Henstedt-Ulzburg. Expansionspläne von Kaufland und Rewe setzen Henstedt-Ulzburg unter Zugzwang. Politik will Bebauungsplan ändern. Das sind die Gründe.
- Rewe, Kaufland und Edeka werben um die lukrative Kundschaft in Henstedt-Ulzburg.
- Expansions-Pläne setzen Verwaltung im Rathaus und die Politik unter Druck. Sie müssen nun dringend handeln.
- Politik will Änderung des Bebauungsplans – die Konsequenzen bleiben offen.
Die Pläne der Einzelhandelsriesen in Henstedt-Ulzburg sind seit Monaten großes Gesprächsthema in der Bevölkerung. Und sorgen nun für Bewegung in der Politik. Während Rewe gerne auf dem ehemaligen Dello-Gelände an der Gutenbergstraße einen Vorzeige-Supermarkt bauen möchte, expandiert Kaufland, mietet die seit April vakante Immobilie, in der sich bis dahin ein Marktkauf befunden hatte. Im Frühjahr 2025 soll hier eine zweite Filiale eröffnen, denn jene im City Center Ulzburg (CCU) steht aktuell nicht zur Disposition.
Die Fülle an Veränderungen sorgt dafür, dass die Verwaltung und die Fraktionen nun aktiv werden müssen. Und so stimmte der Planungsausschuss dafür, mittels einer Änderung des Bebauungsplans möglicherweise neue Rahmenbedingungen im Gewerbepark Nord zu schaffen. Es bestehe „dringender Handlungsbedarf“, hieß es bereits im Vorfeld der Sitzung im Ratssaal. Und das aus mehreren Gründen.
Gewerbepark Nord in Henstedt-Ulzburg: Struktur des Einzelhandels auf dem Prüfstand
Es begann im letzten September. Rewe präsentierte seine Vision für eine seit 2020 brachliegende Fläche an der Kreuzung zum Autobahnzubringer. Dort, wo einst mehr als zwei Jahrzehnte lang Autos verkauft wurden, soll ein hochmoderner Supermarkt entstehen, den es nach Angaben des Unternehmen deutschlandweit bislang nur einmal gibt, und zwar in Wiesbaden.
„Green Farming“ heißt das Prinzip, es beinhaltet unter anderem eine nachhaltige Holzbauweise, ein Kreislaufsystem mit Gewächshaus auf dem Dach und einer Fischfarm, Photovoltaik und kurze Wege zum nur fünf Minuten entfernten Logistikzentrum an der Rudolf-Diesel-Straße.
Grundsätzlich begrüßte die Verwaltung das, schließlich könnte so eine Vakanz in bester Lage verschwinden. Aus den Fraktionen hingegen wurde Skepsis laut. Denn schließlich gibt es schon zahllose Einkaufsmöglichkeiten in direkter Nachbarschaft, wurde argumentiert. Und Rewe selbst hatte in einer Präsentation nicht nur von 40.000 Kunden monatlich gesprochen, sondern auch gesagt, wo diese herkommen sollten: „Ein Großteil der Umsätze wird durch Umverteilung generiert: Marktkauf, Aldi, Lidl und Penny.“ Weiter hieß es: „Ein weiterer Umsatz wird durch ,Abgreifen‘ der bestehenden Frequenz generiert.“
Politik fordert Bestandsgarantie für bisherige Rewe-Supermärkte
Marktkauf gehört zur Edeka-Gruppe. Und diese wendete sich im Herbst direkt an Gemeinde und Politik – auch das war nicht alltäglich. Genauso wenig wie der Inhalt, denn der Konzern stellte sich in aller Deutlichkeit gegen einen Rewe-Neubau, sprach davon, dass Henstedt-Ulzburg „nach eigenen Erhebungen im Bereich des Lebensmitteleinzelhandels deutlich überversorgt sei“. Das wurde verbunden mit einer Warnung: Denn neben dem Edeka-Markt in Kisdorf wäre hiervon vor allem besagter Marktkauf betroffen, dieser müsse dann „wohl in den nächsten ein bis zwei Jahren schließen“.
