Hamburg/Kiel. VNW-Chef Breitner übt massive Kritik an Verzögerungen und Kostenexplosionen. Erste Genossenschaften wandern ins Hamburger Umland ab.
Sie nennen sich die „Vermieter mit Werten“ oder auch die „sozialen Vermieter“: Der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) bietet allein in Hamburg über seine 150 Genossenschaften 136.000 Wohnungen mit einer Durchschnittsmiete von 7,14 Euro pro Quadratmeter an. Dieser Verband schlägt jetzt in nie da gewesener Deutlichkeit Alarm und kritisiert die Hamburger Bezirke scharf.
„In Hamburg quälen wir uns oft mit den Bezirken herum.“ Das sagt Verbandsdirektor Andreas Breitner. Der VNW vertritt in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern zusammen rund 400 Genossenschaften. „Oft verzögern die Bezirke Baugenehmigungsverfahren und behandeln alle Wohnungsbauinvestoren gleich, und zwar gleich schlecht. Man unterscheidet nicht zwischen einer Genossenschaft, die seit mehr als 100 Jahren bezahlbaren Wohnraum garantiert, und einem renditeorientierten Miethai.“
Verband beklagt „umständliche und bürokratische Genehmigungsverfahren“
Es war das Vorzeigeprojekt der sozialdemokratischen Bürgermeister Hamburgs, erst das von Olaf Scholz, später das von Peter Tschentscher. Mit dem Sieg bei der Bürgerschaftswahl 2011 brachte der Senat den am Boden liegenden Wohnungsbau in Hamburg wieder in Schwung. Erst genehmigte man 6000 neue Wohnungen pro Jahr, später sogar 10.000. Nur: Das ist Vergangenheit, inzwischen sind die Zahlen eingebrochen. Die Banken rufen hohe Zinsen für Hypothekendarlehen auf, die Baukosten explodieren – die Baukonjunktur liegt am Boden.
Einen weiteren, hausgemachten Grund für die aktuelle Misere in Hamburg kritisieren die Wohnungsbaugenossenschaften: „Mit dem Hamburger Senat führen wir gute, konstruktive Gespräche. Aber mit den meisten Bezirken und ihren Bauprüfämtern ist es mühsam.“ Das sagt Andreas Breitner, Direktor des Verbandes norddeutscher Wohnungsunternehmen.
Wohnungsbaufirmen vergrault – „mit Hamburg sind wir durch“
Inzwischen sei die erste Genossenschaft von den „umständlichen und bürokratischen Baugenehmigungsverfahren“ so genervt, dass sie nach Schleswig-Holstein abwandert. „In Hamburg werden sie oft wie Bittsteller behandelt. Ich erlebe es jetzt zum ersten Mal, dass eine Genossenschaft sagt: Mit Hamburg sind wir durch.“
Laut Breitner wechselt der Wohnungsverein Hamburg von 1902 eG nach Schenefeld. Gleich hinter der Landesgrenze sei die Genossenschaft Premiumpartner der Stadtverwaltung geworden, sagt der VNW-Direktor. Die Hamburger Genossenschaft habe den Wohnungsbestand der Stadt Schenefeld übernommen, saniere die Häuser energetisch, baue sie um und habe weitere Grundstücke im Visier.
Was die Bezirke aus Sicht der VNW falsch machen
„Das hätte sie alles gern in Hamburg gemacht. Aber sie drang – anders als bei der Politik in Schenefeld – nicht durch“, kritisiert Breitner das „kundenunfreundliche Verhalten der Bezirke“. Er sieht Bezirkspolitiker und die Bezirksverwaltungen gleichermaßen in der Verantwortung.
