Ermittlungserfolg nach fast zehn Jahren: Die Polizei hat den mutmaßlichen Mörder von Dennis gefasst. Der Neunjährige aus Osterholz-Scharmbeck wurde 2001 ermordet.
Verden. Zehn Jahre nach dem Mord an dem neun Jahre alten Dennis aus dem niedersächsischen Osterholz-Scharmbeck haben Fahnder einen mutmaßlichen mehrfachen Kindermörder festgenommen. Dies teilte die Polizei in Verden am Freitag mit. Der Mörder von Dennis steht im Verdacht, für weitere Morde an kleinen Jungen und mehr als 40 Sexualdelikte verantwortlich zu sein. Um 12.00 Uhr wollen die Ermittler bei einer Pressekonferenz in Verden über ihren Fahndungserfolg berichten.
„Wir haben einen Haftbefehl wegen mehrfachen Mordes“, sagte der Sprecher der Sonderkommission, Jürgen Menzel, der Nachrichtenagentur dpa. Vor wenigen Wochen waren die Ermittler mit einer neuen Spur an die Öffentlichkeit gegangen. Ein Jogger will den blonden Jungen und einen bulligen Mann um die 30 in einem Auto gesehen haben. Mehr als 1000 Hinweise gingen bei der Sonderkommission „Dennis“ daraufhin ein. Die Festnahme sei natürlich auch eine Erleichterung für die Angehörigen nach so vielen Jahren, hieß es bei den Ermittlern.
Dennis war am 5. September 2001 nachts aus einem Schullandheim im Kreis Cuxhaven verschwunden. Zwei Wochen später fanden Pilzsammler seine Leiche. Die Ermittler jagten Jahre lang ein Phantom, in den Medien auch als Maskenmann tituliert.
Erst mit dem Tod von Dennis hatten die Fahnder die Zusammenhänge mit anderen Morden erkannt. Zwischen 1992 und 2004 wurden fünf Jungen überwiegend nach dem selben Muster getötet, in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden. Mindestens 40 Kinder wurden zudem sexuell missbraucht.
Profiler der Polizei hatten während der Ermittlungen den möglichen Täter als wahrscheinlich unauffälligen, sozial integrierten Mann bezeichnet, bei dem Nachbarn und Freunde kaum Verdacht auf einen Zusammenhang mit den Morden vermuten würden.
Nach Informationen des „Weser-Kurier“ soll es sich bei dem Festgenommenen um einen Sozialarbeiter handeln. Dies sei bislang aber nicht bestätigt.
Die Ermittler suchten einen Serientäter, der seit 1992 für insgesamt fünf Morde an kleinen Jungen aus Norddeutschland sowie mehr als 40 Missbrauchsfälle verantwortlich sein soll. Alle Mordopfer verschwanden aus Schullandheimen, Zeltlagern oder Jugendherbergen.
Eine Chronologie zu fünf Jungen-Morden:
1992: In der Nacht zum 31. März verschwand unter nicht genau geklärten Umständen der 13-jährige Stefan J. aus Hamburg aus einem Internat in Scheeßel im Kreis Rotenburg (Niedersachsen). Zurück blieben in einem Aufenthaltsraum ein Schlafanzug und ein offenes Fenster. Anfang Mai wurde die gefesselte Leiche in den Verdener Dünen vergraben entdeckt.
1995: Am 24. Juli verschwand der achtjährige Dennis R. aus dem einsam gelegenen Ferienzeltlager Selker Noor bei Schleswig (Schleswig-Holstein). Zwei Wochen später wurde er ermordet und vergraben in einer Düne bei Skive/Holstebro in Dänemark gefunden. Ein Tatverdacht gegen einen Betreuer erhärtete sich damals nicht.
1998 verschwand der elf Jahre alte Nicky V. unter nicht geklärten Umständen aus einem Zeltlager bei Brunssum (Niederlande) in der Nähe von Aachen. Einen Tag später wurde die Leiche des Jungen in einer Fichtenschonung gefunden.
2001: Am 5. September entführte ein Unbekannter den neunjährige Dennis K. aus einem Schullandheim in Wulsbüttel (Kreis Cuxhaven). Zwei Wochen später fanden Pilzsammler die Leiche des ermordeten Jungen bei Kirchtimke (Kreis Rotenburg-Wümme), etwa 45 Kilometer entfernt.
2004: Am 7. April verschwindet der 11-jährige Schüler Jonathan aus einem Schullandheim im Ferienort Saint-Brevin-les-Pins in Westfrankreich. Im Mai wird er etwa 30 Kilometer entfernt in einem Teich bei Guerande im Department Loire-Atlantique tot aufgefunden. Im gleichen Zeitraum belästigte ein unbekannter Mann rund um Bremen mehr als 40 Jungen sexuell. Dabei drang er immer nachts in Häuser, Zeltlager und Landheime ein und entkam unerkannt.
