Norderstedt. Täter nutzen Wohnung über der Haspa in Norderstedt, um an die Schließfächer zu gelangen. So dreist gingen die Diebe vor.

Viele Norderstedter Kunden der Hamburger Sparkasse (Haspa) müssen um Gold, Schmuck und andere Wertsachen fürchten. Bei einem spektakulären Coup haben Einbrecher nach Abendblatt-Informationen Schließfächer in der Filiale an der Rathausallee aufgebrochen und leer geräumt.

Die Täter waren offenbar am Wochenende durch den durchbohrten Boden einer darüber liegenden Wohnung in die Haspa gelangt. Um Spuren zu verwischen, legten die Unbekannten am Montagmorgen ein Feuer in der Wohnung.

Bank in Norderstedt ausgeraubt: Haspa-Kunden verunsichert

Nach dem spektakulären Einbruch in die Filiale hat die Polizei am Dienstag ihre intensiven Ermittlungen am Tatort fortgesetzt. Eine Spezialdienststelle für komplexe Ermittlungen untersucht das Verbrechen an der Rathausallee.

Am Dienstag trafen zudem viele verunsicherte Kunden vor der geschlossenen Haspa ein und wollten wissen, ob auch ihr Schließfach geleert worden war. Auf Antworten warten sie bislang vergeblich.

Bank ausgeraubt, Polizei: "Der Schaden ist erheblich"

„Der Schaden ist erheblich“, sagt Polizeisprecher Lars Brockmann am Montag, ohne Details zu nennen. Die Polizei bestätigt lediglich einen Einbruch und das Feuer und verweist auf laufende Ermittlungen. Die Untersuchungen hat eine Spezialdienststelle der Polizeidirektion für komplexe Ermittlungen übernommen.

Wann die Täter genau in die Filiale einstiegen, ist noch offen. Sie nutzten offenbar die Ruhe am Wochenende, um ihren Coup umzusetzen. In der leerstehenden Wohnung setzten sie nach Abendblatt-Informationen einen Kernbohrer ein, um großflächig den Boden nach unten zu öffnen. Nachbarn hatten zwar Geräusche gehört, waren aber von Renovierungsarbeiten ausgegangen. Durch die Öffnung gelangten die Täter in die Filiale und konnten ungestört die Schließfächer und die Kassetten aufbrechen.

Täter kamen durch die Decke – und legten einen Brand

Was sie dort entwendet haben, wird sich möglicherweise nie vollständig aufklären lassen. Der Schaden könnte in die Hunderttausende gehen oder möglicherweise noch höher liegen. „Zum Diebesgut können derzeit noch keine näheren Angaben gemacht werden“, heißt es dazu knapp bei der Polizei. Entdeckt wurde der Einbruch am Sonntag. Wer die Polizei rief, teilten die Ermittler nicht mit.

Rätselhaft bleibt, unter welchen Umständen am Montagmorgen der Brand ausbrach. Kurz nach 7.30 Uhr hatte eine Mitarbeiterin der Haspa ungewöhnlichen Geruch bemerkt und die Feuerwehr alarmiert. In der Filiale konnten die Einsatzkräfte kein Feuer finden, entdeckten aber Qualm, der aus einem Fenster der Wohnung darüber quoll. Dort hatten die Täter Reifen in Brand gesetzt. Der Rauch zog durchs Gebäude auch in den Tresorraum. Die Entlüftungsarbeiten der Feuerwehr zogen sich über Stunden hin.

Einbruch in Haspa-Filiale: Täter waren gut vorbereitet

Die Spurensicherung der Polizei war den ganzen Tag im Einsatz. Die Täter seien gut vorbereitet und professionell vorgegangen, hieß es. Wann die Filiale wieder eröffnet werden kann, sei noch offen, sagte Haspa-Sprecherin Stefanie von Carlsburg. Über die Tat will sich die Haspa nicht äußern.

In Berlin stellte die Polizei im Jahr 2013 einen Bohrer sicher, mit dem die Täter in einen Tresorraum eindringen wollten.
In Berlin stellte die Polizei im Jahr 2013 einen Bohrer sicher, mit dem die Täter in einen Tresorraum eindringen wollten. © dpa | Jörg Carstensen

Die Polizei prüft Zusammenhänge mit weiteren ähnlichen Fällen. Im Juli 2019 war es Unbekannten gelungen, in die Filiale der Sparkasse Harburg-Buxtehude in Buchholz einzudringen. Dabei gingen die Täter nach einer ähnlichen Masche wie in Norderstedt vor, brachen am Wochenende ein und leerten 82 Kassetten. Wie es ihnen gelang, das automatisierte Schließfachsystem zu überlisten, ist unklar. Entdeckt wurde die Aktion erst am Montagmorgen, als ein Kunde sein Schließfach leer vorfand. Auch in Hannover wurden am selben Wochenende etliche beinahe baugleiche Schließfächer in zwei Sparkassen-Filialen ausgeräumt.

Schadensregulierung nach Bankraub wird oft zum Problem

Nach der Tat in Buchholz hatte Verbraucherschutzanwalt Jürgen Hennemann Vorwürfe gegen das Geldinstitut erhoben. Im August 2020 sagte er: „Die von der Sparkasse angekündigte schnelle und unbürokratische Schadensregulierung erscheint mir ein leeres Versprechen zu sein.“ Der Buchholzer Anwalt warf dem Kreditinstitut „rechtswidrige Überdehnung der Beweisanforderungen“ vor. Das Problem: Wie soll ein Kunde nachweisen, welche Wertsachen er im Schließfach deponiert hatte? Vor demselben Problem könnten auch Haspa-Kunden in Norderstedt stehen.

Polizisten tragen am 25. Oktober 2020 Teile des Kernbohrers aus einer Bankfiliale in Hamburg-Altona.
Polizisten tragen am 25. Oktober 2020 Teile des Kernbohrers aus einer Bankfiliale in Hamburg-Altona. © dpa | -

Ein weiterer Einbruch in einer Sparkassen-Filiale ist im vergangenen Oktober in Hamburg-Altona gescheitert. An der Holstenstraße hatten die Täter – wie in Norderstedt – an einem Wochenende mit einem Kernbohrer von einer Tiefgarage aus eine Wand durchbrochen und versucht, in den Tresorraum einer Haspa zu gelangen. „Die Täter sind mit hoher Professionalität vorgegangen“, hieß es damals bei der Polizei.

Vereitelt wurde der Einbruch durch eine Reinigungskraft, die am Sonntag die Geräusche gehört hatte und die Polizei rief. Als die ersten Streifenwagen am Tatort eintrafen, waren die Täter bereits geflüchtet und hatten den Bohrer zurückgelassen.

Zum Fall in Norderstedt bitten die Ermittler der Kriminalpolizei um Hinweise über verdächtige Personen oder Fahrzeuge zwischen Freitagnachmittag und Montagmorgen im Bereich des Tatortes unter der 040/528 060.