Norderstedt/Kaltenkirchen. 73-Jähriger stand wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern vor dem Jugendschöffengericht Norderstedt. Eine Familientragödie.

Der Prozess vor dem Jugendschöffengericht Norderstedt verzögert sich an diesem Montagmorgen. Eine Schöffin fällt aus, eine andere springt ein, sie muss aber noch den ganzen Weg von Poppenbüttel bis nach Norderstedt zurücklegen. Und so sitzen die Richterin Claudia Naumann und die übrigen Prozessbeteiligten nun lange schweigend im Raum und warten. Auch der 73-jährige Angeklagte aus Kaltenkirchen und sein Verteidiger.

Ein Bildschirm ist in einer der Ecken des Saales C im Amtsgericht aufgebaut. Darauf zu sehen das Standbild einer jungen Frau. Sie sitzt, sichtlich unwohl, an einem Bürotisch in irgendeinem Nebenraum des Gerichtes, vor sich ein Mikrofon. Die junge Frau ist eines der Opfer des 73-Jährigen. Sie soll später im Prozess befragt werden zu jenem sexuellen Missbrauch, der ihr Leben für immer verändert hat. Man sieht der Frau an, was ihr dieser Prozesstag abverlangt. Denn der Angeklagte ist nicht nur ihr Peiniger, er ist auch ihr Großvater.

Der Angeklagte blickt auf das Gesicht seines Opfers

Der Angeklagte sitzt ruhig und wortlos im Saal C. Sein Gesicht wirkt bleich, die Augen müde. Solange sich der Prozess verzögert, blickt er auf das Standbild seiner Enkeltochter. Was in ihm dabei vorgeht, kann man nur erahnen.

Schließlich ist die Ersatzschöffin eingetroffen, wird vereidigt. Richterin Naumann eröffnet die Sitzung, und nun kann Oberstaatsanwältin Birgit Preuß die Anklage verlesen. Ein stakkatohaft und nüchtern vorgetragenes Protokoll der Widerlichkeit. Laut Anklageschrift hatte der Angeklagte wohl ein enges Vertrauensverhältnis zu seinen Enkeltöchtern. Seit dem Kleinkindalter waren die Mädchen regelmäßig bei ihm zu Besuch. Und der Opa nutzte dieses Vertrauen der Kinder aus, um seine päderastische Neigung auszuleben und abgründige sexuelle Begierden zu stillen

Er schoss Fotos und zeigte Pornos

Richterin Claudia Naumann.
Richterin Claudia Naumann. © FMG | Burgmayer, Andreas

Angeklagt wird der 73-Jährige für diverse Übergriffe. Missbraucht hat er seine Enkeltöchter über mehrere Jahre ihrer Kindheit. Als Kleinkinder befummelte er sie schon, forderte sie dazu auf, „killekille“ an der Scheide zu machen, während er Fotos schoss. Das gemütliche Filmgucken auf dem Sofa nutzte der Opa aus, um die Mädchen an der Brust zu massieren.

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Er spielte später „World of Warcraft“ am Computer mit ihnen und brachte sie dazu, währenddessen an seinem Penis zu hantieren. Er masturbierte vor den Kindern und fragte sie, wie sie das finden. In einem Fall brachte er eines der Mädchen dazu, seinen Penis in den Mund zu nehmen und ihn zu befriedigen. Wenn er sich verabschiedete, gab er den Mädchen mal Zungenküsse. Und als die das eklig fanden und ablehnten, sagte er: „Ihr müsst doch üben, für später!“

Auf seinem Computer zeigte er den Kindern auch Pornos. Die Reaktion der Kinder, laut Anklage: „Iiiieh!“ Als der Missbrauch ans Licht kam, sicherten Ermittler bei einer Hausdurchsuchung den Rechner des Angeklagten. Darauf fand sich eine kleine Zahl an kinderpornografischen Fotos und Filmen. Auch sie sind nun Gegenstand der Anklage.

Geständnis des Angeklagten, jedoch ohne Öffentlichkeit

Nach der Anklageverlesung bittet Richterin Naumann den Angeklagten darum, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Der schweigt und blickt hilfesuchend seinen Verteidiger an. Dieser verkündet, dass sein Mandant geständig sei und gerne eine Erklärung verlesen wolle, in der er den Missbrauch einräumen möchte.

Doch davon wird außer den Prozessbeteiligten niemand etwas mitbekommen. Die Verteidigerin von einem der Mädchen beantragt den Ausschluss der Öffentlichkeit für die Verlesung der Erklärung. Weil nicht ausgeschlossen sei, dass dadurch zu viele Details über die Mädchen in aller Öffentlichkeit ausgebreitet werden. Und der Schutz der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen schwerer wiege als das Bedürfnis der Öffentlichkeit, die Taten des Angeklagten erläutert zu bekommen.

Drei Jahre Haft für den Großvater

Wie umfangreich das Geständnis des 73-Jährigen ausfiel, ist also nicht bekannt. Doch offenbar war es ausreichend, um die eigentlich angesetzten zwei weiteren Prozesstermine abzusagen und die Schuld im Sinne der Anklage festzustellen. Zu hoffen ist, dass die Mädchen durch das Geständnis ihres Opas nicht zu einer Aussage gezwungen waren..

Oberstaatsanwältin Birgit Preuß hatte in ihrem Plädoyer wegen des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes offenbar drei Jahre und sechs Monate Haft für den Angeklagten gefordert. Richterin Naumann und ihre beiden Schöffen blieben in ihrem Urteil etwas unter diesem Strafrahmen. Der 73-jährige Kaltenkirchener muss für drei Jahre hinter Gitter. Seine beiden Enkelinnen werden lebenslang mit den Folgen des Missbrauchs zu kämpfen haben.