Norderstedt. Erleichterung im Norderstedter Rathaus: nach wochenlangen Diskussionen steht die Finanzplanung. Wo die Oberbürgermeisterin abblitzte.
Es war nur eine Momentaufnahme. Doch mit Blick darauf, worüber im Plenarsaal gesprochen wurde, nämlich den mehrere Hundert Millionen Euro schweren Doppelhaushalt der Stadt Norderstedt für 2024/2025, mutete es schon kurios an, als sich der CDU-Fraktionschef Gunnar Becker direkt an die neue Oberbürgermeisterin Katrin Schmieder wandte – und sie duzte. „Von deiner Seite aus, Katrin, wird sich sehr bemüht, mit uns zusammenzuarbeiten“, sagte er während der Stadtvertretersitzung. Das Lob steht sinnbildlich für den erstaunlichen Wetterumschwung rund ums Rathaus, und dafür, dass der Etat letztlich relativ harmonisch verhandelt wurde.
Dass es bis kurz vor Ostern dauerte, ehe die Politik den Finanzplan endgültig beschloss, ist keinesfalls optimal, das wissen alle Beteiligten. Ein Hauptgrund: 2023 fand vor den Sommerferien die Kommunalwahl statt, im Herbst befand sich die Stadt im brisanten Oberbürgermeisterwahlkampf, für Kompromisse war da kein Spielraum.
Norderstedt: Zehn Millionen Überschuss waren gefordert, wurden aber nicht erreicht
Das änderte sich erst in diesem Jahr. Selbst die politische Vorgabe, dass Norderstedt jährlich einen Überschuss von zehn Millionen Euro erwirtschaften müsse, wurde hinter den Kulissen ein wenig entschärft. „Eine kleine Hürde“, nennt es die Oberbürgermeisterin. „Da haben wir im Verwaltungshaushalt Kürzungen vorgenommen, die natürlich nicht bei den Leistungen liegen, welche die Bürger berechtigt in Anspruch nehmen. So haben wir für diesen Haushalt einen kleinen, aber konsensfähigen Überschuss erreicht.“
Nicht zehn, sondern 2,8 Millionen Überschuss sind es letztlich, das war vorerst okay. „Die Nachricht war klar“, so Schmieder. In den Beratungen für den sowieso anstehenden Nachtragshaushalt und die künftigen Etats werden die Diskussionen über Kürzungen weitergehen. Davon geht auch Jens Rapude aus, Leiter des Amtes für Finanzen, also der Kämmerer. „Ich glaube, das Ziel dahinter ist, dass wir überlegen müssen, ob wir so weitermachen können. Zehn Millionen, das ist erst einmal eine Nenngröße. Wir wollen deutlich besser werden, denn der Jahresüberschuss lässt sich in das Eigenkapital für Investitionen mit einbringen.“
Sparmaßnahmen: Bauvorhaben verschoben und Stellen gestrichen
Doch wo wurde gespart? Vorerst verschoben ist etwa der Rathaus-Anbau, genauso die weitere Planung für die neue Feuerwache in Garstedt. Rapude fügt an, dass die Gegenfinanzierung durch sogenannte „Deckungskreise“, also, dass Mehrausgaben in einem Budget durch Puffer aus einem anderen Bereich getragen werden können, reduziert wurde. Hinzu kommen Stellen, die vorerst aus dem Etat gestrichen wurden. Schmieder: „Diese sind nicht in den finalen Plan eingeflossen. Beim Betriebsamt waren es 15, wir hatten eine zweite Geschäftsführung für die Mehrzwecksäle erbeten, eine Referentin (für die Oberbürgermeisterin; d. Red.), zwei Digitalisierungsstellen für die Smart City.“
Aber: „Wir haben auch viele zusätzliche Stellen bekommen, die Höhergruppierungen unter anderem bei den Kita-Beschäftigten, die Werkstudenten, im Recruiting, im Jugendamt – es wurde an jedem Ende erkannt, dass wir wichtige neue Aufgaben haben. Darüber freuen wir uns.“
Stadt erwartet über 200 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen
Grundsätzlich geht es Norderstedt gut, die prognostizierten Gewerbesteuereinnahmen für 2024 (120 Millionen Euro) und 2025 (114 Millionen Euro) sind die mit Abstand höchsten im Kreis. Angesprochen auf die rückläufige Schätzung für das nächste Jahr, erklärt Jens Rapude: „2025 sind wir mit der Prognose runtergegangen, weil wir wissen, dass wir einen Gewerbebetrieb verlieren. Wir rechnen im Moment nicht mit einem wirtschaftlichen Einbruch, aber für die mittelfristige Finanzplanung würde ich meine Hand nicht ins Feuer legen, dass wir bei den Gewerbesteuererträgen in der Höhe so bleiben.“
