Norderstedt. Die Klassen in den weiterführenden Schulen in Norderstedt stehen. Eine Gemeinschaftsschule musste fast die Hälfte der Kinder ablehnen.
Die Anmeldephase für die weiterführenden Schulen in Norderstedt ist vorbei, Eltern mussten gemeinsam mit ihren Kindern entscheiden, welche Lernstätte für ihren Nachwuchs künftig die richtige ist. Dabei überstiegen die Anmeldezahlen teilweise bei weitem die Kapazitäten. Insbesondere die Gemeinschaftsschule Harksheide und die Willy-Brandt-Schule konnten nicht alle Erstwünsche erfüllen, viele Kinder mussten auf andere Schulen verteilt werden.
Insgesamt werden ab diesem Sommer 747 Schülerinnen und Schüler die fünften Klassen der weiterführenden Schulen besuchen. Damit ist die Anzahl der Kinder erneut gestiegen. Im vergangenen Jahr wurden 715 Mädchen und Jungen eingeschult.
Gemeinschaftsschule Harksheide muss Hälfte der Kinder ablehnen
Die Gemeinschaftsschule Harksheide verbucht einmal mehr die meisten Anmeldungen unter allen Norderstedter Schulen. 157 Schülerinnen und Schüler gaben die Schule am Exerzierplatz als Erstwunsch an – knapp der Hälfte musste Schulleiter Rainer Bülck eine Absage erteilen. Seine Gemeinschaftsschule hat nur Platz für 80 Fünftklässler, der Jahrgang ist dreizügig.
Was aber macht die Schule so beliebt in Norderstedt? „Wir gehen einen anderen Weg – das kommt offenbar gut an“, mutmaßt Bülck. An der Gemeinschaftsschule Harksheide gibt es erst ab der achten Klasse Noten. Zuvor geben Lehrkräfte detaillierte Rückmeldungen zu den Kompetenzen der Kinder. Die Schule möchte vor allem deren Eigenverantwortung fördern. „Die Kinder können mehr leisten, als sie denken“, sagt Bülck. So haben sie beispielsweise die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, in welchem Fach sie gerade unterrichtet werden möchten.
Trotz der hohen Anmeldezahlen findet der Schulleiter die Räumlichkeiten ausreichend. „Ich weiß die Vorteile einer überschaubaren Schule zu schätzen“, sagt er. Um den Eltern- und Kinderwünschen aber gerechter werden zu können, hat die Stadt Norderstedt als Schulträger bereits einen Anbau geplant. Angedacht ist, bis zu drei Jahrgänge künftig vierzügig werden zu lassen. „Norderstedt wird immer größer, überall wird gebaut, mehr Kinder kommen in die Stadt“, weiß auch Bülck. Der Mehrbedarf an Räumen sei definitiv gegeben. „Und dem kommen wir natürlich entgegen.“
Willy-Brandt-Schule stößt an Kapazitätsgrenzen
Die Willy-Brandt-Schule, die als einzige der Gemeinschaftsschulen mit einer gymnasialen Oberstufe punktet, hat 136 Anmeldungen erhalten. 122 Schülerinnen und Schüler konnte die Schule annehmen. „Über den Zweit- und Drittwunsch ist der Wunsch, an unsere Schule zu kommen, noch um einiges höher“, sagt Schulleiter Kai Vogel. Um der Nachfrage besser gerecht zu werden, gibt es ab dem kommenden Schuljahr eine zusätzliche Klasse in Jahrgang fünf, dieser wird dann aus fünf statt vier Klassen bestehen.
Mit ihren Kapazitäten stößt die Willy-Brandt-Schule an ihre Grenzen. Ein Proberaum und ein weiterer Fachraum müssen zu Klassenzimmern umgewandelt werden. „Sollten auch im kommenden Schuljahr 2025/26 zusätzliche Klassen eingerichtet werden müssen, benötigt die Schule zusätzliche Räume“, so Vogel. Die Schule befinde sich aber „im guten Gespräch“ mit der Stadt.
Diskussion um „Campus Glashütte“ beeinflusste Anmeldezahlen
Die anderen beiden Norderstedter Gemeinschaftsschulen waren im Vergleich deutlich weniger nachgefragt. Friedrichsgabe bekommt 83 neue Fünftklässler (bei 31 Anmeldungen), die Gemeinschaftsschule Ossenmoorpark werden vom kommenden Schuljahr an nach aktuellem Stand 46 weitere Mädchen und Jungen (bei 26 Anmeldungen) besuchen. Die beiden Schulen nehmen viele Kinder auf, die an den anderen Lernorten keinen Platz bekommen haben.
Die niedrigeren Anmeldezahlen an der Gemeinschaftsschule Ossenmoorpark lassen sich wohl unter anderem auf die wieder entbrannte Diskussion um den Neubau des Schulzentrums Süd zurückführen. Mitten in der Anmeldephase stellte die Politik wegen der enorm gestiegenen Kosten von 145 Millionen Euro das Neubauprojekt „Campus Glashütte“ erneut infrage und ließ eine möglicherweise günstigere Sanierung prüfen. Das ständige Hin und Her könnte einige Eltern bei ihrer Entscheidung beeinflusst haben.
