Norderstedt. Tag eins der Teillegalisierung: Was auf Norderstedts Straßen passierte. Und ob Gastronomien künftig Joints erlauben. Ein Überblick.
Ostermontag, der 1. April, ist ganz offiziell der erste Tag, an dem in Deutschland öffentlich gekifft werden darf. Erwachsenen ist es erlaubt, bis zu 25 Gramm Cannabis mit sich zu führen – zu Hause dürfen sie sogar 50 Gramm vorrätig lagern. Zudem macht es das neue Cannabisgesetz, das der Bundestag kürzlich beschlossen hat, möglich, bis zu drei Hanfpflanzen für den Eigengebrauch zu züchten.
Wer nun denkt, dass die Menschen nach dem Osterbrunch in ganz Norderstedt und der Region mit einem neuen Freiheitsgefühl vor die Türen treten, um endlich in der Öffentlichkeit einen Joint durchzuziehen, der täuscht sich gewaltig. Am verregneten Montagnachmittag verirrten sich ohnehin nur wenige Spaziergänger in den Norderstedter Stadtpark – und schon gar nicht, um dort Cannabis zu konsumieren. In Norderstedt-Mitte am U-Bahnhof sowie rund um das Rathaus war es ebenso ruhig.
Cannabis-Legalisierung: Polizei führt keine vermehrten Kontrollen durch
Auch die Polizei im Kreis Segeberg hatte sich auf den Tag der Teillegalisierung nicht gesondert vorbereitet. Auf den Straßen waren keine Beamtinnen und Beamten unterwegs, um etwa die mitgeführten Mengen von Cannabis zu prüfen. „Der einzelne Konsument stand noch nie im Fokus und wird es auch zukünftig nicht“, sagt Sprecherin Sandra Firsching. Die Polizei konzentriere sich vielmehr auf den illegalen Handel und den Schwarzmarkt.
Zumal ist es eines der erklärten Ziele der Ampel-Koalition, die Polizei durch die Entkriminalisierung zu entlasten – und nicht, für zusätzliche Arbeit durch vermehrte Kontrollen zu sorgen. Wie sich die Umsetzung des neuen Gesetzes in der Praxis realisieren lässt, wird sich allerdings erst in den kommenden Wochen zeigen. An Norderstedts öffentlichen Plätzen war jedenfalls vorerst keine Veränderung zu erkennen.
Norderstedts Oberbürgermeisterin hofft auf Bannmeilen
Im Rathaus ist die Legalisierung in diesen Tagen indes ein großes Thema. Allerdings vorrangig, weil nicht klar ist, welche Aufgaben auf die Stadtverwaltung konkret zukommen. Zum Beispiel, wie die Bannmeilen festgelegt werden, ob der 100-Meter-Abstand von Kiffern zu Kitas oder Schulen am Eingangstor beginnt oder erst an der Tür, und wer dies im Zweifelsfall abmisst. Mutmaßlich wäre es sogar möglich, direkt auf dem Rathausmarkt Cannabis zu konsumieren, denn die Grundschule Heidberg ist ungefähr 400 Meter entfernt.
Oberbürgermeisterin Katrin Schmieder gefällt die Vorstellung von Joints vor der Regentrude, dem Wahrzeichen in Norderstedt-Mitte, nicht. „Ich hoffe, dass um bestimmte öffentliche Räume Bannmeilen entstehen. 100 Meter ist bei Schulhöfen und rund um Spielplätze viel zu wenig. Wir diskutieren ja schon, ob das Rauchen von Nikotin vor unserem Rathaus passieren muss. Ich finde das schwierig. Aber es ist Gesetzeslage, wir warten ab, welche Vorgaben die Landesregierung macht, und dann setzen wir es um.“
Norderstedt: „Gehandelt wird an vielen Ecken der Stadt“
Generell würden beim Cannabisgesetz und dessen Auswirkungen „zwei Herzen“ in ihrer Brust schlagen, sagt sie. „Positiv ist, dass offizielle Verkaufsstellen hochwertigeren Stoff versprechen als auf dem Schwarzmarkt. Ansonsten wären die Schäden bei gepanschtem Stoff noch höher. Dass man es im öffentlichen Raum erlaubt, ist ganz ehrlich nicht meins. Vielleicht bin ich da oldschool“, so Schmieder.
Als Sozialdezernentin fiel auch die Jugendarbeit in ihren Bereich, hier gibt es viele Berührungspunkte mit Suchtprävention. Und Schmieder weiß natürlich durch Lageberichte, was in Norderstedt los ist. „Die Realität ist aber auch: Gehandelt wird an vielen Ecken der Stadt, auch geraucht, es wird Stoff, bei anderen Drogen noch viel mehr als bei Cannabis, in einer schlechten Qualität verkauft. Das passiert überall in der Metropolregion, und es ist wirklich dramatisch.“
Zuständigkeit des Ordnungsamtes könnte sich erweitern
Sie betont: „Wir sollten das mit einer Teillegalisierung nicht schön malen, sondern die Menschen aufklären und sagen, dass Cannabis eine Einstiegsdroge ist. In der Jugendarbeit, in den Schulen, in der Prävention, müssen wir so viel mehr machen. Junge Menschen finden nur schwer Unterstützung in psychischen Notlagen – und auf der anderen Seite haben wir eine Freigabe.“
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Möglicherweise werden sich die Zuständigkeiten des Ordnungsdienstes nun erweitern. „Wenn Bannmeilen angehalten werden, oder wenn es Beschwerden gibt, reagieren wir. Aber wir fangen jetzt nicht sofort an“, so die Verwaltungschefin. Was allerdings geplant ist: „Wir werden vielleicht für manche Bereiche Benutzungsordnungen erlassen. Dieses Ziel haben wir für den Willy-Brandt-Park, wenn dort die Sportstätten neu sind, also, dass wir so etwas wie Hausrecht haben. Und ich glaube, wir haben auch im Ossenmoorpark und im Moorbekpark Bereiche rund um die Spielplätze, wo es uns gut zu Gesicht stünde, diese Möglichkeiten zum Schutz zu nutzen.“
Kiffen im Restaurant? Gastronomien dürfen selbst entscheiden
In der Gastronomie wird es jedem einzelnen Restaurant, jeder Bar, Kneipe oder jedem Hotel selbst überlassen sein, ob Kiffen nun geduldet wird oder nicht. Lutz Frank ist nicht nur Betreiber des Restaurants Ihlsee in Bad Segeberg, sondern auch Kreisvorsitzender des DEHOGA (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband). In einer Chatgruppe mit rund 250 anderen Gastronomen und Betreibern aus ganz Schleswig-Holstein hat er eine Umfrage gemacht: Wird ab dem 1. April der Cannabis-Konsum im Raucherraum, auf der Terrasse, im Biergarten erlaubt sein? „Ich habe ungefähr 200 Antworten bekommen. Und 90 Prozent werden es nicht erlauben“, so Frank. „Darunter sind Gasthöfe, Szenelokale, Kneipen und Hotels.“
Nur einige Gastronomen seien noch „am Überlegen“, wenige hätten kein Problem damit, schließlich würden sie auch Zigarren akzeptieren. „Das ist ein ganz klares Ergebnis. Bei mir im Restaurant passt das auch nicht“, sagt Lutz Frank. Auch beim Rauchen von Zigaretten hat das Ausflugslokal übrigens selbst im Außenbereich eine separate Ecke. „Am Tisch wird nicht geraucht.“