Norderstedt. Katrin Schmieder ist die neue Oberbürgermeisterin von Norderstedt. Im Abendblatt spricht sie über ihre ersten Herausforderungen.
Im November hat sie die Wahl gewonnen, vor Weihnachten wurde sie in der Stadtvertretung als neue Oberbürgermeisterin von Norderstedtvereidigt – und am 10. Januar hatte Katrin Schmieder ihren ersten Arbeitstag als Chefin der Stadtverwaltung. Die bisherige Sozialdezernentin ist nicht nur Vorgesetzte von rund 1300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sondern durch ihr Amt auch zuständig für die Belange von über 84.000 Einwohnerinnen und Einwohnern.
Beim Neujahrsempfang am Sonntag, 21. Januar, in der TriBühne (Einlass: ab 10 Uhr; Beginn: 11.30 Uhr) ist die 55-Jährige erstmals Gastgeberin, wird dort in einer Ansprache ihre Ideen für Norderstedt präsentieren. Vorher hat das Abendblatt sie zum Interview getroffen – über die ersten Arbeitstage, ihr Verhältnis zur Politik, die Haushaltsverhandlungen und Themen wie die öffentliche Sicherheit oder das 151-Millionen-Projekt Campus Glashütte.
Norderstedt: Katrin Schmieder – die neue Oberbürgermeisterin im großen Interview
Frau Schmieder, was hat sich in den ersten Tagen als Oberbürgermeisterin für Sie verändert?
Ich habe noch mehr Lust, zur Arbeit zu gehen. Die Kolleginnen und Kollegen, die nicht in meinem bisherigen Dezernat sind, begegnen mir noch einmal neu, es ist eine andere Perspektive. Die Tage sind unendlich voll, aber das ist auch meinem hohen Anspruch geschuldet, ich wollte schnell ins Handeln kommen. Heute hatte ich einen Termin mit dem Personalrat, der war auf eine Stunde angesetzt, dauerte dann aber doch zwei Stunden.
Haben Sie eine Idee, wie viele Stunden ihre Arbeitswochen haben werden?
Das kann ich zurzeit noch nicht sagen. Als Dezernentin war es schon sportlich, weil ich vier Fachausschüsse, den Hauptausschuss und die Stadtvertretung mitbegleitet habe. In Zukunft habe ich ja ‚nur noch‘ Hauptausschuss und Stadtvertretung, aber es kommen neue Aufgaben dazu. Es gibt noch die Doppelbelastung mit dem Dezernat II, die Antrittstermine. Ich bin froh, wenn wir Ostern angekommen sind mit einem beschlossenen Haushalt, einem guten Gefühl für das Haus, mit allen Feuerwehrterminen, den Neujahrsempfängen.
Wann wird Ihre Nachfolge im Dezernat geklärt sein?
Die Personalentscheidung wird voraussichtlich am 26. März in der Stadtvertretung fallen. Dann hängt es davon ab, mit welcher Geschwindigkeit die neue Stelleninhaberin oder der neue Stelleninhaber die alte Tätigkeit aufgeben kann. Als wir noch nicht so viel Druck auf das Verfahren gemacht haben, habe ich gesagt, zum 1. Oktober. In der Regel muss jemand auch Gespräche mit seinem Arbeitgeber führen und Kündigungszeiten einhalten. Je schneller, desto besser.
Inwieweit haben Sie selbst Einfluss auf die Besetzung?
Direkt habe ich keinen Einfluss. Das entscheidet die Stadtvertretung, es ist ein demokratischer Prozess. Ich hoffe, dass sich die Politik aus der durchaus guten Bewerberlage, die ich schon kenne, jemanden aussucht, der Norderstedt guttut.
Verhältnis zwischen OB und Politik: „Harmonie ist zu rosa“
Was lag zuerst auf Ihrem Tisch? Hatten Sie schon eine Neueinstellung oder ein Bewerbungsgespräch?
Die Einstellungen, die wir hatten, waren zum 1. Januar, also zu Zeiten von Frau Roeder. Heute habe ich Urkunden unterschrieben von ehrenwerten Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr, die aus dem aktiven in den Ehrendienst gehen. Inhaltlich sind wir sofort eingestiegen – Haushalt, Haushalt, Haushalt. Am ersten Tag habe ich zudem mit den Mitarbeitenden gesprochen, und ich war auf dem Neujahrsempfang des Hamburger Abendblatts, wo ich sofort die Gelegenheit hatte, mit Daniel Günther in den Austausch zu gehen.
