Norderstedt. Zuzugsdruck: Eine Übersicht der wichtigsten Bauprojekte der Stadt Norderstedt – und ihre Probleme bei der Umsetzung.
Hamburg verliert Einwohner, der Kreis Segeberg zählt wie die anderen Umlandkreise zu den Gewinnern der Wohnsitzwechsel. Der Wirtschafts- und Immobiliendatenanbieter Empirica Regio hat für das Jahr 2021 ermittelt, dass 2209 Hamburger in den Kreis Segeberg gezogen sind.
Ein großer Anteil davon findet in Norderstedt ein neues Zuhause, wobei es keine genaue Zahlen gibt. Schon seit Jahren sieht sich die Stadt mit dem enormen Zuzugsdruck konfrontiert und begegnet ihm mit massiven Wohnungsbau. Nun aber stockt die Strategie: Die meisten großen Bauprojekte stagnieren aufgrund der wirtschaftlichen Lage.
Immobilien Norderstedt: Neubürger drängen in die Stadt, aber Wohnungsbau stockt
Keine gute Nachricht, denn die Stadt an der Grenze zu Hamburg wächst stetig. Seit 2017 sind 3174 Neubürger nach Norderstedt gezogen, nur 55 haben die Stadt verlassen. Laut Prognose des Statistikamtes Nord werden etwa 90.000 Menschen im Jahr 2035 in Norderstedt leben. Das Wachstum ist in Politik und Verwaltung bekannt, Baugebiete für mehrere Tausend Wohnungen sind ausgewiesen.
Doch viele Flächen liegen noch brach. Eins der größten Wohnungsbauprojekte ist vorerst sogar ganz in der Versenkung verschwunden. Unter dem Namen „Sieben Eichen“ sollten am Glashütter Damm 500 Häuser und Wohnungen für etwa 800 Neubürger gebaut werden. Doch im Sommer stoppte eine Stimmenmehrheit aus CDU, FDP, WiN, FW und AfD das Projekt.
Norderstedt: Politik stoppt eines der größten Neubauvorhaben
Die Parteien lehnten im Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr den Rahmenplan ab. Sie halten das Verkehrskonzept der Verwaltung für das neue Viertel für „unausgegoren und untauglich“.
Die Verwaltung wollte hier Kleinbusse einsetzen, da der Glashütter Damm zu schmal für die üblichen Busse ist. Rad- und Fußwege sollten abseits der Straße gebaut werden. Die Kritik: Wenn 800 Menschen ins Neubaugebiet ziehen, könne der Glashütter Damm die zusätzlich erwarteten Fahrzeuge nicht verkraften.
„Ein weitgehender Verzicht auf Autos ist reine Utopie“
Ein weitgehender Verzicht auf Autos sei reine Utopie. Wegen der geringen Breite könnten Fuß- und Radwege nicht in ausreichender Größe gebaut werden. Daran scheitere die Mobilitätswende.
Die Befürworter von SPD, Grünen und Linken warfen ihren Gegenspielern vor, nicht nur eines der wichtigsten Wohnungsbauprojekte zu torpedieren, sondern durch „Verhinderung und Nichtstun“ die gesamte Stadtentwicklung lahmzulegen.
Steigende Zinsen und knappes Material erschweren das Bauen
Kein politischer Wille, sondern galoppierende Baupreise und steigende Zinsen für die Finanzierung verzögern andere große Neubauvorhaben. Gleich dreimal ist dabei Plambeck vertreten: Vorzeigeprojekt des Norderstedter Wohnungsbauunternehmens ist der Plambeck-Campus. Der vierstöckige Riegelbau mit Staffelgeschoss im Rücken des Kreisverkehrs Berliner Allee und Ochsenzoller Straße soll nicht nur die neue Firmenzentrale werden, sondern auch ein zukunftsweisendes Zentrum für junge Kreative, ein „Forschungsraum für nachhaltige Lebens- und Arbeitswelten“.
Plambeck kann den in Aussicht gestellten Baubeginn nicht halten
Unter dem Namen „Garstedter Tor“ sollen an der Ecke Stettiner Straße und Kohfurth sollen 230 Wohnungen entstehen. Direkt neben dem Herold-Center plant das Unternehmen 200 Wohnungen mit vier- bis fünf Stockwerken, dazu einen achtstöckigen Solitär zur Straße hin. Für den Plambeck-Campus und das Garstedter Tor hatte Plambeck-Geschäftsführer Steffen Becker vor einem Jahr einen möglichen Baubeginn für Anfang 2023 angekündigt.