Im November votierte die Politik trotzdem ein erstes Mal dafür, die nötige Änderung des Bebauungsplans 59 in die Wege zu leiten, wenn auch ergebnisoffen, also ohne Zusage, dass Rewe seinen Supermarkt auch bekommen würde. Mehr noch: Einige Bedingungen wurden gleich festgesetzt. Etwa, dass Rewe seine bestehenden Standorte in der Schulstraße, also nahe des Ortszentrums, sowie auf dem Rhen möglichst für mindestens 15 Jahre weiterführen müsse. Weitere Vorgaben betreffen den Verkehr, etwa ein Kreisverkehr auf der Gutenbergstraße. Auch eine Erweiterung der Gutenbergkreuzung ist regelmäßig Thema, scheiterte in der Vergangenheit allerdings daran, dass sich einige Flächen auf Kisdorfer Gemeindegebiet befinden und Henstedt-Ulzburg dort bei Kaufverhandlungen abblitzte.
Ende 2023: Edeka gibt das Aus für Marktkauf bekannt
Dann kam der Hammer kurz vor dem Jahresende: Der Marktkauf-Standort im Gewerbepark werde geschlossen, bestätigte die Edeka-Gruppe tatsächlich, nachdem die Nachricht bereits aus einer Betriebsversammlung durchgesickert war. Doch von Rewe war hier als Grund gar nicht mehr die Rede. Vielmehr sollen es gescheiterte Mietverhandlungen gewesen sein, die zusammenhängen mit dem Insolvenzverfahren eines weiteren Supermarktkonzerns, nämlich Real, der hier vor Marktkauf bis 2022 eine Filiale hatte.
Das Problem: Marktkauf, und damit Edeka, waren nur Untermieter. Man musste sich mit den Eigentümern, einer Immobilienholding, über die Konditionen für einen neuen Vertrag einigen. Ohne Erfolg letztlich.
Kaufland: Rein in die alte Marktkauf-Immobilie – und im CCU bleiben?
Bis kurz vor Ostern liefen die Geschäfte noch, wobei ein Großteil des Sortiments schon lange vorher entweder ausgeräumt oder ausverkauft war. Auch die kleineren Läden und teils die örtliche Gastronomie mussten dicht machen, für sie galten die gleichen Vertragskonstellationen. Allerdings hatten sie schon zu diesem Zeitpunkt eine Zukunftsperspektive erhalten. Denn Kaufland gab bereits im Februar bekannt, hier einen neuen Standort eröffnen zu wollen. Das wird, unter anderem wegen Umbaumaßnahmen, aber erst 2025 der Fall sein. Die Filiale im CCU soll bestehen bleiben, wurde auf Nachfrage beteuert. Hier soll es nach Abendblatt-Informationen noch einen über zehn Jahre laufenden Vertrag geben inklusive Klausel, der eine Öffnung vorgibt.
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All das geschieht in einer weitaus höheren Geschwindigkeit, als die Politik beraten und beschließen kann. Also muss Henstedt-Ulzburg jetzt nachziehen. Insgesamt 15-mal sei der Bebauungsplan seit 1997 bereits verändert worden, einiges aber auch wieder aufgehoben worden, „um Sondergebietsflächen zur Ansiedlung von großflächigen Handelsbetrieben zuzulassen“, so die Verwaltung.
Einzelhandel in Henstedt-Ulzburg: Gemeinde will „Neuordnung“ im Gewerbepark Nord
Die Folge ist ein planungsrechtliches Wirrwarr. „Die vielen Änderungen des Bebauungsplanes lassen die zulässigen Sortimentengruppen in hiesigen Einzelhandelsbetrieben nur schwer nachzuvollziehen. Die Zuordnung der notwendigen Stellplätze ist ebenfalls nicht möglich.“ Auch die Regelungen für den Radverkehr seien „nicht befriedigend“.
Also schlägt die Ortsplanung vor: Die nun 16. Änderung solle einen weitaus größeren Bereich abdecken. Dieser könnte von der „Dello-Fläche“ bis südlich zum künftigen Kaufland-Standort reichen, dazu Mediamarkt, Jysk oder auch Aldi, DM und Denns umfassen. Auf Antrag der Politik wurde das noch um den Toom-Markt vergrößert. Das Ziel: eine „Neuordnung der Verkaufsflächen und der zulässigen Sortimentengruppen“, dazu die „Festsetzung der Anbindung des Gebietes an den Radverkehr“. Wie genau das aussehen könnte, wird noch offen gelassen. Allerdings lehren die jüngsten Erfahrungen sowieso: In Henstedt-Ulzburg kommt es in der Realität nicht immer so, wie es einmal vorgesehen war.