Gefährden die Windparks vor dem Darß die Schweinswale? Derzeit werden ungewöhnlich viele Kadaver entdeckt. Forscher sind sensibilisiert.

Stralsund. In den vergangenen zwei Wochen sind an der Küste Mecklenburg-Vorpommerns ungewöhnlich viele tote Schweinswale entdeckt worden. Zwischen Warnemünde und Rügen zählten die Experten des Deutschen Meeresmuseums zwölf Kadaver. „Diese Häufung ist außergewöhnlich“, sagte der Walforscher Stefan Bräger am Mittwoch der dpa. Die Ursachen seien unklar und ließen sich aufgrund der starken Verwesung der Tiere nicht mehr genau ermitteln. Die Forscher vermuten biologische Ursachen. Jung- und Muttertiere seien nach der Kalbungszeit sehr anfällig. Die Forscher schlossen zunächst auch nicht aus, dass der Bau des Windparks vor dem Darß zu der Häufung beigetragen haben könnte.

Das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt (StALU) hält einen solchen Zusammenhang für unwahrscheinlich. „Zwischen dem Verenden der Tiere und den Rammarbeiten gibt es keine Korrelation“, sagte Amtsleiter Eckhardt Wedewardt am Mittwoch auf Anfrage. Die Rammarbeiten für die 21 Windanlagen seien bereits Ende Juni abgeschlossen gewesen. Zudem habe das Amt Auflagen erteilt, um die Belastung für die Tiere so gering wie möglich zu halten.

Schon immer gibt es in den Sommermonaten zwischen Juli und September eine Zunahme von Funden toter Schweinswale. „Wenn die Muttertiere zwischen Mai und Juni kalben, sind nicht nur sie geschwächt. Auch die Kälber und die gerade vom Muttertier entwöhnten Jährlinge sind besonders anfällig“, sagte der Walforscher Bräger. Zudem sei der Beobachtungsdruck durch die vielen Urlauber in diesen Monaten besonders hoch. Im Vergleich zu den Vorjahren (Spitzenwert 2007 mit 57 Funden) zählten die Stralsunder Forscher bis Mitte August mit zehn Kadavern jedoch relativ wenig tote Tiere.

Die Serie des Schreckens begann dann am 24. August: An diesem Tag wurde der erste verendete Schweinswal an der Darß-Küste gefunden. „Danach folgte bis heute fast jeden Tag eine weitere Meldung“, sagte Bräger. Die Forscher sind beunruhigt, sollte sich die Serie von Totfunden fortsetzen.

Als wesentliche Ursache für den Tod von Schweinswalen gilt seit Jahren die Fischerei. Rund 47 Prozent der Tiere, bei denen die Todesursache feststellbar war, wiesen Netzmarken auf - ein Zeichen dafür, dass die Meeressäuger in Netzen verenden. Seit Jahren warnen die Wissenschaftler allerdings auch vor dem Baulärm bei Offshore-Projekten wie Windanlagen und Pipelinebau. Die Schweinswale orientieren sich per Echoortung; werden sie taub, sterben sie.

Die Forscher fordern deshalb beim Rammen oder Sprengen den unbedingten Einsatz sogenannter Blasenschleier, bei dem ein aufsteigender Luftbläschenvorhang um die Rammstelle wie eine Schallschutzmauer wirkt. „Das ist das einzige Mittel, das die Ausbreitung der Schallwellen wirklich effektiv verhindern kann“, sagte Bräger.

Doch genau darauf hatte die Genehmigungsbehörde, das damalige StAUN in Stralsund, beim Bau des Baltic 1-Windparks verzichtet. „Die Wirksamkeit dieser Maßnahme ist unter Fachleuten sehr umstritten“, begründete Amtsleiter Wedewardt den Verzicht auf diesen Schallschutz. Dafür forderte das Amt sogenannte Pinger, um die Tiere aus dem Flachwassergebiet zu vertreiben. Zudem wurden Detektoren eingesetzt, die in Echtzeit akustische Signale der Wale registrieren. Für diese Zeit sollten dann die Bauarbeiten unterbrochen werden.

Auch wenn angesichts der zeitlichen Differenz zwischen dem Abschluss der Rammarbeiten und den Totfunden inzwischen auch die Forscher des Meeresmuseums einen Zusammenhang für weitestgehend unwahrscheinlich halten, sind sie alarmiert, weil beim Rammen für den Darßer Windpark auf die Blasenschleier verzichtet wurde. „In Hongkong ist das Stand der Technik“, sagte Bräger. „Es gibt nichts Vergleichbares, um den Lärmstress bei Schweinswalen zu reduzieren.“ Ramm-Schallwellen könnten die Meeressäuger in einem Umkreis von 30 Kilometer schädigen. „Blasenschleier, möglichst in zwei konzentrischen Kreisen um die Rammstelle, müssen verbindliche Auflage werden.“

Das StALU verwies am Mittwoch darauf, dass es sich bei „Baltic 1“ um ein Pilotprojekt handele. „Wir werden das baubegleitende Monitoring auswerten und daraus Schlussfolgerungen ziehen“, sagte Wedewardt. Ob diese Schlussfolgerungen auch Konsequenzen für einen besseren Schallschutz umfassen, ließ der Amtsleiter offen.