Norderstedt. Stadt braucht pro Jahr 200 Plätze und will weitere „Norderstedter Modelle“ errichten. Zwei Flächen stehen im Fokus.
Im Rathaus von Norderstedt und in den politischen Fraktionen der Stadtvertretung kennt man die schwierige geopolitische Lage: Auch langfristig wird die Stadt, genau wie jede andere Kommune in Deutschland, Menschen bei sich aufnehmen müssen, die ihre Heimat wegen Krieg, Unterdrückung oder Armut verlassen haben und als Flüchtlinge beziehungsweise Asylsuchende in die Bundesrepublik gekommen sind. Das verdeutlichen die aktuellen Zahlen aus dem Sozialamt. Die Stadtverwaltung reagiert und plant zwei weitere große Unterkünfte in Norderstedt.
Laut Verwaltung ist die Anzahl jener Menschen, die „städtisch untergebracht sind“, im Vorjahr gegenüber 2022 weiter gestiegen. Zum Stichtag am 31. Dezember 2023 waren es 1596 Personen. Davon seien 1465 als Flüchtlinge eingestuft, weitere 131 gelten als obdachlos. „Unterstützt wurde dieser Anstieg in der zweiten Hälfte des Jahres durch eine saisonbedingte Zunahme der Zugänge im Bereich der Flüchtlinge beziehungsweise Asylbewerber*innen“, heißt es. Im Vergleich: Im Dezember 2013 lebten in städtischen Unterkünften tatsächlich noch weniger als 200 Personen.
Norderstedt: Stadt plant zwei neue Standorte für Flüchtlingsunterkünfte
Heute kommen nur noch wenige Ukrainerinnen und Ukrainer nach Norderstedt. Im Gegensatz allerdings zu anderen Ländern. „Die drei zugangsstärksten Herkunftsländer sind dabei Syrien, die Türkei und Afghanistan.“ Generell hätten beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge über 50 Prozent mehr Menschen Anträge gestellt als noch 2022.
Eine Trendwende sei „nicht absehbar“, so das Sozialamt. „Auch wenn aktuell fast zwei Prozent der Norderstedter Wohnbevölkerung in städtischen Unterkünften untergebracht ist, muss mit einem weiteren Anstieg der Unterbringungszahlen gerechnet werden.“ Die zunehmend dichtere Belegung, darunter auch die Zusammenführung von Bewohnern, die zuvor alleine wohnten, „führt zunehmend zu Problemen“.
Es werden Gemeinschaftsunterkünfte, Wohnungen und gemietete Hotels genutzt
Aktuell betreibe die Stadt 17 dezentrale Unterkünfte „mit sehr unterschiedlichen Platzzahlen“, hinzu kommen Einzelwohnungen, sowohl angemietet als auch in städtischem Besitz, darunter seien ein Dutzend „Probewohnungen“. Ebenso sind weiterhin zwei Hotels angemietet, eines davon ist der Norderstedter Hof am Glashütter Markt. „Dadurch ist es weiterhin gelungen zu vermeiden, dass für die Unterbringung deutlich weniger geeignete Objekte, wie beispielsweise Turnhallen oder Mensen, belegt werden mussten.“
In den letzten Jahren investierte Norderstedt einen zweistelligen Millionenbetrag für zahlreiche Neubauvorhaben. Darunter ist einerseits die Obdachlosenunterkunft am Langenharmer Weg, doch die weiteren Projekte sind eine Reaktion auf den Druck durch die gestiegenen Flüchtlingszahlen. 2022 konnten sowohl am Aurikelstieg als auch am Harkshörner Weg sogenannte „Mobilgebäude“ beziehungsweise ein Wohnhaus nach dem „Norderstedter Modell“ bezogen werden. 2023 folgten eine Gemeinschaftsunterkunft an der Lawaetzstraße sowie ein Neubau im Garstedter Dreieck (ebenso „Norderstedter Modell“). In Summe: 14 Gebäude.
14 Gebäude wurden in den letzten Jahren gebaut
Das wird allerdings nicht ausreichen. Und so gab die Politik im Zuge der Verhandlungen über den Doppelhaushalt 2024/2025 Geld frei, um weitere Standorte zu planen. Im Januar wurde mit knapper Mehrheit beschlossen: Es stehen in diesem und im nächsten Jahr 2,5 Millionen Euro zur Verfügung – Planungskosten vorerst, wohlgemerkt. Und zwar für Projekte nach dem „Norderstedter Modell“, also Wohnhäuser mit 100 Prozent geförderten Wohnungen. Diese stehen nicht nur Flüchtlingen zur Verfügung, sondern sämtlichen Personengruppen, die große Probleme haben, auf dem Markt eine Bleibe zu finden: Senioren etwa, Studenten oder Azubis, Alleinerziehende, Bewohnerinnen von Frauenhäusern, Geringverdiendende. Die Liste ist lang.
In der Vergangenheit hatte hier die städtische EGNO (Entwicklungsgesellschaft Norderstedt) als Bauträger fungiert, ehe diese Praxis 2022 politisch gestoppt wurde. Auch heute noch sieht die CDU die Rolle der EGNO in diesem Zusammenhang eher kritisch, auch den Begriff „Norderstedter Modell“ würde die Union gerne durch „serielles Bauen“ ersetzen. Auch weitere Eckpunkte könnten noch zur Debatte stehen, etwa die 50/50-Aufteilung.
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Doch dass etwas passieren muss, da sind sich fast alle einig. Und im Februar wurde es dann konkret. Auf SPD-Antrag ging der Auftrag an die Verwaltung, zwei Standorte mit Priorität zu prüfen. Der eine ist bekannt, es ist die brachliegende Fläche an der Lawaetzstraße, wo sich einst bereits eine Unterkunft befand, ehe diese 2021 abbrannte.
Norderstedt: Planungen für Fläche gegenüber SOS-Kinderdorf laufen
Die zweite war in den letzten Monaten immer mehr ins Gespräch gekommen. Sie befindet sich ganz im Norden der Stadt, am Henstedter Weg, direkt gegenüber liegt das SOS-Kinderdorf. Beide Areale sind in öffentlicher Hand, das vereinfacht die Planung. Weitere Details, auch zum Zeitablauf, stehen noch nicht fest. Das Rathaus hatte indes schon öffentliche Informationsveranstaltungen angekündigt. Der Druck wird bis dahin steigen. „Um die uns zur Unterbringung zugewiesenen Personen weiterhin gut unterzubringen, sollten wir in den kommenden Jahren die Errichtung von circa 200 Plätzen pro Jahr fest einplanen“, auch das teilte das Sozialamt im Februar mit.
Und: „Nur so erscheint es aus heutiger Sicht realistisch, dass wir in absehbarer Zeit wieder auf die Anmietung insbesondere der beiden Hotels (aber auch anderer teurer Unterkünfte) verzichten können und auch das ehemalige Schulgebäude Fadens Tannen endlich leer ziehen können.“ Ansonsten dürfte sich an diesem Ist-Zustand kaum etwas ändern: „Hier vor Ort treffen die Menschen auf einen Wohnungsmarkt, der die aktuelle Nachfrage nach Wohnraum nicht befriedigen kann. Eine Verbesserung dieser Situation ist nicht in Sicht, vielmehr erscheint eine weitere Verschärfung der Situation wahrscheinlich.“