Die schwarz-gelbe Koalition geht in die Offensive und will das Endlagerproblem trotz heftiger Proteste endlich anpacken.
Gorleben/Berlin. Nach zehn Jahren Unterbrechung sind die Untersuchungen für ein Atomendlager im niedersächsischen Gorleben wieder angelaufen. Erst jetzt öffentlich bekanntgewordene Informationen zu Gasvorkommen in der Nähe heizten am Freitag die Diskussionen über die Eignung des Salzstocks an.
Der Historiker Anselm Tiggemann hatte im Gorleben-Untersuchungsausschuss des Bundestags am Donnerstagabend darauf hingewiesen, dass es zu Beginn der Debatte um Gorleben 1977 Bedenken gegen das Projekt gegeben habe. Grund waren Gasfunde auf DDR-Seite, die dann aber außer Acht gelassen wurden.
Im Bundestag wurde am Freitag bei der ersten Debatte über das Atomgesetz heftig gestritten. Die eigentlichen Arbeiten im Gorlebener Salzstock starten Mitte des Monats. Wissenschaftler hätten mit Blick auf die Gasvorkommen gewarnt, dass es bei Gasbohrungen zu Erdabsenkungen und gefährlichen Verschiebungen im Salzstock kommen könne, sagte Tiggemann laut Bundestag. Die energiepolitische Sprecherin der Linksfraktion, Dorothée Menzner, forderte angesichts der neuen Informationen über Gasvorkommen einen sofortigen Stopp der Erkundung.
Ungewöhnlich scharf wies Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) im Bundestag Vorwürfe von Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin zurück, bei der Verlängerung der Atomlaufzeiten sei die Sicherheit der Atomkraftwerke verkauft worden. Trittin sei ein Maulheld: „Sie können gut reden, aber Sie kriegen nichts hin.“ Trittin habe in seiner Zeit als Umweltminister beim rot-grünen Atom-Ausstieg selbst in Rotwein- und Zigarrenrunden mit den Konzernen die Sicherheit „verdealt“, erregte sich Röttgen.
Nach SPD-Angaben könnten sofort bis zu 9 der 17 Kernkraftwerke ohne negative Folgen abgeschaltet werden. SPD-Experte Ulrich Kelber sagte, die Koalition aber bremse die Ökostromanbieter aus und zementiere die Marktmacht von Eon, RWE, EnBW und Vattenfall. Trittin kritisierte, die Regierung drücke sich in der Atommüll-Frage um die Suche nach Alternativen zum Salzstock Gorleben. Das Deutsche Atomforum bezeichnete die Gorleben-Untersuchung als Zeichen der Vernunft.Ganz anders die Anti-Atom-Initiative „X- tausendmal quer“: „Ein Festhalten an Gorleben grenzt an Wahnsinn“, erklärte die Organisation.
An diesem Sonnabend wollen Atomkraftgegner im Wendland mit Straßenblockaden protestieren. Im November werden sie versuchen, den bevorstehenden Castor-Transport mit stark strahlendem Atommüll ins oberirdische Zwischenlager Gorleben aufzuhalten. Die Erkundung des Salzstocks war genau vor zehn Jahren eingestellt worden, weil die damalige rot-grüne Bundesregierung die Endlagersuche auf andere Standorte ausweiten wollte.
Die Atomwirtschaft hat bisher rund 1,5 Milliarden Euro in die rund 30 Jahre andauernde Prüfung Gorlebens investiert und hält den Standort für geeignet. Um bei der Erkundung des Salzstocks rasch voranzukommen, sollen als letztes Mittel auch wieder Enteignungen möglich sein. Durch die geplanten durchschnittlich zwölf Jahre längeren Atomlaufzeiten wird die Menge an hoch radioaktivem Müll laut Bundesamt für Strahlenschutz auf insgesamt 21600 Tonnen steigen.