Davon ebenso betroffen ist das Lise-Meitner-Gymnasium, das ebenfalls Teil des Schulzentrums Süd ist und von allen vier Norderstedter Gymnasien die wenigsten Anmeldungen (70) erhielt. „Der Neubau hat weiter einen Einfluss“, sagt Schulleiter Torben Krüger. „Platz wäre für eine vierte Klasse gewesen.“ So wird der diesjährige fünfte Jahrgang wieder dreizügig sein. Dennoch werden mit 74 Schülerinnen und Schülern mehr Kinder als im Vorjahr (58 Anmeldungen) das LMG besuchen.
Norderstedts Gymnasien dürfen jeweils 116 Schüler aufnehmen
Allgemein herrscht an den vier Norderstedter Gymnasien keine derart große Diskrepanz zwischen den Erstwünschen und den vorhandenen Kapazitäten wie etwa an der Gemeinschaftsschule Harksheide. In diesem Jahr gab es nur sechs Anmeldungen, die nicht berücksichtigt werden konnten. Das Lessing-Gymnasium (121 Anmeldungen) musste fünf Kindern eine Absage erteilen, das Gymnasium Harksheide (117 Anmeldungen) einem Kind.
Alle Gymnasien können jeweils maximal 116 Schülerinnen und Schüler aufnehmen. Diese Höchstgrenze hat die Stadt Norderstedt als Schulträger schon im vergangenen Jahr beim schleswig-holsteinischen Bildungsministerium beantragt. Mit dieser Regelung hat die Stadt vor allem auf fehlende Räumlichkeiten reagiert. Zum anderen sollen die Kinder möglichst gleichmäßig auf Norderstedts Gymnasien verteilt werden. Ein Kind abzulehnen, fällt den Schulen trotzdem „sehr, sehr schwer“, wie etwa Marika Peters, Schulleiterin des Lessing-Gymnasiums, sagt. „Das macht emotional etwas mit den Kindern, wenn sie Ablehnung erfahren. Es ist eine Herausforderung für die Eltern, ihnen zu erklären, dass die Absage nichts mit ihnen zu tun hat, sondern mit der Verwaltung.“
Mädchen aus Norderstedt erhielt gleich zwei Absagen
Ein Mädchen aus Norderstedt hat gleich zwei Absagen erhalten. Sowohl das Los am Lessing-Gymnasium, dem Erstwunsch, als auch am Gymnasium Harksheide, der zweiten Wahl, hat gegen die Grundschülerin entschieden. „Das erklären Sie mal einem neun Jahre alten Mädchen“, sagt der Vater, der gern anonym bleiben möchte. „Unsere Tochter fühlte sich, als wolle sie niemand haben.“ Viele Tränen seien geflossen und Erklärungen nötig gewesen.
Der Familienvater findet, Schulen sollten nach weiteren Kriterien ihre künftigen Schüler auswählen – und nicht nur nach Geschwisterkindern gehen und per Losverfahren entscheiden. „Das würde natürlich mehr Arbeit verursachen. Aber ich finde es schwierig, wenn ein Kind von Friedrichsgabe nach Glashütte fahren muss und umgekehrt. Für die Zukunft sollte man überlegen, noch andere Kriterien wie etwa die Wohnortnähe heranzuziehen“, meint er.
Erstklässler-Rekord: Schulen erwarten große Herausforderungen
Der Vater sieht aber auch: Die Stadt musste eine Höchstgrenze einführen, da den Schulen in Norderstedt nicht genügend Räumlichkeiten zur Verfügung stehen. Heike Schlesselmann, Schulleiterin des Coppernicus-Gymnasiums, kämpft schon seit Jahren für mehr Platz an ihrer Schule. „Wir finden es nicht gut, Kinder ablehnen zu müssen. Das ist für alle unbefriedigend“, sagt sie.
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In diesem Jahr gab es 101 Anmeldungen am Coppernicus-Gymnasium, alle Wünsche konnten berücksichtigt werden. Die Schule nimmt insgesamt 110 Schülerinnen und Schüler auf – auch das Mädchen, das zuvor zwei Absagen erhielt. Die Orientierungsstufenleiterin habe sich besonders liebevoll um die Neunjährige gekümmert, berichtet der Vater. „Sie hat alle Hobbys und Interessen unserer Tochter notiert, mit dem Ziel, Klassenkameraden zu finden, die ähnlich sind“, lobt er.
In den kommenden Jahren dürften die weiterführenden Schulen vor noch größeren Herausforderungen stehen als jetzt schon. Die Stadt wächst, immer mehr Kinder wohnen in Norderstedt und wollen beschult werden. In diesem Jahr erreicht die Stadt mit 820 Mädchen und Jungen, die nach den Sommerferien an den Grundschulen eingeschult werden, einen Erstklässler-Rekord. Schon 2023 haben 818 Kinder ihre Schullaufbahn in Norderstedt begonnen. In vier Jahren werden sie dann einen Platz an den vier Gemeinschaftsschulen und vier Gymnasien der Stadt suchen.