Lesen Sie dazu auch den Abendblatt-Bericht vom 11. Februar 2011:
Mordfall Dennis: Mehr als 100 neue Hinweise auf Serienmörder
Bei der Sonderkommission der Polizei in Verden sind nach der neuen Spur auf das Auto von Dennis möglichem Mörder innerhalb eines Tages mehr als 100 neue Hinweise eingegangen. Die Hinweise werden nun sondiert. Die Polizei hat durch die Veröffentlichung der einer Zeugenaussage am Donnerstag nun erstmals seit langer Zeit wieder konkrete Fortschritte machen können. Der Zeuge konnte Angaben über das Fahrzeug des möglichen Mörders machen. Die grausame Tat an dem kleinen blonden Jungen ist fast zehn Jahre her. Die Polizei meldete auch, dass der Mörder von Dennis auch noch vier weitere Jungen getötet und etwa 40 Kinder missbraucht haben soll. Die Fahner suchen nun mit einer Phantomskizze.
Der Zeuge hatte neue Hinweise auf Aussehen und Auto des möglichen Täters geliefert. Demnach sei der Mörder des kleinen Dennis ein bulliger Mann, ca. 1,85 Meter groß, um die 30 Jahre alt, der den blonden Jungen mit seinem Hunde-T-Shirt in einem hellen Opel Omega Caravan verschleppt hat.
Der Leiter der "Soko Dennis", Martin Erftenbeck, sagte am Donnerstag in Verden, dass sich der Zeuge absolut sicher sei, dass es sich um Dennis gehandelt habe. Der Neunjährige aus dem niedersächsischen Osterholz-Scharmbeck war während einer Klassenfahrt in der Nacht zum 5. September 2001 aus einem Schullandheim im Kreis Cuxhaven verschwunden. Zwei Wochen später fanden Pilzsammler seine Leiche etwa 45 Kilometer von dem Heim entfernt in einem Gebüsch. Der Junge war erstickt worden.
Die Ermittler stießen erst nach dem Mord an Dennis auf Parallelen zu anderen Fällen. Der Täter war dabei immer nach dem gleichen Muster vorgegangen: Stets vergriff sich der Täter nachts an Jungen mit ähnlicher Statur und in einem ähnlichen Alter, stets drang er unbemerkt in Schullandheime, Internate und Zeltlager ein.
7800 Hinweisen waren die Ermittler in all den Jahren nachgegangen. Doch eine heiße Spur gab es nicht. Das könnte sich mit der Aussage des Zeugens ändern. Der Mann aus Nordrhein-Westfalen war damals als Soldat im Kreis Osterholz stationiert. Bereits am frühen Morgen, als es noch dunkel war, trainierte er für einen Marathon. Im Schein seiner Stirnlampe konnte er aber das Innere des Wagens gut erkennen.
"Er machte sich kurz Gedanken darüber, lief dann aber weiter“, sagte Erftenbeck. Erst im vergangenen August wandte er sich an die Polizei, als er sich nach einem TV-Bericht über die ungelösten Mordfälle an seine Beobachtungen erinnerte.
Die Fahnder hoffen, mit diesen Erkenntnissen dem Serientäter endlich auf die Spur zu kommen. Ihrer Ansicht nach handelt es sich wahrscheinlich um einen unauffälligen Mann, der nach außen hin ein ganz normales Leben führt. Die Vorstellung eines sozialen Monsters sei absolut falsch, sagte Profiler Alexander Horn vom Polizeipräsidium München. Er könne sogar verheiratet sein oder Kinder haben.
Auch bei dem Mörder des zehnjährigen Mirco aus dem niederrheinischen Grefrath handelte es sich um einen bisher unbescholtenen Familienvater. Die Ermittler konnten den Mann schließlich anhand seines Wagens überführen. Auch im Mordfall Dennis könnte der helle Opel Omega Caravan oder ein BMW der 3er- oder 5er-Serie, den der Gesuchte nach Ermittlung der französischen Polizei später möglicherweise fuhr, eine wichtige Rolle spielen.
Das Profil des Mörders ist den Fahndern bekannt, nur das Gesicht dazu fehlt ihnen noch. Die „Soko Dennis“ ist sich sicher, dass der Gesuchte aus Niedersachsen oder Bremen stammt oder hier lange Zeit lebte. Der Großteil der Vorfälle spielte sich in Norddeutschland ab, viele von ihnen hatten eine geografischen Bezug. Zwei Morde ereigneten sich allerdings in den Niederlanden und Frankreich. Die Ermittler gehen davon aus, dass der Mann dort seinen Urlaub verbrachte. Zu der letzten Tat kam es 2004 in einem Schullandheim in Westfrankreich. Doch das heißt noch lange nicht, dass die Mordserie damit vorbei ist. „Tatpausen sind bei Serienmördern nicht ungewöhnlich. Die Gefahr besteht immer, dass es zu neuen Taten kommen kann“, sagte Horn. Der Fernsehsender Vox wird am Sonnabend um 22.05 Uhr eine Dokumentation von „Spiegel TV“ über die Ermittlungen im Fall Dennis zeigen.
Mit Material von dpa