Tangstedt. Die Gemeinde plant zahlreiche Großprojekte: Wie sich der Ort in den nächsten Jahren verändern soll und welche Probleme es gibt.
Tangstedt ist kein gewöhnliches Dorf. Denn was die Gemeinde derzeit plant und für die nächsten Jahre, mehr oder weniger bis in die 2030er, vorhat, wäre auch für größere Orte ambitioniert. Doch zusammen mit der Verwaltung im Amt Itzstedt soll endlich das in die Tat umgesetzt werden, worüber zwar seit einiger Zeit viel diskutiert wird, wo es aber auch gerade aus Sicht der Bevölkerung einfach zu lange dauert, ehe die Vorhaben durchgeplant sind.
Es geht um Wohnungsbau, sowohl in kleinerem Rahmen am Kuhteich als auch umfassend an der Lindenallee, um eine neue Grundschule, bessere Straßen, den dörflichen Charakter von Wilstedt und möglicherweise auch neue Gewerbeflächen.
Agenda 2024 in Tangstedt: Neue Grundschule, Wohngebiete, bessere Straßen
Teilweise soll es hier in diesem Jahr so weit sein, dass Bauarbeiten beginnen könnten. Bei anderen Projekten sollen die Planungen in hohem Tempo fortgeführt werden, allerdings auch unter Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger. Denn auch das gehört zu Tangstedt: Die Bevölkerung ist meinungsstark und erwiesenermaßen immer in der Lage, sich gut zu organisieren, wenn die Politik etwas anstößt, das nicht unbedingt auf Zustimmung stößt.
1. Neue Grundschule: Ab dem Schuljahr 2026/2027 greift der Rechtsanspruch für eine Nachmittagsbetreuung in Grundschulen. Mittlerweile ist in Tangstedt ein Sonderausschuss zuständig für die Planungen, um in den nächsten Jahren einen Neubau zu realisieren. Dieser wird am selben Standort sein, die derzeitige NBGS wird baulich „gespiegelt“. Parallel steigt bereits der Bedarf seitens der Eltern, sodass ab dem neuen Schuljahr bis zu 200 Kinder nachmittags betreut werden sollen, entweder in vorhandenen Räumlichkeiten oder in Containern. Hier sucht die Gemeinde noch Personal. Die Kosten für die neue Grundschule stehen noch nicht fest, die Schätzungen belaufen sich auf 15 bis 20 Millionen Euro.
2. Lindenallee: Im Frühjahr könnte die Gemeindevertretung endlich den Bebauungsplan für das größte künftige Neubaugebiet aufstellen, das sich zwischen Grundschule und Hauptstraße befindet. Zuvor hat es bereits zwei Bürgerwerkstätten gegeben, bei denen Interessierte Anregungen und Ideen äußern konnten. Schon frühzeitig, so hofft die Gemeinde, könnte eine neue Baustraße entstehen, um die enge Schulstraße zu entlasten. Der weitere Zeitplan ist allerdings schwer abschätzbar. Die Investorensuche läuft über ein Treuhandverfahren, verantwortlich ist die Landgesellschaft, die das mehrere Hektar große Areal von einer Erbengemeinschaft übernommen hat. Das Credo gibt Bürgermeister Jens Kleinschmidt (FDP) vor: „Wir brauchen Geschossbauten, keine Eigenheimsiedlung.“ Auch in Sachen Energieversorgung könnte die „Lindenallee“ Modellcharakter haben.
3. Wohnen am Kuhteich: Seit über einem Jahrzehnt wird hier, direkt nördlich des Nahversorgungszentrums im Ortsteil Tangstedt und in Nachbarschaft zum Quartier Eichholzkoppel, geplant, mehrfach wurden Konzepte gekippt. Das Wohnungsbauunternehmen Semmelhaack steht als Partner seit Jahren quasi fest, hat die Fläche von der Gemeinde gekauft. In diesem Januar geht das Vorhaben wieder einmal in die Politik. Vorgesehen sind fünf Bungalows und maximal 42 Wohnungen (dreigeschossig in drei Gebäuden), alles soll seniorengerecht werden. Die verkehrliche Erschließung würde über die Hauptstraße sein, zur Straße „Kuhteich“ gibt es einen Weg.
