Norderstedt. Vor dem Landgericht Hamburg begann am Mittwoch der zweite Prozess. Für die Haspa könnte es jetzt richtig teuer werden.

Gut zwei Jahre nach dem Einbruch in eine Norderstedter Bankfiliale steuert die Hamburger Sparkasse auf eine zweite Gerichtsniederlage zu. Erneut haben Geschädigte, deren Schließfächer damals aufgebrochen und ausgeräumt wurden, vor dem Landgericht Hamburg gegen die Bank geklagt. Und erneut wird das Gericht wohl im Sinne der Geschädigten urteilen – das zeichnete sich schon am ersten Prozesstag ab.

„Nach derzeitiger Einschätzung des Gerichts liegt wohl eine Pflichtverletzung vor“, sagte Richterin Katrin Schwarz am Mittwoch. Das bedeutet: Die Haspa hat aus ihrer Sicht den Tresorraum zur fraglichen Zeit nicht ausreichend gegen Einbrecher gesichert – anders, als die Bank es seit zwei Jahren beteuert.

Und demnach muss die Haspa die Geschädigten wohl auch deutlich höher entschädigen als bisher erfolgt. Denn die Haftungsbegrenzung auf 40.000 Euro, auf die sich die Haspa bisher beruft, ist wohl hinfällig – auch das machte Katrin Schwarz am Mittwoch deutlich.

Landgericht Hamburg: Schließfach-Raub – Haspa vor zweiter Gerichtsniederlage

Schwarz ist die Vorsitzende der Zivilkammer 2 des Landgerichts. Das dreiköpfige Gremium befasst sich mit diesen zwei neueren Fällen. Bei den drei im Juni entschiedenen Fällen hatte sich hingegen die Zivilkammer 30 unter Vorsitz von Richter Christoph Ruholl mit dem Fall befasst.

Auch die Kammer 30 hatte eine „Pflichtverletzung“ gesehen und die Haspa deshalb zu einer Nachzahlung von hohen, sechsstelligen Beträgen an die drei Geschädigten verurteilt. Die Haspa ist bei diesen drei Fällen in Berufung gegangen, vor das Hanseatische Oberlandesgericht. Dieses Verfahren hat noch nicht begonnen. Allerdings sind es nun schon zwei Kammern des Hamburger Landgerichts, die ein klares Fehlverhalten aufseiten der Haspa sehen.

Einbruch im August 2021: So professionell gingen die Täter vor

Der Einbruch vor zwei Jahren war einer der spektakulärsten Kriminalfälle der vergangenen Jahre. Die Diebe waren zwischen dem 6. und dem 9. August 2021 in den Tresorraum der Bankfiliale eingedrungen – und zwar von einer darüber gelegenen Wohnung aus, die sie extra angemietet hatten. Von dort aus hatten sie sich mit einem Kernbohrer durch die Stahlbetondecke gebohrt und die Hälfte der rund 1200 Schließfächer ausgeräumt.

Die Täter wurden bisher nicht gefasst. Die Haspa hat allerdings laut eigener Aussage die rund 600 Einbruchsopfer entschädigt – allerdings mit einer Summe von höchstens 40.000 Euro, wie das auch die Vertragsbedingungen vorsahen. Allerdings hatten viele der Geschädigten deutlich höhere Werte in den Schließfächern liegen.

Bisher haben fünf Geschädigte gegen die Haspa geklagt – von etwa 600

Bisher fünf Personen, die alle der Buchholzer Rechtsanwalt Jürgen Hennemann vertritt, wollen sich die restlichen Beträge vor Gericht von der Haspa erstreiten – und haben bisher auch Recht bekommen. Entscheiden sich noch mehr Geschädigte für diesen Weg, könnte es für die Haspa sehr teuer werden.

Der Gesamtschaden des Einbruchs beläuft sich nach Haspa-Angaben auf elf Millionen Euro. Jürgen Hennemann spricht hingegen von 40 Millionen Euro. So oder so: Auf das Geldinstitut würden vermutlich Nachzahlungen in Millionenhöhe zukommen, wenn sich ein größerer Teil der 600 Geschädigten für den Klageweg entscheidet.

In einem Fall ging es um 104.000 Euro, im anderen Fall um 80.000

Am Mittwoch ging es erst einmal um eine Summe von rund 80.000 Euro und eine weitere in Höhe von rund 104.000 Euro. Werte in dieser Höhe, so sagen es die beiden Geschädigten, hätten sich im August in ihren Schließfächern befunden. Sie wollen nun die Differenz zu den schon gezahlten 40.000 Euro von der Haspa erstattet bekommen.

Warum sie zu der Ansicht neigt, dass das auch passieren sollte, begründete Richterin Schwarz am Mittwoch. Wie schon Christoph Ruholl, bezog sie sich auf einen Einbruchsversuch in eine Haspa-Filiale im Oktober 2020.

Die Täter waren ganz ähnlich vorgegangen, hatten den Bewegungsmelder im Tresorraum zuerst mit einem speziell angefertigten, passgenauen und nahezu unsichtbaren Aufkleber abgeklebt – und ihn damit ausgeschaltet. Dann wollten sie mit einem Kernbohrer in den Tresorraum eindringen. Doch dazu kam es nicht, mutmaßlich deshalb, weil ein Putzmann die Täter störte.

