals zwölf Jahre altes Mädchen traf und verletzte er dabei am Oberarm. Erst der zweite Schuss saß, für den er sein Gewehr extra nachladen musste. Das Mädchen wurde zweimal operiert und hat heute noch Schmerzen und ein schweres Trauma erlitten. Der Vorsitzende Richter Tobias Kleimann vom Amtsgericht Segeberg verurteilte den zuvor unbescholtenen Mann zu einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten, die auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt sind.
Rentner schießt auf zwei Kinder: Mädchen wird getroffen
Amtsrichter Kleimann hatte sich noch am Tag zuvor am Morgen des Pfingstmontags ein Bild von der Örtlichkeit gemacht, berichtete er. Er schaute sich den schönen dicht bewaldeten Spielplatz in der Straße Moorblick in Bornhöved an, wo es am 16. Juli in der Mittagsstunde gegen 14 Uhr zu dieser seltsamen Straftat gekommen war.
Hier spielte die damals zwölf Jahre alte Miley mit einem jüngeren Nachbarsjungen, Detektiv, wie sie vor Gericht erzählte. Plötzlich hörte sie aus dem Nichts einen Schuss und drehte sich spontan um. Kurz darauf spürte sie einen starken Schmerz im Oberarm – offenbar hatte sie ein zweiter Schuss getroffen und verletzt. „Es pikste ganz doll“, sagte das Mädchen. Sie rief dem Jungen zu, schnell wegzulaufen und beide rannten zu ihren Eltern ins Haus, das unmittelbar in der Nähe des Spielplatzes liegt.
Schussverletzung: Martyrium für das Opfer
Dort wunderten sich Vater und Mutter zunächst, warum die Kleine so laut schrie und weinte, bis sie die blutende, kreisrunde Wunde an ihrem Arm entdeckten. Sofort alarmierten die Eltern Polizei und Rettungsdienst. Die auch beide schnell kamen. Wobei sich die Verletzung für das Mädchen noch zu einem weiter schmerzhaften Martyrium entwickelte. Sie wurde erst bei vollem Bewusstsein ohne Narkose und unter Schmerzen im Krankenhaus Neumünster an der Wunde behandelt. Doch dort hatte man offenbar das Projektil nicht entdeckt: Das wurde erst in der Kinderklinik in Hamburg-Altona herausoperiert – um 22.46 Uhr, also fast neun Stunden nach dem Schuss.
Die herbeigeeilten Polizeibeamten versuchten sich ein Bild von dem Szenario zu machen und schauten sich auf dem Spielplatz um. Dort entdeckten sie im Gras ein weiteres Geschoss, was sich mit den Aussagen des Mädchens deckte. Das „laut wimmernd im Hausflur saß“, wie ein Beamter vor Gericht sagte. Sie befragten daraufhin die Nachbarn, ob sie etwas gesehen oder beobachtet hätten. Eine ältere Dame sagte hochgradig erschreckt, es soll jemand in der Nachbarschaft ein Luftgewehr besitzen.
Polizei: Nach den Schüssen, gab sich der Rentner arrogant
So kam der später angeklagte und jetzt verurteilte Rentner ins Spiel. Er wohnt ebenfalls in direkter Nachbarschaft zum Spielplatz und auch zu der Familie des Opfers, die dort gerade erst eingezogen war. Zunächst verneinte er, ein Luftgewehr zu besitzen. Als die Polizei dann später mit einem Durchsuchungsbeschluss anrückte, händigte er den Beamten „kleinlaut“ das Gewehr aus, das er in einem Schuppen versteckt hatte, mit reichlich Munition.