Täuscht der Eindruck, oder ist Ihr Verhältnis zur Politik relativ harmonisch?
Am Montag hatte ich die Fraktionsvorsitzenden eingeladen, um mit ihnen in einen regelmäßigen Gesprächsrhythmus zu kommen, auch außerhalb der Gremien. Harmonie ist zu rosa. Wenn wir eine gute, vertrauensvolle Zusammenarbeit haben, ist das wichtiger. In der Sache können und müssen wir diskutieren, um voranzukommen und einen Konsens zu finden. Es herrscht eine Aufbruchstimmung, nicht nur im Haus, auch mit der Politik.
Die Politik hat Ihnen aufgetragen: Der städtische Doppelhaushalt muss für 2024 und 2025 je 10 Millionen Euro Überschuss erzielen. Haben Sie schon Sparideen?
Unser Kämmerer Jens Rapude hat skizziert, dass wir bis März nicht so kleinteilig in Einzelmaßnahmen einsteigen können. Das hat die Politik auch nachvollzogen, denke ich. Wir werden für 2024 eher pauschale Abstriche machen. Ob das reicht, müssen wir im laufenden Jahr sehen. Es wird uns nötigen, wenn wir so weit runtergehen, auch Dinge nicht zu machen. Wichtig wäre, den Stellenplan durchzubekommen. Für 2025 hoffe ich, dass wir Themenblöcke identifizieren, um Eingaben, Ausgaben, Pläne, Veranstaltungen gemeinsam zu hinterfragen. Und: Was bauen wir wann in welcher Reihenfolge, mit Kostendeckel oder nicht?
Welche Auswirkungen hat es denn, dass Norderstedt noch keinen gültigen Doppelhaushalt hat?
Es verzögert sich alles. Vor zwei Jahren bin ich unter gleichen Bedingungen gestartet. Wenn man es im Kleinen sieht: Ich ziehe mit meinem Schreibtisch aus dem alten ins neue Büro, weil wir keine Anschaffungen machen, die nicht zwingend notwendig sind. Wir zahlen auch keine freiwilligen Leistungen, die nicht vertraglich vereinbart sind. Für das Ulzburger Straßenfest können wir keinen Auftrag vergeben, 2022 war es die Ferienpassaktion in den Osterferien, für die keine Verträge geschlossen werden konnten.
Verzögerung beim Haushalt: „Es war nicht der Moment, in dem alle Kompromisse suchen konnten“
Wie konnte es dazu kommen?
Die Besonderheit war, dass wir erst im Sommer den Wechsel in der Kommunalpolitik hatten und wir zu der Zeit den Haushaltsentwurf aufgestellt haben. Und in dem kleinen Zeit-Slot zwischen Sommer- und Herbstferien haben sich die Fraktionen gefunden, und dann waren wir im OB-Wahlkampf. Es war nicht der Moment, in dem sich alle annähern und Kompromisse suchen konnten.
Noch einmal zum beliebten Ulzburger Straßenfest: Können Sie als OB nicht die Agentur selbst beauftragen? Bis zu einem gewissen finanziellen Rahmen haben sie doch eine Befugnis.
Das ist ein Betrag, der die 100.000 Euro überschreitet. Es gibt immer Situationen, die darunter leiden, dass wir den Haushalt nicht verabschiedet haben. Für mich gibt es keine Möglichkeit, eine Ausnahme zu machen.
Was wollen Sie im Rathaus ändern im Vergleich zu ihrer Vorgängerin? Wollen Sie den Bürgerservice verbessern?
Auf jeden Fall. Im letzten Jahr kamen die Menschen nur bis in die Zwischenetage. Jetzt ist das Rathaus offen. Wir werden intern auf unsere Prozesse schauen, dass Mitarbeitende auch erreichbar sind. Wie lange war das Rathaus zu? Gefühlt dreieinhalb Jahre. Wir haben Kolleginnen und Kollegen an Bord, die noch nie Bürgerkontakt hatten. Wir werden uns Schritt für Schritt weiter auf den Weg machen, die Menschen im Rathaus und an unseren anderen Kontaktstellen gut zu begleiten.
Kommt die Norderstedt-App?
Ich gehe davon aus, dass wir es in den sechs Jahren meiner Amtszeit schaffen. Ich finde es charmant. Wir brauchen eben einen guten Mix zwischen denen, die digital nicht so affin sind und denen, die richtig Lust haben. Da sind Digitalisierung, Pressestelle und Hauskommunikation gefordert, wie wir die Menschen erreichen.
