Henstedt-Ulzburg. Streit um mögliches Neubaugebiet in Henstedt-Ulzburg flammt wieder auf. Warum der Beckershof auch heute noch so polarisiert.
Es ist, verglichen mit anderen geplanten Ausgaben, nur ein kleiner Posten im Finanzplan von Henstedt-Ulzburg. Doch manche in der Politik horchen sofort auf, wenn sie hiervon lesen. 150.000 Euro Planungskosten waren für den „Beckershof“ zunächst vorgesehen, letztlich einigte man sich auf 50.000 Euro, die im Haushalt enthalten werden sollen. Für Wolfgang Sievers, bürgerliches Fraktionsmitglied bei der WHU, ist schon das zu viel. „Beckershof, das bedeutet den Ruin für die Gemeinde“, sagt er.
Und ist mit dieser Meinung nicht allein. Seitdem im vergangenen Herbst überraschend wieder eine Grundsatzdiskussion über die Entwicklung der umstrittenen Fläche zwischen AKN und A7 losgetreten worden war, rumort es nämlich im Ort. Zur Erinnerung: Im November ging es darum, dass die Gemeinde eine offizielle Stellungnahme abgeben sollte über die Aufstellung der Regionalpläne in Schleswig-Holstein. Diese Grundsatzpapiere sollen langfristig festlegen, wie sich Städte und Gemeinden weiterentwickeln, sei es beim Gewerbe, neuen Wohnquartieren oder auch im Naturschutz.
Beckershof: Landesregierung schlägt Fläche für „verdichtete Wohnbebauung“ vor
Und siehe da: „In unmittelbarer Nähe zum Bahnhaltepunkt ,Ulzburg-Süd‘ liegen Flächen, die für eine verdichtete Wohnbebauung geeignet sind“, befand die Landesregierung. Also im Bereich Beckershof. Kommunalpolitisch war das einst toxisch. Vor fast 20 Jahren fand in Henstedt-Ulzburg ein folgenschwerer Ideenwettbewerb statt, für bis zu 3000 Menschen sollte neuer Wohnraum entstehen, also ein neuer Ortsteil. Die meisten Menschen fanden das aber überhaupt nicht verheißungsvoll, sondern straften bei der Kommunalwahl 2008 die CDU ab, während die WHU stärkste Kraft wurde.
Eine Bebauung des Beckershof schien also für alle Zeiten erledigt. Doch mittlerweile verschiebt sich das wieder ein wenig. Der Wohndruck, also der Bedarf insbesondere an günstigen Wohnungen, ist in Henstedt-Ulzburg groß, wie überall im Hamburger Umland. Und da sich die Bevölkerung über die Jahre durch Zuzüge sowieso verändert hat, gibt es tatsächlich immer mehr Politiker, die vorsichtig davon ausgehen, dass die Akzeptanz für eine Bebauung zumindest nahe des Bahnhofs vorhanden wäre. Auch Bürgermeisterin Ulrike Schmidt hatte Ende Dezember 2023 im Abendblatt-Interview gesagt: „Die Wohnungsnot macht es notwendig, dass wir darüber nachdenken.“
Henstedt-Ulzburg: WHU zählt mehr als 1000 geplante Wohneinheiten im Ort
Nachprüfbar ist momentan nicht, ob die Bürgerinnen und Bürger mehrheitlich einverstanden wären. Doch Wolfgang Sievers, der seit 1977 in der Gemeinde lebt, stellt, wie auch die WHU, die Sinnfrage. Sorgfältig hat er aufgelistet, wo in Henstedt-Ulzburg derzeit gebaut wird, was noch geplant ist, in welchen Fällen es sich um eine Nachverdichtung handelt und damit um „natürliche Innenentwicklung“ und wo um eine „gesteuerte Innenentwicklung“, wie er es nennt.
Sievers und seine Fraktion kamen auf 203 Wohneinheiten in bestehenden Bebauungsplänen. Ein Beispiel: Das Vorhaben von Manke südlich der Pinnauwiesen, wo 26 Reihenhäuser und 14 Doppelhaushälften entstehen. 819 weitere Wohneinheiten, so Sievers, gehören zum Bereich der gesteuerten Innenentwicklung. Teilweise wird hier längst gebaut, etwa am Bahnbogen, andere Projekte wie an der Götzberger Straße werden noch dauern, das gilt erst recht für die Wagenhuber-Fläche, wo der Bauträger Insolvenz angemeldet hat.
„Wir brauchen kleinen, geförderten Wohnraum“
Dennoch: Dass pauschal Wohnraum gebraucht werde, sieht Wolfgang Sievers anders. „Wir brauchen kleinen, geförderten Wohnraum. Alles andere, den Beckershof, brauchen wir aus meiner Sicht nicht.“ Zwar sei auch ihm bekannt, dass große Unternehmen, die in den Ort investieren und Arbeitsplätze schaffen (wie Rewe oder Boeing), von der Gemeinde hier mehr Tempo wünschen, damit die Mitarbeitenden hier leben können. „Aber warum ist die Gemeinde dafür zuständig, warum gibt es keine Mitarbeiterwohnungen mehr? Ich sehe nicht, dass Henstedt-Ulzburg in der Verpflichtung ist.“
Auch die Idee, nur einen kleinen Teil des Beckerhofs zu bebauen, teilt er nicht. „Ein bisschen Beckershof geht nicht“, sagt er, „wenn man die großen Infrastrukturkosten sieht.“ Sievers meint soziale Infrastruktur, etwa Schulen und Kitas. „Diese Folgekosten sind nicht zu stemmen.“ Sievers zitiert einen der Manke-Brüder: „Beckershof ist eine Nummer zu groß für Henstedt-Ulzburg.“
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Henstedt-Ulzburg: Beckershof mit neuem Autobahnanschluss?
Karin Honerlah, Fraktionschefin der WHU, hatte es kürzlich so formuliert. „Reichen die Plätze in Kindertagesstätten und Schulen aus? Sind die Straßen dem unvermeidlich zunehmenden Verkehr gewachsen. Nicht zuletzt der Dauerstau auf der Hamburger Straße zeigt uns, dass die Infrastruktur den jetzigen Gegebenheiten schon nicht mehr genügt.“ Eine gezielte Innenentwicklung sei aus Sicht der WHU „wichtig, um dringend benötigten Wohnraum zu schaffen“. Neue Bebauung sollte sich aber in die Umgebung einpassen. Ein Wohngebiet Beckershof lehne man auch ab, da dieses einen Eingriff in die Natur bedeute.
In der Bevölkerung ist es Wolfgang Sievers noch etwas zu leise. Vielleicht komme der Aufschrei, wenn es um das Thema „Verkehr“ gehe. CDU, FDP, SPD und BfB hatten bei ihrer Zustimmung für die Regionalpläne bereits gesagt, dass man im Falle einer Beckershof-Entwicklung auch einen Autobahnanschluss benötige. Das sei „von besonderer Bedeutung, um die innerörtliche Verkehrssituation zu entzerren“. Die Nachbargemeinde Alveslohe ist allerdings strikt dagegen, dass die Kadener Chaussee zum vielbefahrenen Zubringer wird. Und eine westliche Umgehungsstraße zu bauen, dürfte am Widerstand aus Kiel scheitern.