Norderstedt. Baugenossenschaft aus Norderstedt beklagt schwierige Marktbedingungen. Und manche Lokalpolitiker machten es ihnen nicht einfacher.

Sie sind ein extrem wichtiger Akteur, wenn es darum geht, günstigen Wohnraum zu schaffen: Baugenossenschaften. Doch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dafür, um genau das zu tun, sind derzeit extrem schlecht. Mit der Neuen Lübecker hat ein großer Akteur schon vor gut einem Jahr angekündigt, auf Neubauvorhaben fürs Erste zu verzichten. Kürzlich der nächste Paukenschlag: Mit dem Wohnungsverein Hamburg von 1902 eG verlässt eine alteingesessene Baugenossenschaft die Hansestadt. In harten Zeiten werde das Geschäft zusätzlich erschwert durch manche Bezirksverwaltungen und Lokalpolitiker, hieß es.

Die Norderstedter Baugenossenschaft Adlershorst, der rund 5200 Wohnungen gehören, ist einer der ganz zentralen Player für den Kreis Segeberg. Und auch Adlershorst hat aktuell zu kämpfen. An Neubauvorhaben halte man zwar fest, aber „auf reduziertem Niveau“, so die Sprecherin Kim Münster. Und weiter: „Im geförderten Neubau sind die Mittel begrenzt, wir engagieren uns, weiterhin Fördermittel für den Neubau und energetische Modernsierungen einzuwerben. Im frei finanzierten Wohnungsbau ist es schwieriger. Hier werden wir das Neubauvolumen reduzieren müssen, wenn sich die Rahmenbedingungen nicht ändern.“

Branche in der Krise: Baukosten hoch, Zinsen auch

Diese Bedingungen haben sich für die gesamte Branche drastisch verschlechtert. Russlands Angriff auf die Ukraine 2022 löste eine wirtschaftliche Kettenreaktion aus. Unter anderem stiegen die Hypothekenzinsen, die Banken aufrufen, drastisch. Die Baukosten explodierten. Deshalb beklagte schon vor einiger Zeit auch das Norderstedter Wohnungsunternehmen Plambeck, dass man keine neuen Projekte in Angriff nehmen könne.

Kim Münster sagt: „Der kostendeckende Mietzins ist inzwischen bei über 18 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche anzusiedeln. Dies können sich viele Mitglieder nicht mehr leisten.“ Grund sei, neben der gestiegenen Baukosten und des Zinsanstiegs, der Wegfall verschiedener Förderdarlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).

Kritik: „Mal fordern Politiker begrüntes Dach, mal beheizbaren Fahrradständer“

Und dann sind da noch die Bürokratie und die Forderungen von Lokalpolitikern bei Neubauvorhaben. Beides habe den Wohnungsverein Hamburg von 1902 eG regelrecht aus der Stadt vertrieben, sagte kürzlich Andreas Breitner, Direktor des Verbandes norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), der mehr als 300 Baugenossenschaften in den nördlichen Bundesländern vertritt.

„In Hamburg quälen wir uns oft mit den Bezirken rum“, sagte Breitner. Diese verzögerten oft Baugenehmigungsverfahren, Genossenschaften seien von den „umständlichen und bürokratischen“ Verfahren genervt. Wenig besser kamen die Bezirkspoliker bei Breitner weg. Mal forderten die Lokalpolitiker „eine Tiefgarage, mal ein begrüntes Dach, mal einen beheizbaren Fahrradständer.“ Breitner weiter: „Das führt dazu, dass bezahlbare Mieten nicht zu halten sind.“

Und wie ist es in Norderstedt? Was Adlershorst-Sprecherin über Verwaltung und Politik sagt

Wie ist das in Norderstedt? Zur Lokalpolitik sagt Kim Münster: „Wir würden es anders formulieren, aber es gibt Anforderungen, die wirtschaftlich nicht vertretbar und teilweise auch nicht sinnvoll sind.“ Über die Stadtverwaltung sagt die Adlershorst-Sprecherin: „Wir wissen um die Sachzwänge in der Verwaltung und in der politischen Meinungsbildung. Nur soviel sei gesagt, wir erleben die Zusammenarbeit mit der Verwaltung insbesondere in Norderstedt als wertschätzend und unterstützend.“

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Alles in allem sieht Kim Münster für die Lage am Wohnungsmarkt „dringenden Handlungsbedarf“. Das sei zwar auf einer breiten Ebene erkannt worden, „aber wir können noch keine weichenstellenden Veränderungen erkennen.“ Für den öffentlichen Wohnungsbau sei es erforderlich, weitere Finanzmittel einzuwerben. Immerhin: „Wir wissen, dass die Innenministerin intensiv an diesem Thema arbeitet.“