Oberbürgermeisterin will weiterhin auf Instagram Einblicke geben
Auf Social Media sind sie selbst aktiv. Werden Sie weiterhin etwa über Instagram ansprechbar sein?
Ich beantworte dort alle Dinge relativ zeitnah, verweise aber auch häufig darauf, dass sie es an meine Mailadresse oberbuergermeisterin@norderstedt.de schicken, damit ich es weiterleiten kann. Aber ich pflege den Kanal nicht mehr in der Intensität wie im Wahlkampf, das schaffe ich gar nicht. Ich wiederhole dort auch keine städtische Kommunikation, sondern gebe eher persönliche Eindrücke wieder.
CDU und SPD haben die Verwaltung aufgefordert, für den „Campus Glashütte“ noch einmal Sanierung und Neubau gegenüberzustellen. Muss das Projekt, das mehr als 150 Millionen Euro kosten soll, neu bewertet werden?
Es gibt einen Beschluss, dass wir bauen. Wir hatten im letzten Jahr keine Preissteigerung, die nicht schon beschlossen ist. Wenn man es im Gesamtkontext der notwendigen städtischen Investitionen betrachtet, hat jedes Projekt seine Berechtigung, hinterfragt zu werden. Die Bausumme ist für die Stadt beeindruckend, und wir haben diesen hohen Haushalts-Druck. Es macht uns ein bisschen Arbeit, aber das gehört dazu. Es hat mich weniger erschreckt als die Schulgemeinschaft.
Könnte der Bau in diesem Jahr beginnen?
Wir haben erst einmal die Auslegung des Bebauungsplans, vorher können keine Vergabeverfahren beginnen. Wenn alles gut läuft, könnten wir Erdarbeiten und Rodungen sicherlich schon machen. Aber ich bin da vorsichtig.
Bleiben wir bei der Bildung. Norderstedt will Beschäftigen in den Kitas höhere Gehälter zahlen. Stimmt es, dass das Innenministerium diese Höherstufung noch prüft, oder ist alles rechtssicher?
Wir haben keine Rückmeldung bekommen, dass sich jemand beschwert. Wir fühlen uns da sicher. Ich weiß, dass andere Kommunen es auch prüfen, und dass die not amused sind, und das kann ich verstehen. Aber wir im Umland stehen alle unter Druck von Hamburg.
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Gab es bereits einen Effekt?
Ich hatte nach dem Beschluss unsere Kitas angeschrieben und auch andere Träger informiert. Die Reaktionen waren super, es haben Leute gesagt, dass sie dann auch hierbleiben. Anfang des Jahres hatten wir zum ersten Mal seit langer Zeit alle ausgeschriebenen Stellen im Kita-Bereich besetzt. Unsere Fachbereichsleitung für Kindertagesstätten, Herr Gevers, hat so viel bewegt in Sachen Attraktivität und bei der Vergütung, dass wir das kurz gefeiert haben.
Mehr Sicherheit an Bahnhöfen im Norderstedt: Umsetzung bis nächsten Herbst?
Bei der öffentlichen Sicherheit scheinen Verwaltung und Politik jetzt an einem Strang zu ziehen, der Streit über Befugnisse ist beigelegt. Was ist ein realistischer Zeithorizont für die Installation der Kameras und den Einsatz des Sicherheitsdienstes?
Von den Formalitäten hat sich keiner abhalten lassen. Da es Verwaltungshandeln ist, wird hieran bereits gearbeitet. Wir sind in der Abstimmung mit der Polizei, dem Management des Herold-Centers, der Hochbahn. Wir brauchen aber einen Haushalt, einen Anbieter, für den wir gegebenenfalls ausschreiben müssen. Vielleicht ergeben sich schnellere Wege, wenn man es mietet. Wenn wir es bis zum nächsten Herbst haben, wenn es anfängt, wieder dunkel zu werden, wäre ich froh.
Haben Sie sich einen Zeitpunkt gesetzt, an dem Sie sich für Ihre Arbeit messen lassen wollen?
Der 10. Januar 2024. Ich werde jeden Tag gemessen. Es fängt damit an, wie ich gestartet bin, was habe ich in Interviews erzählt, wen nehme ich mit. Das macht mir auch keine Angst, ich wusste, worauf ich mich einlasse. Ich gucke nach vorne, weigere mich konsequent, zurückzugucken, bin nicht nur Optimistin, sondern will auch die Zukunft gestalten.