Norderstedt. Was die Freunde Stefan Jacobs und Thorsten in Spanien am meisten beeindruckt hat – und warum sie einmal fast aufgegeben hätten.
Um 21.55 Uhr setzte der Condor Flieger DE1697 aus Palma de Mallorca mit zwanzigminütiger Verspätung am Flughafen Hamburg auf. An Bord waren neben einigen trinkfesten Fans der Baleareninsel auch zwei erschöpfte, aber überglückliche Norderstedter, die in den vergangenen 30 Tagen exakt 853,3 Kilometer durch Spanien gewandert waren.
Stefan Jacobs (63), Cheftrainer und Gründer des Norderstedter Vereins für Selbstverteidigung und Kampfsport, Kodokan, sowie sein bester Freund Thorsten Boldt (60), Aikido-Trainer bei TuRa Harksheide, sind den Jakobsweg gepilgert.
Jakobsweg: 2023 waren knapp 450.000 Pilger unterweg
Der Begriff „Jakobsweg“ steht dabei gleich für eine ganze Reihe von Pilgerwegen durch Europa, die alle die spanische Stadt Santiago de Compostela im Nordwesten des Landes, genauer gesagt in Galicien, als Ziel haben. Dort findet man das angebliche Grab des Apostels Jakobus. Im vergangenen Jahr begaben sich knapp 450.000 Menschen auf Pilgerreise. Mittlerweile wird der Jakobsweg aber nicht mehr nur aus religiösen Gründen absolviert. Viele nutzen ihn auch, um eine Auszeit zu nehmen, dem Alltag zu entfliehen. So wie Boldt und Jacobs.
In der Ankunftshalle des Hamburg Aiport Helmut Schmidt schloss Stefan Jacobs erst einmal Ehefrau Berit und Tochter Jule in die Arme. Das fünfwöchige Abenteuer Jakobsweg war nun definitiv beendet. „Man ist dort ja in einer völlig anderen Welt. Allein diese Ruhe in den einzelnen Ortschaften, durch die man wandert, ist schon besonders gewesen. Wir sind oftmals stundenlang niemandem begegnet, auch schon mal 20 Kilometer einfach schweigend nebeneinander hergelaufen. Wir haben uns aber auch ohne zu sprechen immer super verstanden“, betont Thorsten Boldt schmunzelnd.
Zielankunft in Santiago de Copostela wird unvergesslich bleiben
Die beiden Kumpels werden den Moment der Zielankunft in Santiago de Compostela wohl nie vergessen: „Du gehst vor fünf Wochen los und denkst, du hast noch 850 Kilometer vor dir. Irgendwann sind es dann aber nur noch 120, 50 und am Ende 20. Man schaut dann ständig auf die Säulen, auf denen die noch verbleibenden Kilometer draufstehen. Dann kommt man plötzlich über einen Berg und sieht Santiago de Compostela unten liegen. Das ist schon ein tolles Gefühl“, so Stefan Jacobs.
Thorsten Boldt kam die Situation am Ende der Strecke fast ein wenig surreal vor: „Vorher hatte man die ganzen Wochen ja diese unglaubliche Ruhe. Kurz vor Santiago treffen aber viele Jakobswege zusammen, sodass man nicht mehr alleine ist, sondern etliche Wanderer und Pilger hinzukommen. Dann ist es dort fast so wie an der Registrierkasse. Die Ruhe ist auf einmal weg.“
Jakobsweg: Stefan Jacobs und Thorsten Bold wählten die Route „Camino del Norte“
30 Tage am Stück sind Jacobs und Boldt durch Spanien gewandert. Sie hatten sich dabei für die noch eher unbekannte, aber anspruchsvolle Route „Camino del Norte“ entschieden. Der Küstenweg führt direkt am Meer entlang, vorbei an bekannten Großstädten wie San Sebastian, Bilbao, Santander und Gijon.
Im Durchschnitt sind die beiden Norderstedter täglich sechs bis acht Stunden lang um die 28,5 Kilometer gewandert. Los ging es meist morgens zwischen 6 und 7 Uhr. Gegen 15 Uhr kehrte das Duo in Pilgerherbergen ein. „Wir haben aber auch zweimal in einem Kloster übernachtet. Da hat uns der Abt abends sogar noch das Essen mit Nudeln und Brot serviert. Eine weitere Nacht haben wir auf einem Bio-Bauernhof von Öko-Aussteigern verbracht. Da haben wir direkt neben dem Kuhstall geschlafen. Das war schon abenteuerlich“, so Stefan Jacobs.
Nach einem Platzregen hätte der innere Schweinehund fast gewonnen
Ans Aufgeben haben er und Thorsten Boldt trotz aller Strapazen nie gedacht. Auch wenn es diesen einen besonderen Moment gab, wo der innere Schweinehund fast gewonnen hätte. Jacobs: „Da hat es morgens wie aus Kübeln gegossen. Nach einer Viertelstunde waren wir nass bis auf die Haut. Der Regen ist sogar in unsere Rucksäcke gelaufen. Da habe ich gedacht, dass wir doch jetzt eigentlich auch den Bus nehmen könnten. Dann haben wir es aber doch durchgezogen und ab Kilometer eins mit dem Zählen angefangen, 5, 10, 20. Bei Kilometer 28 waren wir dann tatsächlich am Ziel dieser Etappe.“
Körperlich haben der Ju-Jutsu- und der Aikido-Coach die fünf Wochen relativ gut gemeistert, sie holten sich keine blutigen Füße und auch keine Blasen. Als Gepäck hatten beide nicht mehr als einen Rucksack dabei. Man lernt, in dieser Zeit mit sehr wenig auszukommen. Das war eine Erkenntnis in Spanien. „Eine andere ist, dass man die für sich gesetzten Ziele nie aus dem Blick verlieren darf. Auch wenn die Umstände, wie in diesem Fall das schlechte Wetter mit dem starken Regen, mal nicht so gut sind“, sagt Stefan Jacobs.
Tochter Jule Jacobs holt sich per Handy Tipps für die Ju-Jutsu-DM
Den Kontakt in die Heimat haben Boldt und Jacobs per Handy auch in Spanien immer gehalten. Ausgerechnet in die Zeit ihrer Jakobsweg-Wanderung fielen nämlich die Deutschen Ju-Jutsu-Schülermeisterschaften in Nienburg an der Weser, an denen auch die Trainertochter Jule Jacobs teilnahm. „Ich habe Papa während der Vorbereitung oft angerufen oder angeschrieben und ihn um Rat gefragt. Das war mir sehr wichtig“, sagte die Gymnasiastin. Die Tipps müssen gut gewesen sein, denn sie holte sich prompt die nationalen Titel im Ne Waza (Bodenkampf) und im Fighting.
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Auf die Frage, ob Jacobs und Boldt noch einmal mal den Jakobsweg gehen würden, antworteten beide sofort mit einem klaren „Ja!“. Mehr noch: Es ist sogar schon etwas in Planung: „Es gibt da einen schönen Weg durch Portugal, von Lissabon nach Santiago. Den haben wir uns im Buch schon einmal angeschaut und ausgerechnet, wie viele Kilometer und Tage wir dafür brauchen würden“, verrät Thorsten Boldt.
Erst einmal ging es aber vom Flughafen Hamburg ein paar Kilometer weiter nördlich nach Norderstedt. Für Stefan Jacobs war dies allerdings nur ein kurzer Zwischenstopp. Er hatte kaum Zeit, um seine Utensilien auszupacken und musste am nächsten Morgen schon wieder zu einem Ju-Jutsu-Trainerlehrgang nach Feldberg im Schwarzwald aufbrechen.