„Dieser Termin ist nicht zu halten“, sagt Becker auf Nachfrage. Die Projekte steckten noch mitten im städtebaulichen Verfahren, die Bebauungspläne müssten zunächst erstellt werden. Materialknappheit, fehlende Handwerker und steigende Kreditzinsen zwängen dazu, die Projekte immer wieder zu überdenken und an die sich wandelnden äußeren Bedingungen anzupassen und den Baustart zu verschieben. „Die Finanzierungskosten haben sich verfünffacht“, sagt Becker.
Immobilien Norderstedt: Günstige Modulbauweise keine Lösung für Norderstedt
Plambeck wolle dennoch bauen, nachhaltig und wirtschaftlich vertretbar. Eine vergleichsweise günstige Modularbauweise mit standardisierten Elementen, wie sie in Hamburg im Gespräch ist, lehnt Becker ab: „Das funktioniert vielleicht auf der grünen Wiese. In stark verdichteten Gebieten wie in Norderstedt müssen wir aber individuelle Lösungen finden.“ Es sei momentan für alle Projekte nicht abzusehen, wann mit dem Bau begonnen werden könne.
Weiter In die Zukunft weisen die beiden größten Norderstedter Neubauprojekte: In der „Grünen Heyde“ zwischen Schulweg im Westen, Mühlenweg im Norden, Harckesheyde im Süden und Gewerbegebiet Harkshörn im Osten sollen 1300 Menschen in 600 Wohneinheiten ein neues Zuhause finden. Nördlich des Harkshörner Wegs, westlich der Ulzburger Straße sind 500 bis 800 Wohneinheiten geplant, Baubeginn soll 2026 sein.
Startschuss für den Bau von 279 Wohnungen an der Ulzburger Straße
Die gute Nachricht: Es gibt auch Bauvorhaben, bei denen es sichtbar vorangeht. Bagger und Radlader sind an der Ulzburger Straße im Einsatz, um auf der ehemaligen Zirkuswiese die Baugruben für 279 Wohnungen auszuheben. „4 Höfe“ heißt das Projekt, das die Wohnungsbauunternehmen Struck und Behrendt gemeinsam verwirklichen.
Immobilien Norderstedt: Wohnquartier „4 Höfe“ wird spätestens Mitte 2025 fertig
„Wir stellen hier nicht nur einfach Wohnungen hin, sondern schaffen einen Wohn- und Lebensort für das Miteinander unterschiedlicher Gruppen, Alte und Junge, Familien und Singles, Mieter und Eigentümer“, sagt Matthias Müller, Geschäftsführer der Behrendt-Gruppe. In Hof 1, am Übergang zur Heidbergstraße, sind 59 Eigentumswohnungen geplant, 70 weitere schließen sich in Hof 2 nach Süden an. 83 Mietwohnungen für Senioren entstehen in Hof 3, der jetzt als erster entsteht – ein Servicehaus für den Lebensabend. 36 Wohnungen sind öffentlich gefördert. Die Bewohner können Leistungen wie Wohnungsreinigung, Einkaufshilfe und Pflege dazu buchen. Außerdem wird hier eine Kita mit 70 bis 80 Plätzen hochgezogen. 67 öffentlich geförderte Wohnungen wird es im Hof 4 geben.
Die Autos verschwinden in einer Tiefgarage mit rund 200 Plätzen, die mit Ladestationen für E-Fahrzeuge ausgestattet werden. Auch Car-Sharing gehört zum Angebot. Fertig werden sollen die elf Gebäude mit drei bis fünf Etagen, die mit viel Grün und Gemeinschaftsflächen gestaltet werden sollen, zwischen Sommer 2024 und Sommer 2025.
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„Trotz schwieriger Rahmenbedingungen halten wir an dem Vorhaben fest“, sagt Jens Herrmann, Sprecher von Instone. Der Immobilienentwickler will am Kösliner Weg 171 Wohnungen und eine Kita mit 60 Plätzen bauen. Allerdings werden sich auch hier Baubeginn und Fertigstellung leicht verzögern, sagt der Unternehmenssprecher. Genaue Termine könne er zurzeit nicht nennen.