Er benahm sich sehr auffällig und machte sich sogleich verdächtig, sagte einer der ermittelnden Polizeibeamten. „Er zeigte sich arrogant und schien belustigt darüber, was für einen Aufwand wir betreiben würden“, wunderte sich der Polizist. Der Mann behauptete, er sei „ein Naturfreund“ und erkundigte sich nicht einmal, wie es dem verletzten Kind ginge. Später habe er dann gesagt, er hätte auf einen Spatzen geschossen, was der Beamte als „Schutzbehauptung“ auffasste. „Er tat so, als ob es ihn gar nicht betrifft.“
Angeklagter tischte Geschichte mit Spatzen auf
Auch vor Gericht machte der Angeklagte keine gute Figur. Sein Verteidiger Thomas Clausen hatte gerade seine persönliche Einlassung vorgetragen. Darin führte dieser aus, sein Mandant habe selbst keine Erklärung für diesen „völligen Blödsinn“. Er räume aber ein, zweimal auf den Spielplatz geschossen zu haben. Er habe es dabei „auch für möglich gehalten, ein Kind zu verletzen“, sagte der Anwalt. „Aber es gibt keinen Grund dafür. Er kannte das Kind nicht. Es ist eigentlich unbegreiflich.“
Doch nun auf Nachfragen des Vorsitzenden Richters Kleimann erzählte der Rentner plötzlich eine ganz andere Geschichte. Die Spatzen nervten ihn ständig in seinem Vorgarten, deshalb habe er auf diese geschossen. Dass Vögel bereits nach einem Schuss sofort aufgescheucht gewesen wären und das Ziel der Spatzen gar nicht in Blickrichtung des Spielplatzes lag, konnte sich der Angeklagte auch nicht erklären.
Schütze schrieb Brief an Eltern und sprach von „Blödheit“
Nach einer neuerlichen Beratung mit seinem Verteidiger blieb er nun bei der Einlassung, dass er sehr wohl in Richtung des Spielplatzes geschossen und dabei die Verletzung der Kinder in Kauf genommen hätte. Nicht auszudenken, wenn er nicht nur den Oberarm, sondern womöglich den Kopf des Mädchens oder des kleineren Jungen getroffen hätte, der ja auf Höhe des Oberarms des Mädchens gewesen wäre, sagte Richter Kleimann später in seiner Urteilsverkündung. „Ich glaube Ihnen die Geschichte mit den Spatzen nicht“, betonte der Richter mehrfach und appellierte: „Ich hoffe, dass die Nachbarschaft irgendwann Frieden findet.“
Das dürfte nicht einfach werden. Mit einem einzigen Brief an die Familie hat sich der verurteilte Mann seit Juli für seine Tat erklärt oder gerechtfertigt. Kurz vor der Urteilsverkündung sagte er noch in Richtung der Opfer-Familie: „Ich möchte mich für meine Blödheit entschuldigen.“
Mädchen ist seit dem Schuss traumatisiert
Dabei hatte das Mädchen, das ohnehin unter einer schweren Krankheit leidet und starke Medikamente nehmen muss, sehr unter den Folgen der Tat zu leiden. Erst musste es die doppelte Operation ertragen, dann die psychische Belastung, die es kaum schlafen und wochenlang nur im Elternbett zur Ruhe kommen ließ. Den Spielplatz, auf den sie sich beim Umzug in das Haus der Oma im Sommer noch so gefreut hatte, meidet sie bis heute. „Ich habe ein ungutes Gefühl, wenn ich da bin“, sagte das tapfere Mädchen. Und in der Schule werde sie für die Narbe am Oberarm gehänselt, wenn sie ein Kleid trage, sagte sie traurig vor Gericht. Dabei trage sie so gerne Kleider.
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Strafmindernd für den Rentner bewertete das Gericht, dass er sich noch vor Abschluss der Beweisaufnahme bereit erklärte, die vom Nebenklägeranwalt Thomas Elvers geforderten 7500 Euro an Schmerzensgeld an das Mädchen zu zahlen. Die 16 Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung hatte Staatsanwalt Cornelius Marks gefordert, womit sich auch die Verteidigung einverstanden erklärte. Der Angeklagte war mit diesem Urteil noch gut bedient. In einem vergleichbaren Fall in Hamburg kam der Schütze in Haft.
Für die „gezielten Schüsse“, die der Rentner an diesem verhängnisvollen Sonntag abgab und damit sich der gefährlichen Körperverletzung schuldig machte, hatte der Staatsanwalt Marks nur diese Erklärung. „Es war wahrscheinlich ein Augenblicksversagen“ – womöglich ein Ausraster mit Blackout und „hoher krimineller Energie“, wie der Nebenklägeranwalt Elvers sagte.