Norderstedt. „KnastLandFluss“ und „Huhn in Handschellen“: Was für besondere Produkte die Gefangenen der JVA Glasmoor in Norderstedt herstellen.
- Häftlinge der JVA Glasmoor produzieren Spiele, Kleidung und andere Produkte im Knast.
- Die Arbeit soll die Resozialisierung der Insassen fördern.
- Bestseller sind die Spiele „Alaarm“ und „KnastLandFluss“ sowie das Kochbuch „Huhn in Handschellen“.
Ein „Mensch ärgere Dich nicht“-Spiel andersherum: Eines, bei dem man nicht ins Ziel kommen muss, sondern es Ziel ist, auszubrechen. Gewissermaßen Ausdruck des Wunsches nach Freiheit. „Alaarm“, wie das Spiel genannt wird, klingt nach einer innovativen Idee der Spieleindustrie. Stattdessen waren es Häftlinge, die das Spiel entwickelt haben. Wie bitte? Ein Spiel, bei dem man aus dem Gefängnis ausbrechen soll, von Gefangenen selbst erarbeitet?
Das Spiel ist Teil der Produktpalette des Projekts „Santa Fu – Heiße Ware aus dem Knast“. Die Kollektion bricht mit Strafvollzug-Klischées, indem sie ihn humorvoll thematisiert. Gefangene der Justizvollzugsanstalt (JVA) Glasmoor produzieren die Produkte, die anschließend online verkauft werden.
Gefangene produzieren die Ware größtenteils selbst
Neben dem Spiel „Alaarm“ gibt es auch das Spiel „KnastLandFluss“, dem Spieleklassiker „StadtLandFluss“ nachempfunden. Zudem gehören Shirts, beispielsweise mit den Aufdrucken „Unschuldig“, „Auf Bewährung“, „Wieder frei!“, „Ich will hier raus!“, „Lebenslänglich“, „Schuldig“ oder „Freigänger“, zum Produktsortiment. Das Besondere daran ist, dass Insassen der JVA Glasmoor die Produkte größtenteils selbst herstellen.
Justizvollzugsbeamte Melanie Möller zufolge wird die Rohware angeliefert und von den Insassen in der gefängniseigenen Werkstatt mithilfe einfacher Hilfsmittel verarbeitet. Sie bügeln beispielsweise selbst, stempeln, verpacken Ware und vernähen Verpackungen. Die Justizvollzugsbeamte Möller leitet momentan die Insassen bei ihrer Arbeit an. Derzeit arbeiten drei Gefangene in der Werkstatt.
Arbeit erfordert Sorgfalt und handwerkliches Geschick
Es handele sich um einen ruhigen Arbeitsplatz in der JVA, sagt Möller. Im Unterschied zu anderen Arbeitsorten, wie beispielsweise der gefängniseigenen Fertigung, arbeitet dort lediglich eine kleine Gruppe, man habe nicht so viele Kontakte zu anderen.
Deshalb sei es laut Möller wichtig, dass es auch zwischenmenschlich zwischen den Insassen, die hier zusammenarbeiten, passe. Sie bestätigt aber auch, dass dies derzeit der Fall sei: „Die sind gerne hier“. Die drei Insassen, die momentan dort arbeiten, lobt sie insbesondere: Sie „machen das wirklich, wirklich gut“. An diesem Arbeitsplatz seien diese Form der Wertschätzung und das selbständige Arbeiten besonders.
Für die Tätigkeit müssen die Gefangenen nicht nur die nötige Teamfähigkeit, sondern auch ein gewisses handwerkliches Geschick und eine sorgfältige Arbeitsweise mitbringen, erklärt die stellvertretende Leiterin der JVA Glasmoor Sabine Schnabel. Eine Ausbildung sei allerdings nicht notwendig, die Insassen werden angelernt.