Auch Katrin Schmieder warnt: „Gerade bei der Gegenfinanzierung von Land und Kreis schwört uns die Finanzministerin in Kiel auf schwere Zeiten ein. Wir wissen, dass der Haushalt in Bereichen reduziert werden wird, die uns in den Kommunen erheblich betreffen, zum Beispiel bei der Finanzierung des Offenen Ganztags und den Kitas. Es wäre illusorisch, zu sagen: Weiter so. Wir haben eine Verpflichtung, zukunftssicher zu planen.“
„Immense Kostensteigerungen“ in den Kitas und im Offenen Ganztag
Doch wie kann eine Stadt Einnahmen generieren, ohne Steuern zu erhöhen? „Wir haben auch noch Gebühren. Müll ist ein Beispiel: Dort, wo wir Kosten verursachen, können wir es über Gebühren gegenfinanzieren.“ Weit entfernt von einer Kostendeckung sind die Kindertagesstätten. „Wir haben es in den letzten Jahren mit immensen Kostensteigerungen bei der Verpflegung in den Kitas und im Offenen Ganztag zu tun. Das kennen wir alle, Lebensmittel- und Energiekosten, sowie Gehälter sind angestiegen. Die Gebühren haben wir vor 15 Jahren mal bei 35 Euro eingefroren. Die tatsächlichen Ausgaben liegen mittlerweile knapp über 100 Euro pro Monat.“
Beispielhaft führe die Stadt Veranstaltungen durch, die keinen Eintritt kosten, „um bewusst die Schwelle des Zugangs zu reduzieren. Hier werden wir ergebnisoffen Alternativen diskutieren, gemeinsam mit der Politik und bevorzugt weiterhin sozial ausgewogen“.
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Bei Debatten darüber, Verpflegungsentgelte zu erhöhen oder andere Gebühren, dürfte es nicht ganz so harmonisch ablaufen. Doch so weit ist Norderstedt noch nicht. In diesen Tagen soll vielmehr der Planungsstau aufgelöst werden, der vor dem Haushalts-Beschluss immer länger wurde. „Wir sind jetzt handlungsfähig“, sagt Katrin Schmieder. „Die Kolleginnen und Kollegen sind ganz aufgeregt, und warten auf das ,Go‘ vom Kämmerer, weil sie ihre Themen auf den Weg bringen können, die Stellenausschreibungen gehen raus, die ganzen Auftragsvergaben waren vorbereitet und auf Knopfdruck, auch die großen Planungskosten.“ Es seien „viele große und kleine Schritte“, manchmal „auch ein Schreibtisch“.
Norderstedt: FDP fordert, das Jugendlandheim Lemkenhafen zu verkaufen
Künftig wollen Rathaus und Politik die Finanzfragen enger kommunizieren, ein Arbeitskreis wurde extra eingerichtet. „Nach dem Haushalt ist vor dem Haushalt“, sagte etwa Christoph Mendel (SPD), der in Richtung Oberbürgermeisterin auch ankündigte: „Wir müssen prüfen, welche Stellen wir brauchen und welche nicht, wir werden da weiterhin kritisch draufschauen.“ Das sah Ingrid Betzner-Lunding, Fraktionsvorsitzende der Grünen, ähnlich: „Es muss in der Verwaltung erarbeitet werden, wo Präsenz erforderlich ist und welche Tätigkeiten auch aus dem Homeoffice oder dezentral vor Ort erledigt werden können.“ Das war auch von der CDU zu hören: „Wir wollen keinen weiteren Zuwachs in der Verwaltung, sehen da eine Aufgabe der Oberbürgermeisterin“ (Gunnar Becker).
Was schon heute absehbar ist, ist ein grundsätzlicher Streit um das Jugendlandheim Lemkenhafen. Die FDP wollte, dass bereits die Planungskosten (100.000 Euro) für eine möglicherweise bis zu 30 Milliionen Euro teure Sanierung gestrichen werden, fand aber bis auf die Grünen keine Unterstützung. „Lassen Sie uns lieber die drei Grundstücksflächen schätzen und zu einem guten Preis verkaufen, denn mit dem Erlös können wir hier für Norderstedter Kinder viel mehr bewirken als weiterhin allein jährlich über 60.000 Euro für die notdürftigste Instandhaltung und einen Hausmeister für ein unbewohntes Gebäude zu verschleudern“, sagte Fraktionschef Tobias Mährlein. Fortsetzung folgt, das dürfte sicher sein.