Norderstedt. An welchen Straßen Geräuschpegel herrschen, die krank machen können. Und was Experten der Stadt raten, um Lärm zu verringern.

  • 9000 Menschen in Norderstedt müssen tagsüber einen Lärmpegel von mehr als 65 Dezibel ertragen.
  • Wie es auf den Straßen leiser werden soll, stellt Stadt in neuem Lärmaktionsplan vor.
  • Gutachter hat 28 Lärmbrennpunkte ausgemacht.

Jeder dritte Norderstedter ist durch Straßenlärm belastet, 9000 Menschen in der Stadt müssen tagsüber einen Lärmpegel von mehr als 65 Dezibel (A) ertragen, der krank machen kann. Nachts sind es sogar mehr als 10.000 – erschreckende Zahlen, die die Stadt zum Handeln zwingen. Wie es auf den Straßen leiser werden soll, steht im Entwurf für den neuen Lärmaktionsplan, den die Stadt am Dienstag, 21. Mai, vorstellen will (18.00, TriBühne, Rathausallee).

Damit schreibt die Stadt die von der EU vorgeschriebene Lärmminderung, die mit dem Lärmaktionsplan 2008 bis 2013 begann, weiter fort. Die Ramboll Deutschland GmbH hat für den neuen Maßnahmenkatalog untersucht, wo es in Norderstedt wie laut ist, und Empfehlungen für die Lärmminderung ausgesprochen. Der Lärm ist zwar an den am meisten befahrenen Straßen am stärksten, aber: Entlang der Schleswig-Holstein-Straße oder der Ohechaussee im Westen Norderstedts wohnen kaum Menschen.

Lärm – wo die Menschen in Norderstedt am stärksten leiden

Straßenlärm ist in Norderstedt ein Dauerthema: Das Archivbild zeigt 75,9 Dezibel, gemessen mittags an der Ohechaussee.
Straßenlärm ist in Norderstedt ein Dauerthema: Das Archivbild zeigt 75,9 Dezibel, gemessen mittags an der Ohechaussee. © HA

Daher haben die Gutachter den Schallpegel ins Verhältnis gesetzt zu der Zahl der Betroffenen und 28 Lärmbrennpunkte ausgemacht. Viel Lärm müssen die Anwohner der Ulzburger Straße auf der gesamten Länge vom Norden der Stadt bis zur Kreuzung mit der Ohechaussee ertragen.

Weitere Lärmbrennpunkte sind die Rathausallee zwischen Ulzburger Straße und Friedrichsgaber Weg, die Ohechaussee zwischen Ochsenzoller und Schleswig-Holstein-Straße, zwischen Ochsenzoller Straße und In de Tarpen, Horst-Embacher-Straße/Kohfurth zwischen Friedrichsgaber und Stettiner Straße, Kohfurth/Berliner Allee von Stettiner Straße bis Ochsenzoller Straße, Ochsenzoller Straße zwischen Birkenweg und Berliner Allee und Tannenhofstraße von Ochsenzoller Straße bis Ohechaussee.

Straßenlärm – durch mehr Tempo-30-Bereiche soll es leiser werden

Nachts gibt es schon mehrere Zonen wie hier an der Ochsenzoller Straße, in denen nachts Tempo 30 gilt.
Nachts gibt es schon mehrere Zonen wie hier an der Ochsenzoller Straße, in denen nachts Tempo 30 gilt. © Christopher Mey | Christopher Mey

Mit überdurchschnittlich viel Fahrzeuglärm müssen auch die Anwohner folgender Straßen leben: Friedrich-Ebert-Straße zwischen Kornhoop und Wertstoffhof Norderstedt, Friedrichsgaber Weg zwischen Möhlenbarg und Friedrich-Ebert-Straße, Niendorfer Straße zwischen Kirchenstraße und Kahlenkamp, Segeberger Chaussee zwischen Schleswig-Holstein-Straße und Segeberger Chaussee Hausnummer 277 und zwischen Hofweg und Hausnummer 398, Poppenbütteler Straße zwischen Segeberger Chaussee und Poppenbütteler Straße Hausnummer 268 sowie zwischen den Hausnummern 39 und 65 und Alter Kirchenweg von Hausnummer 27a bis Stonsdorfer Weg 5a.

Um den Lärm zu mindern, schlagen die Gutachter vor, das Tempo auf diesen Straßenabschnitten von 50 auf 30 km/h zu reduzieren. Dadurch lasse sich der Schallpegel um bis zu 3 dB (A) reduzieren. Schon diese 3 dB (A) machten das Lärmereignis für Betroffene nur noch halb so stark.

Straßenlärm – Maßnahmen könnten 2500 Menschen entlasten

Für diese Teilstrecken solle die Stadt prüfen, ob sich Tempo 30 einführen lässt, wofür bestimmte Vorgaben berücksichtigt werden müssen. Dazu zählen unter anderem der Aufwand für die Maßnahmen und die Verkehrssicherheit.

