Sülfeld. Eine Gruppe des „Aryan Circle“ verunsichert die Menschen. Das Landeskriminalamt ermittelt gegen die rechte Szene.
Schleswig-Holsteins Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) lebt in Norderstedt, das ist nur rund 20 Kilometer entfernt von Sülfeld. Einer Gemeinde mit 3300 Einwohnern, in der momentan die Furcht vor Neonazis wieder wächst. Grote kennt die Umstände in dem ländlichen Ort gut. „Unsere Aufgabe ist es, für eine tolerante und weltoffene Gesellschaft einzustehen, für sie zu kämpfen. Mir machen die Aktivitäten im Internet wirklich Sorgen. Hier findet die Radikalisierung statt. Wir haben darauf reagiert und unseren Verfassungsschutz personell verstärkt. Wir haben neue Stellen geschaffen, um die Machenschaften im Netz mit zu verfolgen und notfalls handeln zu können“, sagte er vor zwei Tagen bei der Dialogveranstaltung „Schleswig-Holstein gegen Rassismus“.
Sülfeld war im Oktober in den Blickpunkt geraten. Damals tauchten erstmals Aufkleber des „Aryan Circle“ („Arischer Kreis“) auf, einer neuen rechtsextremistischen Gruppe im Kreis Segeberg, die sich an amerikanischen Vorbildern orientieren will. Schnell wurde bekannt, dass in dem Dorf drei Neonazis leben. Der Sülfelder Daniel S (19)., die Studentin Marie-Christin P. und ihr Freund, der bekannte wohnungslose Rechtsextreme Marcel S. aus Bornhöved (23), der inzwischen wegen einer Gewalttat in Bad Segeberg gegen einen Gleichgesinnten in Untersuchungshaft sitzt. Sie alle gehören dem Umfeld von Bernd T. an. Der Segeberger hat bereits mehrere Haftstrafen verbüßt – unter anderem, weil er einen Obdachlosen zu Tode geprügelt hat.
„Aryan Circle“ im Visier des Verfassungsschutzes
T. will im Kreis Segeberg einen „Aryan Circle“ aufbauen. Die bisher rund zehnköpfige Gruppe ist im Visier des Verfassungsschutzes, Bernd T. selbst wird von Sicherheitsbehörden beobachtet. Ruhig verhält er sich nicht. Vor wenigen Tagen kündigte er in einem Kommentar auf dem Instagram-Kanal des Sülfelder Musikers Baldikin „verstärkte Aktivitäten“ an, fügte hinzu: „Auch wir zeigen Gesicht.“
Er reagierte damit auf das Rap-Video „Sülfeld – wir sind mehr“, das Baldikin auf seinem YouTube-Kanal online gestellt hat. Er und andere Bewohner des Ortes treten vor der Kamera gegen rechtsextremistische Aktivitäten ein. Darunter ist der Sülfelder Pastor Steffen, der sich immer wieder klar gegen die Rechtsextremen positioniert hat.
Baldikin, der seinen bürgerlichen Namen aus Sicherheitsgründen nicht nennen möchte, bekam zudem eine private Nachricht von Bernd T., der ihm schrieb: „Das ist eine Kriegserklärung!!!“ Der Musiker hat das selbst öffentlich gemacht, hat Bernd T. auf Instagram blockiert. Der 35-Jährige ist mit einer Schwarzen verheiratet und hat zwei schulpflichtige Kinder. Er habe den Song geschrieben, weil er nicht in einem Dorf leben wolle, in dem man Angst haben müsse. „Damit musste ich rechnen“, sagt Baldikin zu den Ankündigungen der Rechten. „Es ist einem mulmig zumute, aber ich würde es immer wieder tun.“ Angst habe er nicht um seine Person, aber um seine Familie.
Polizei zeigt erhöhte Präsenz
Die über soziale Medien getätigten Äußerungen von Bernd T. sind der zuständigen Kriminalpolizei Kiel bekannt, wie ein Sprecher sagt. Die Nachrichten werden in eine Gefährdungsanalyse eingearbeitet, ein Straftatbestand sei jedoch nicht erfüllt. Nach Abendblatt-Informationen schaltet sich das Landeskriminalamt (LKA) inzwischen regelmäßig in die Ermittlungen gegen die rechtsextremistische Szene im Kreis Segeberg ein, die von der Staatsschutzabteilung geführt werden.
„Die Polizei zeigt nach wie vor erhöhte Präsenz in Sülfeld und wird bei Verstößen konsequent einschreiten“, heißt es aus der Polizeidirektion in Bad Segeberg. Als vor wenigen Wochen erstmals die Neonazi-Sticker im Gemeindegebiet, unter anderem an der Kirche, verteilt wurden, hatten sich einige Bürger spontan zusammengetan, wollten die Aufkleber entfernen. Es kam zu einem Angriff mutmaßlich von Neonazis, die Tat ist bisher nicht aufgeklärt.
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Für viele Menschen in der Region war das ein Anlass, ein Zeichen zu setzen gegen die Rechtsextremen und für eine offene Zivilgesellschaft. Zu einem Spiel des Sülfelder Handball-Frauenteams kamen rund 800 Zuschauer, darunter Innenminister Grote, der eine Rede hielt. „Verunglimpfung, Hass und Gewaltexzesse sind in Zeiten der sogenannten sozialen Medien anscheinend ein Bestandteil unserer Gesellschaft geworden. In manchen Bereichen gibt es scheinbar keine Grenzen mehr. Das nehmen wir nicht hin“, sagt der langjährige Norderstedter Oberbürgermeister, der momentan auch Vorsitzender der Innenministerkonferenz ist. Er hat einen „Landesaktionsplan gegen Rassismus“ angekündigt.
Wenige Tage, bevor Grote seine Innenministerkollegen in Lübeck zu Gast hatte, waren auf seinem Privatgrundstück in Norderstedt die Heckscheiben von zwei Pkw eingeschlagen worden. Ob es einen Zusammenhang zum Engagement des CDU-Politikers gegen Rechtsextremismus gibt, ist weiterhin unklar, auch hier laufen die Ermittlungen.