Mal forderten die Lokalpolitiker „eine Tiefgarage, mal ein begrüntes Dach, mal einen beheizbaren Fahrradständer“, so Breitner. „Das führt dazu, dass bezahlbare Mieten nicht zu halten sind. Dann sind die Genossenschaften raus.“ Auf der anderen Seite litten die Bezirksverwaltungen unter Fachkräftemangel. Fehlendes Personal führe zu massiven Verzögerungen im Genehmigungsverfahren. „Das kostet ohne Ende Geld.“
Verband erwartet mehr Vertrauen von der Politik
Nur in Harburg und in Bergedorf laufe es besser. Beispielsweise in Eimsbüttel oder Altona seien viele rein profitorientierte Wohnungsunternehmen unterwegs – Breitner nennt sie Goldgräber –, die permanent versuchten, „die Bezirke über den Tisch zu ziehen, um Luxusappartements bauen zu können“. Das führe dazu, dass Verwaltungen Investoren grundsätzlich misstrauten und nicht differenzierten. „Das ist vielleicht verständlich, aber keine gute Haltung für einen guten Wohnungsbau in Hamburg.“
Der Verband erwarte, dass die Politik den sozialen Vermietern mehr Vertrauen entgegenbringe. „Die ersten Wohnungsbaugenossenschaften wurden in Norddeutschland vor über 140 Jahren gegründet und haben seitdem selbst in größten Krisenzeiten bewiesen, dass die Gesellschaft sich beim bezahlbaren Wohnen auf sie verlassen kann.“ Stattdessen litten die Genossenschaften darunter, mit unseriösen Investoren in einen Topf geworfen zu werden.
Hamburg sollte Genossenschaften den „roten Teppich“ ausrollen
Breitner nennt beispielhaft das „Holsten“-Quartier, wo seit Jahren in bester Hamburger Lage nichts passiert. „Die Probleme sind ja nicht nur entstanden, weil windige Geschäftemacher windige Geschäfte machen, sondern auch, weil die Stadt seinerzeit schlecht verhandelt hat. Daraus sollte die Politik lernen. Ein Ergebnis könnte sein: Vertraut mehr den sozialen Vermietern“, fordert Breitner im Gespräch mit dem Abendblatt. Eigentlich müsste Hamburg den Genossenschaften den roten Teppich ausrollen, denn die machten genau das, was die Stadt wolle, sagt er und verweist auf eine Durchschnittsmiete von 7,14 Euro pro Quadratmeter in den rund 136.000 VNW-Wohnungen in Hamburg. Diese Preise wirkten mietpreisdämpfend.
Breitners Wohnungsbaugenossenschaften sind nicht nur von den „umständlichen und bürokratischen Baugenehmigungsverfahren der Bezirke genervt“. Den rot-grünen Paradigmenwechsel auf Senatsebene, Grundstücke im Regelfall nicht mehr zu verkaufen, sondern sie Bauherren nur noch befristet auf einige Jahrzehnte („Erbbaurecht“) zu überlassen, empfinden die Genossenschaften als Misstrauensvotum. Genossenschaften wollten kaufen, auch weil sie bei gepachteten Grundstücken deutlich schlechtere Konditionen von den Banken erhielten. „Wer hat denn in den vergangenen 125 Jahren bezahlbaren Wohnraum geschaffen? Neben der Saga waren das die Genossenschaften. Aber wir quälen uns sehr mit dem Erbbaurecht“, klagt Breitner.
Was passieren kann, wenn Erbbauverträge enden
In Hamburg laufen in den kommenden Jahren 24 Erbbauverträge aus. Der VNW hält bei einer Verlängerung der Erbbaurechte Preissteigerungen von „1000 Prozent für nicht utopisch. Die Mieten müssten dann dort drastisch steigen, um das aufzufangen. Wir ringen seit drei Jahren mit dem Senat um eine Lösung und erkennen auch an, dass der Finanzsenator sich persönlich stark engagiert. Aber noch ist die Kuh nicht vom Eis.“
Hintergrund der befürchteten Kostenexplosion ist, dass der Erbbauzins sich am aktuellen Bodenrichtwert orientiere. „Mit anderen Worten: je besser die Lage eines Grundstücks, desto höher der Zins. Das trifft vor allem Mieterinnen und Mieter, die in Stadtteilen wie Eimsbüttel, Altona oder Winterhude leben“, sagt Breitner.
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Um den Bau von Sozialwohnungen anzukurbeln, plädiert der VNW-Chef für eine zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein abgestimmte Gebietsentwicklung. So könnte man beispielsweise in Geesthacht oder Elmshorn auch Sozialwohnungen errichten. Das passiere aber nicht, weil die kommunale Selbstverwaltung in Schleswig-Holstein geschützt sei und die Kommunen sich nicht reinreden ließen. „Manche Kommunen sagen: Bei uns zu wohnen, muss man sich leisten können“, sagt VNW-Direktor Breitner.