„Das nächtliche Abschalten von Lichtsignalanlagen verringert die Lärmbelastung der Anwohner, da Anfahrvorgänge am Knotenpunkt reduziert werden. Außerdem können dadurch die Betriebskosten gesenkt werden“, heißt es im Entwurf für den Lärmaktionsplan weiter. Die Ampeln an den Einmündungen Rathausallee/Buckhörner Moor und Ulzburger Straße/Buchenweg könnten nachts abgeschaltet werden. Durch diese Maßnahmen würden mehr als 2500 Menschen von Lärm entlastet

Schienenlärm spielt eine untergeordnete Rolle

Als weitere Lärmquelle nennt der Entwurf für den Lärmaktionsplan den Schienenverkehr, die U-Bahn durchquert Norderstedt von Süden nach Norden, die AKN fährt von Norderstedt-Mitte Richtung Norden. Im Vergleich zum Straßenlärm ist die Zahl der Betroffenen hier eher gering. Tagsüber und nachts müssen jeweils 100 Anwohner mit einem Geräuschpegel leben, der über das Normalmaß hinausgeht.

Um den Betroffenen mehr Ruhe zu gönnen, sollen die schon im aktuellen Lärmaktionsplan enthaltenen Maßnahmen fortgeschrieben werden. So soll geprüft werden, ob entlang der Strecke Schallschutzwände gebaut werden können. Der Einbau sogenannter Schienenstegdämpfer und elastischer Schienenbefestigungen könne die Geräusche der Züge ebenfalls mindern.

Fluglärm – Norderstedt hat nur wenig Einfluss auf den Flugbetrieb

Ein Airbus im Anflug auf den Hamburger Flughafen – Norderstedt hat kaum Einfluss auf den Flugbetrieb.
Ein Airbus im Anflug auf den Hamburger Flughafen – Norderstedt hat kaum Einfluss auf den Flugbetrieb. © picture alliance / Christophe Gateau/dpa | Christophe Gateau

Unter Fluglärm leiden 3100 Norderstedter, allerdings gibt es laut den Gutachtern niemand, der potenziell krankmachende Schallpegel von mehr als 65 dB (A) am Tag und 55 dB (A) nachts ertragen muss. Obwohl die Werte unterhalb der von den Analysten als gesundheitsgefährdend eingestuften Reizschwelle bleiben, gehen sie davon aus, dass 976 Männer und Frauen durch den Lärm der Flugzeuge stark belästigt werden.

Auf Empfehlungen verzichtet der Lärmaktionsplan – die Vergangenheit hat gezeigt, dass Norderstedt keinen Einfluss darauf hat, wie der Hamburger Flughafen seinen Flugbetrieb organisiert. Alle Versuche, vor allem die Starts gerechter zwischen der Metropole und dem Umland zu verteilen und damit die Umlandbewohner zu entlasten, sind gescheitert.

Velorouten realisieren, Bus- und Bahnverkehr ausbauen

Straßenlärm reduzieren – da können auch Fahrradstraßen wie hier am Hempberg die Autofahrer zum Umstieg auf zwei Räder motivieren (Archivbild).
Straßenlärm reduzieren – da können auch Fahrradstraßen wie hier am Hempberg die Autofahrer zum Umstieg auf zwei Räder motivieren (Archivbild). © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Weiter sieht das Maßnahmenpaket vor, den Rad- sowie den Bus- und Bahnverkehr auszubauen, um Autofahrer zum Umstieg zu bewegen und damit den Straßenlärm als Hauptlärmquelle zu verringern. Die geplanten Velorouten sollen den Radlern Vorrang einräumen, sie würden zudem Lärmbrennpunkte entschärfen.

Busse und Bahnen sollen häufiger fahren. Die Stadt solle prüfen, ob eine Express-Buslinie X94 eingerichtet werden kann, die von Pinneberg über Quickborn nach Norderstedt fährt. Die Linie 594 von Norderstedt nach Pinneberg solle an den Wochenenden auch nachts fahren.

Lärm – wo die Menschen in Norderstedt am stärksten leiden

Um die Menschen vom Lärm, der in einer Stadt wie Norderstedt zwangsläufig entsteht, zu entlasten, sieht der Lärmaktionsplan ruhige Gebiete vor, Stadtbereiche, in denen maximal 55 dB (A) herrschen – ein Geräuschpegel, der in etwa dem eines normalen Gesprächs entspricht. Als Ruhezonen, in die sich lärmgeplagte Norderstedter zurückziehen können, gelten der Staatsforst Rantzau, der Forst Styhagen und Syltkuhlen, die Moorgürtel Glasmoor und Wittmoor.

Hinzu kommen die Stadtoasen, zu denen Stadtpark, Moorbekpark, Willy-Brandt-Park und Ossenmoorpark zählen. Auch die ruhigen Achsen wie der Weg entlang der U-Bahngleise, der Tarpenbek -Wanderweg und der Jägerlauf zählen zu den Kontrapunkten gegen den Stadtlärm.

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Doch nun haben sich die Grundlagen für die Lärmberechnung geändert, der für die ruhigen Gebiete definierte Schwellenwert von 55 dB (A) kann nicht mehr überall eingehalten werden. Werden diese Schutzzonen ausgeweitet, könnte das mit dem Fluglärm kollidieren, stellen die Gutachter fest. Es gebe momentan keine Rechtssicherheit, auf jeden Fall solle Norderstedt die neu definierten ruhigen Gebiete in den Lärmaktionsplan aufnehmen, um sie rechtlich geltend machen zu können.