Norderstedt. Norderstedt wählt Katrin Schmieder zur Verwaltungschefin. Amtsinhaberin Roeder gratuliert kühl, die Politik hat gemischte Gefühle.
Um kurz vor Mitternacht war Katrin Schmieder am Sonntag zu Hause. Dort musste sie erst einmal verarbeiten, was an diesem Abend passiert war: Die Norderstedterinnen und Norderstedter hatten sie tatsächlich zu ihrer neuen Oberbürgermeisterin gewählt. Mit 56,3 Prozent der Stimmen gewann sie als unabhängige Kandidatin, die aber Mitglied der Grünen ist, die Stichwahl am Ende deutlich gegen CDU-Mann Robert Hille (43,7 Prozent).
Nachdem sie in den Stunden zuvor mit Familie, Freunden und Kollegen in der Hopfenliebe gefeiert hatte, schaltete sie im Wohnzimmer nun den Fernseher ein, um runterzukommen. Bei Noa4 sah sie ihr eigenes glückliches Gesicht als Wahlsiegerin. Nebenbei scrollte sie auf ihrem Handy durch Hunderte Glückwunsch-Nachrichten.
Katrin Schmieder ist Norderstedts neue Oberbürgermeisterin
„Es ist unglaublich. Schon krass, wie viele Menschen sich mit mir freuen“, sagt die 55-Jährige am Montagmorgen. Einen Tag nach der Wahl geht Schmieder ganz normal ihrem Job als Sozialdezernentin im Rathaus nach. Alles scheint wie immer – und fühlt sich doch ganz anders an. „Das Ergebnis setzt Adrenalin frei“, sagt Schmieder. Bei einer Niederlage hätte sie erst einmal ein paar freie Tage gebraucht. Doch nun sei sie „wie angeknipst“.
Die noch amtierende Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder ist am Montag nicht im Haus. Vor vier Wochen wurde die SPD-Politikerin von den Norderstedter Bürgern abgewählt, Anfang Januar endet ihre Amtszeit. Doch wie es der Anstand verlangt, überreichte sie ihrer Nachfolgerin am Vorabend einen Blumenstrauß und gratulierte ihr zur gewonnenen Wahl. Beide Frauen schüttelten sich die Hände, tauschten nette Worte und ein freundliches Lächeln aus.
Noch-Oberbürgermeisterin stichelt gegen Nachfolgerin
Als Roeder jedoch wenig später in einem Fernsehinterview von Noa4 nach Katrin Schmieders Stärken gefragt wurde, sprach sie zwar erneute Glückwünsche aus, sendete allerdings auch einige Giftpfeile in Richtung ihrer Sozialdezernentin. „Ihre Stärken macht aus, dass sie, egal wo eine Kamera ist, egal wo Medien sind, da steht sie davor und kann hervorragend erzählen und kann sich sehr gut verkaufen“, sagte Roeder. Sie wünschte Schmieder, dass ihre Amtsführung nicht „ganz so emotional“ wie im Wahlkampf wird und sich alle wieder „ein wenig beruhigen“.
Natürlich hat Katrin Schmieder das Interview noch in der Wahlnacht im Fernsehen gesehen. Sie geht davon aus, dass die Übergabe zwischen ihr und Roeder dennoch geregelt ablaufen wird. „Das haben wir uns versprochen. Auch in stürmischen Zeiten des Wahlkampfes haben wir im Rathaus diszipliniert zusammengearbeitet.“
OB-Wahlkampf hat Spuren in Norderstedt hinterlassen
Trotzdem haben die vergangenen Wochen Spuren hinterlassen. Die Norderstedter SPD wendete sich gegen Schmieder und stellte sich öffentlich an die Seite von CDU-Kandidat Robert Hille. Nicht auszuschließen ist, dass beide Fraktionen der neuen Oberbürgermeisterin das Leben schwer machen könnten. „Die Narben, die alle im Wahlkampf davongetragen haben, sollten nicht zu tief sein. Wir müssen uns schütteln und Wunden lecken“, sagt Schmieder. Auch müssten einige persönliche Gespräche geführt werden. Am Ende hätten aber alle den gleichen Antrieb: die Stadt voranzubringen.
Uwe Matthes, stellvertretender CDU-Ortschef in Norderstedt, könnte sich vorstellen, dass Katrin Schmieder Gegenwind von der Opposition bekommen wird. Dennoch sagt er: „Wir müssen jetzt unseren Job machen. Es geht um inhaltliche Fragen. Ich glaube nicht, dass Frau Schmieder parteilich sein wird, sie wird ein offenes Ohr haben.“ FDP-Fraktionsvorsitzender Tobias Mährlein hofft, dass sich keine „Große Koalition“ aus SPD und CDU gegen Schmieder bilden wird: „Es geht nicht um Parteipolitik, entscheidend ist die Sache. Ich wünsche mir, mit allen demokratischen Parteien in der Sache zu diskutieren.“
„Persönliche Befindlichkeiten müssen zurückgestellt werden“
Die beiden Stadtvertreter der Linken, Christine Bilger und Norbert Pranzas, befinden sich in einer Sondersituation. Sie gehören inzwischen der SPD-Fraktion an. Dennoch unterstützte der Kreisverband Die Linke im Gegensatz zur SPD offenkundig Katrin Schmieder im Wahlkampf. „Wir sind keine SPD-Mitglieder. Wir waren in die Entscheidung des Ortsvereinsvorstandes, eine Wahlempfehlung für Robert Hille auszusprechen, nicht einbezogen“, sagt Bilger. Sie verlangt von allen Beteiligten in der Stadtvertretung ein professionelles Verhalten. „Persönliche Befindlichkeiten müssen zurückgestellt werden. Es geht um die Sache und das Gemeinwohl.“
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Die Fraktion Wir in Norderstedt/Freie Wähler ist mit der Wahl der Oberbürgermeisterin zufrieden. „Wir gratulieren ihr sehr herzlich zu diesem Sieg und sind zuversichtlich, dass sie die Anforderungen dieser anspruchsvollen Position aufgrund ihrer bisherigen Erfahrung als Sozialdezernentin erfüllen wird“, teilt die Fraktion mit.
Position der Sozialdezernentin muss nachbesetzt werden
Die Position der Sozialdezernentin gilt es nun nachzubesetzen. Katrin Schmieder will die Stellenausschreibung möglichst schnell auf den Weg bringen, am liebsten noch vor ihrer Amtszeit als Verwaltungschefin. Wer die Position künftig ausführen wird, entscheidet die Stadtvertretung. Schmieder geht davon aus, dass die Stelle erst ab Oktober des kommenden Jahres wieder besetzt sein wird. Solange teilt sie sich die Aufgaben mit Baudezernent Christoph Magazowski.
Schmieders vermutlich erste große Herausforderung als neue Oberbürgermeisterin wird sein, der Kommunalpolitik einen Haushaltsplan vorzulegen, gemeinsam über künftige Ausgaben zu diskutieren und einen Konsens zu finden. „Das ist eine schwere Last“, sagt CDU-Stadtvertreter Uwe Matthes. Schmieder hingegen sieht es als Chance: „So habe ich die Möglichkeit, kurzfristig meine eigenen Akzente einzubringen“, sagt sie.