Richterin: „Es hätte etwas Zusätzliches zur Sicherung geben müssen“

Diesen Einbruchsversuch, so die Einschätzung der Richterin, hätte die Haspa als Warnung begreifen müssen und andere Filialen in Sachen Sicherheit sehr stark nachrüsten müssen. Die Haspa beteuert zwar, das gemacht zu haben – so wurde tatsächlich 2021 ein neuer Bewegungsmelder einer höheren Sicherheitsstufe eingebaut. Nur: Offenbar konnte auch der mit einem passgenauen Aufkleber aus dem Spiel genommen werden.

„Es hätte etwas Zusätzliches zur Sicherung geben müssen“, sagte Richterin Schwarz. Etwa einen „Sensor, der auf Lautstärke reagiert.“ Oder ein Mitarbeiter der Bank hätte an den Öffnungstagen den Tresorraum überwachen müssen, wenn Kunden darin waren. Denn offenbar konnten die Täter den Raum und eben auch den Bewegungsmelder ungestört auskundschaften und möglicherweise auch abkleben.

Wie die Haspa-Anwälte ihre Position erklären

Die Rechtsanwälte Dr. Einar Recknagel und Thomas Schikorra von der Kanzlei SNB Law, die die Haspa vertritt, widersprachen. Ein Bank-Mitarbeiter in dem kleinen Tresorraum – so etwas gehe nicht, widerspreche dem Bedürfnis der Kunden nach Diskretion und Privatsphäre. Und einen Sensor, der auf Lautstärke reagiert, könne man ja ebenfalls technisch lahmlegen.

„Wir bleiben dabei, dass es keine Pflichtverletzung war“, sagte Thomas Schikorra. Und auch im Fall des Einbruchsversuchs in Altona betonten die beiden Anwälte ihre abweichende Einschätzung. Der Fall sei ganz anders gelagert gewesen, man könne die Räume nicht vergleichen – die Täter hätten ja im Altonaer Fall keine Wohnung angemietet. Und außerdem wisse man ja gar nicht, warum die Diebe dann von ihrem Vorhaben abgelassen hatten.

Keine Zeugenanhörung am Mittwoch – spielen die Anwälte der Haspa auf Zeit?

Es half nichts, die Vorsitzende Richterin blieb am Ende des ersten Verhandlungstags bei ihrer Einschätzung. Schon am Mittwoch hätte der dann in die nächste Phase gehen können, nämlich die der Zeugenanhörung. Einer der Zeugen war tatsächlich auch schon vor Ort, wartete vor der Tür des Gerichtssaals.

Jürgen Hennemann regte an, dass dieser doch gleich, im Sinne einer „stringenten Prozessführung“, gehört werden könne. Doch Schikorra und Recknagel bestanden darauf, dass es dafür einen weiteren Termin geben müsse – was rechtlich auch zulässig ist und dann so auch von Richterin Schwarz entschieden wurde. Die von Hennemann eingeforderte Begründung verweigerten sie. Man sei keine Rechenschaft schuldig.

Hennemann erhebt allerdings schon länger gegen die Gegenseite den Vorwurf, dass diese in Wahrheit vor allem darauf abziele, die Prozesse möglichst lange am Laufen zu halten – und damit andere Geschädigte von einer Klage abzuhalten. Das sei auch der eigentliche Sinn des Berufungsverfahrens, wie Hennemann Mitte August sagte. Wer wollte, konnte nun auch im Vorgehen der beiden Haspa-Anwälte am Mittwoch einen weiteren Beleg für diese These sehen.

Wann die Verjährungsfrist endet und wann der nächste Gerichtstermin ansteht

Tatsache ist: Mit dem 31. Dezember 2024 endet die Verjährungsfrist für all jene der 600 Geschädigten, die bisher noch nicht geklagt haben. Für eine Vorbereitung jeder einzelnen Klage ist aber einiger zeitlicher Vorlauf erforderlich. Am Landgericht Hamburg steht nun am 25. September erst einmal die Vernehmung von Zeugen an, die Angaben darüber machen können, was sich damals in den besagten Schließfächern befand.

Haspa-Sprecherin Stefanie von Carlsburg verschickte am Mittwoch dann noch ein Statement zu dem Verhandlungstag. Darin bekräftigte sie die inzwischen hinlänglich bekannte, auch in der Wortwahl kaum variierte Position: „Die Sicherungssysteme des Tresorraums der Haspa-Filiale in Norderstedt waren zum Zeitpunkt des Einbruchs auf dem aktuellen Stand der Technik. An unserer Einschätzung hat sich auch durch die heutige vorläufige Würdigung der Sach- und Rechtslage durch das Landgericht Hamburg nichts geändert. Bei dem verbauten Bewegungsmelder handelte es sich um ein Produkt der höchsten Sicherheitsklasse mit einer zum Tatzeitpunkt anerkannten VdS-Zertifizierung.“