4. Rathaus-Nebengelände/neue Dorfmitte: In diesem Jahr soll es im Rahmen des Investorenwettbewerbs eine weitere Ausschreibung für das sogenannte „Rathaus-Nebengelände“ geben, das auch die alte Mühle (nicht zu verwechseln mit dem Restaurant) umfasst. Dass das historische Bauwerk abgerissen wird, ist politisch beschlossen, eine Sanierung wäre unverhältnismäßig teuer gewesen. Grundsätzlich wünscht sich Tangstedt hier ebenso Wohnungen, möglichst barrierefrei, auch ein Café wäre im Sinne der Bevölkerung.
5. Container für Geflüchtete: An der Hauptstraße, am Rande des Ortsteils Tangstedt, befinden sich seit 2006 Schlichtwohnungen für Flüchtlinge und Asylsuchende, auch das DRK hat hier eine Station. Diese Siedlung wird um 16 Container erweitert, die auf der anliegenden „Funkturmfläche“ stehen werden. Bis zu 48 Menschen könnten hier leben. Das Vorhaben läuft über das Amt, die Kosten von 750.000 Euro könnten zu einem großen Teil (bis zu 400.000 Euro) über Fördermittel des Landes gedeckt werden, der Rest wird über die Amtsumlage finanziert. Wann die Container errichtet und betriebsbereit wären, steht noch nicht fest.
6. „Brümmer-Fläche“ für neues Gewerbe? Dieses Thema ist sensibel, die Gemeinde nimmt hierzu keine Stellung. Fest steht: Tangstedt hat nach Abendblatt-Informationen für etwas mehr als 800.000 Euro von einem mittlerweile verstorbenen Bürger ein Grundstück an der B432 erworben, um dort perspektivisch Gewerbe ansiedeln zu können. Im Ort ist bekannt: Es handelt sich um die sogenannte „Brümmer-Fläche“. Doch was daraus wird, ist offen. Auf Anfrage bestätigt das Landgericht Kiel nämlich: Tangstedt ist mit einer Klage gescheitert, wonach die Erben einen Notar bevollmächtigten müssten, den entsprechenden Grundbucheintrag vorzunehmen. Laut Landgericht liegt die Vollmacht bei den Erben. Der Verkauf hängt also in der Schwebe. Beide Seiten prüfen nun, wie es weitergehen soll, die Gemeindevertretung berät am kommenden Mittwoch in nichtöffentlicher Sitzung hierüber.
7. Eine Kita für Wilstedt – aber wo? Dass die Kindertagesstätte im Ortsteil Wilstedt ersetzt werden soll, ist politisch unbestritten. Doch bei der fraglichen Fläche, auf der auch Wohnungen gebaut werden könnten, gehen die Meinungen auseinander. In der letzten Wahlperiode hatte sich die damalige, CDU-geführte Mehrheit für das Grundstück „Achtern Diek“ ausgesprochen. Das sorgte nicht zuletzt für Diskussionen, da die Familie eines damaligen Gemeindevertreters finanziell profitiert hätte. Auch die mögliche Erschließung entlang des Dorfteichs, direkt vom stark befahrenen Dorfring, ist umstritten. Nun sind die Kräfteverhältnisse zwischen den Fraktionen andere. Die Standortsuche läuft weiterhin, eine Option wäre die „Thies-Fläche“ am Rövkamp. Einfacher wäre es, wenn „Achtern Diek“ über eine neue Querverbindung zwischen Glashütter Weg und Tangstedter Straße angebunden werden könnte. Doch hier verläuft der regionale Grünzug, hier zu bauen, dürfte seitens des Landes kaum genehmigt werden.
8. Freizeitareal rund um die Costa Kiesa: Die gemeinsam mit Norderstedt in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie für die Zukunft des riesigen Gebiets mit dem Baggersee im Mittelpunkt ist fertig, soll demnächst öffentlich in einer Sitzung des Planungsausschusses beraten werden. Bekannt ist, dass die große Nachbarstadt nun das Gewerbegebiet Oststraße doch nicht auf die andere Seite der Schleswig-Holstein-Straße erweitern möchte, sondern den Fokus derzeit auf den Nordport legt. Allerdings wurde Tangstedt Unterstützung zugesichert, da ein künftiges Freizeitareal mit Campingplatz und eventuell Tiny Houses sowie einer neuen Badeanstalt Leitungsanschlüsse von Westen her bräuchte.