Arbeit soll auf Leben in Freiheit vorbereiten
Die Arbeit sei „resozialisierungsfördernd“, erklärt Schnabel. Für viele Insassen sei es das erste Mal, dass sie einen strukturierten Tagesablauf haben. Zudem gebe die Tätigkeit ihnen Selbstvertrauen, sie können eigenes Geld verdienen und werden fit für den Arbeitsmarkt draußen. Das Ziel jeder Art von Arbeit während des offenen Vollzugs sei es, dass die Gefangenen nach der Entlassung ihren Lebensunterhalt legal verdienen können und somit nicht wieder straffällig werden. Die Arbeit im Vollzug „bietet das Sprungbrett“ für eine normale Arbeitstätigkeit, sagt Schnabel. Im Vordergrund stehe dabei das Ziel, die Gefangenen auf ein Leben in Freiheit vorzubereiten.
Das Projekt ist vor rund 17 Jahren in der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel entstanden. In „kreativen Zellen“ haben Gefangene selbst die „Ideen entwickelt, was man da machen könnte“, zusammen mit Ideengebern von draußen, erzählt die stellvertretende JVA-Leiterin. Mittlerweile hat die Justizvollzugsanstalt Glasmoor das Projekt in der Hand.
Hohe Mauern, Zäune und Stacheldraht sucht man in der Justizvollzugsanstalt Glasmoor vegebens. Denn dort sind nur Gefangene, bei denen keine Flucht- und Missbrauchsgefahr, also die Gefahr, neue Straftaten zu begehen, besteht. Die Insassen sitzen aufgrund von verschiedensten Delikten unterschiedliche Strafen in der JVA ab. Neben der Arbeit gibt es auch andere Maßnahmen, die zur Resozialisierung beitragen sollen. Darunter beispielsweise therapeutische Maßnahmen oder Schuldenregulierung.
Strafvollzug wird auf eine besondere Art und Weise thematisiert
Eine Besonderheit des Projekts „Santa Fu – Heiße Ware aus dem Knast“ ist, dass ein Teil des Erlöses an die Hilfsorganisation „Weißer Ring“ gespendet wird. Diese hilft Opfern von Straftaten. Bei der Arbeit der Gefangenen handele es sich also gewissermaßen um eine „Wiedergutmachung“, eine Arbeitsleistung „für die andere Seite“, bekräftigt Schnabel.
Der humorvolle, ironische Umgang mit dem Thema Strafvollzug sei von Anfang an gewollt gewesen. Dies erkenne man bereits am Slogan „Santa Fu – Heiße Ware aus dem Knast“, erklärt die stellvertretende JVA-Leiterin. Die Produkte sollen nicht nur „ansprechend sein“, sondern auch „mit einem Augenzwinkern“ verstanden werden, bekräftigt sie darüber hinaus.
Zwar könne sie nicht beurteilen, ob dadurch Vorurteile abgebaut werden, allerdings hält Schnabel es für möglich, dass dadurch ein „Bewusstsein für den Vollzug“ erzeugt werde. Strafvollzug sei „mehr als Wegsperren und Strafverbüßung“, sagt Schnabel. Es gehe darum, dass Gefangene sich wieder in die Gesellschaft eingliedern wollen. Schnabel fände es „sehr erfreulich, wenn das so wahrgenommen wird“.
Produkte kommen bei Kundinnen und Kunden gut an
Was allerdings in jedem Fall positiv aufgenommen wird, sind die Produkte. Von Kundinnen und Kunden komme positive Resonanz, „dass die die Produkte toll finden“, sagt Schnabel. Viele würden immer wieder bestellen. Die Bestellungen kommen aus ganz Deutschland, teilweise auch aus dem europäischen Ausland.
Die Produktideen entwickelt eine Arbeitsgruppe bestehend aus der Anstaltsleitung, der Wirtschaftsinspektorin, die für die kaufmännische Betreuung zuständig ist, und einer, für das Projekt fest angestellten Mitarbeiterin, selbst. Aber auch Ideen von den Insassen werden aufgenommen.
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Bestseller seien neben Spielen wie „Alaarm“ oder „KnastLandFluss“ auch das Kochbuch „Huhn in Handschellen“, mit Tipps von Tim Mälzers Mutter Christa Mälzer. Auch das Notizbuch „Tage- und Nächtebuch“ aus originalem Matratzenstoff der JVA oder das Handtuch mit dem Aufdruck „Strafvollzug“ verkaufen sich gut, berichtet Schnabel. Viele der Produkte seien dabei auch beliebte Geschenke.