9. Altenheim-Ruine – Dauerärger in der Dorfstraße: Ende 2020, mitten in der Corona-Pandemie, zogen die letzten Bewohner aus dem insolventen Haus Sommer, gegenüber des Rathauses, aus. Doch aus den Ankündigungen eines Investors, hier ein neues Altenpflegeheim zu bauen, ist nichts geworden. Die Ruine ist bislang nicht einmal abgerissen worden. Für viele im Ort ist das ein Skandal. Die Gemeinde hat keine Handhabe. Kurzzeitig gab es die Idee, hier Flüchtlinge unterzubringen, doch dafür hätte das entkernte Haus komplett instandgesetzt werden müssen. Im letzten Sommer hatte der Projektentwickler gegenüber dem Abendblatt beteuert, dass das Projekt noch existiere, derzeit aber auch wegen der hohen Baukosten nicht umgesetzt wird.
10. Gemeinde will mehrere Straßen sanieren: Endlich, das werden die Bürgerinnen und Bürger sagen – in Tangstedt sollen einige marode Straßen erneuert werden. Bürgermeister Kleinschmidt: „Es ist nicht die Lösung, dass unser Bauhof mit dem 25-Kilo-Eimer durch die Gegend läuft und die Löcher flickt. In den letzten Jahren wurde nur das Nötigste gemacht.“ Er nennt vier Straßen: Glashütter Weg, Forstweg, Waldstraße und Rader Weg.
Rückblick 2023: Die politischen Verhältnisse in Tangstedt sortieren sich komplett neu
In kaum einem Ort hat die Kommunalwahl derartige Verschiebungen nach sich gezogen wie in Tangstedt. Und das wiederum dürfte konkrete Auswirkungen haben bezüglich der Planung für die künftige Entwicklung. In den letzten Jahren hatte sich in der Gemeinde bekanntlich eine Art Allianz zwischen CDU und Bürgergemeinschaft gebildet, die mit ihrer Mehrheit diverse Vorhaben durchbringen konnte. Doch die BGT trat nicht wieder an, da es an ausreichend Kandidaten fehlte. Das hatte Folgen: Die neue Zusammensetzung der Gemeindevertretung ergab nun plötzlich eine „Ampel“-Mehrheit für FDP, SPD und Grüne. Und die sorgte dafür, dass mit Jens Kleinschmidt ein neuer Bürgermeister gewählt wurde, der Liberale setzte sich gegen Jürgen Lamp von der CDU durch, denn die Union hatte zwar die größte Fraktion, stand aber alleine.
- Bürgermeister: „Tangstedt wäre froh, wenn wir die Costa Kiesa loswerden“
- Norderstedt: Jetzt übernimmt Katrin Schmieder als Oberbürgermeisterin
- Trotz Pflicht seit Januar: „Nur 10 bis 20 Prozent E-Rezepte“
Im Amt Itzstedt gab es ebenfalls eine grundsätzliche Neuausrichtung. Denn anders, als es vorher geplant war, wird es keinen Neubau der Verwaltung in Nahe geben, wie es noch 2020 und 2021 beschlossen worden war. Vielmehr verbleibt der Sitz in Itzstedt, dort wird es eine Erweiterung geben, damit genügend Räume zur Verfügung stehen für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die aktuell teils in Containern untergebracht sind. Der Hauptgrund für die Kehrtwende waren die Finanzen. Denn das Projekt wurde immer teurer, die Kosten stiegen auf kalkulierte 15 Millionen Euro (abzüglich des Verkaufserlöses für das derzeitige Verwaltungs-Grundstück). Über 30 Jahre hätten die Amtsgemeinden diese Summe durch ihre Umlagen abzahlen müssen. Da wollten die Bürgermeister nicht mitgehen, denn es hätte dann eventuell an anderer Stelle gespart werden müssen.