Bund hilft mit 25 Millionen Euro, die Medizin an der Lübecker Universität zu erhalten. Ein Spitzenforscher verlässt trotzdem die Uni.
Kiel. Große Erleichterung, aber auch Skepsis und Wut haben sich nach der Entscheidung für den Erhalt der Medizinerausbildung in Lübeck breitgemacht. Es sei ein guter Tag für die Uni, Lübeck und das Land, lobten Abgeordnete verschiedener Fraktionen amFreitag im schleswig-holsteinischen Landtag. Es gab aber auch Kritik. Der Lübecker Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) sieht noch Risiken, die Studenten forderten weiter den Rücktritt von Wissenschaftsminister Jost de Jager (CDU). Die am Donnerstag zurückgezogenen Schließungspläne für die Medizinische Fakultät zeigen auch schon Folgen: Der Leibniz-Preisträger und Schlafforscher Jan Born verlässt die Lübecker Uni.
Es ist ein gewagtes Konstrukt, mit dem Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) dem klammen Schleswig-Holstein beispringt. Weil das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern eine direkte Hilfe für die Universität Lübeck nicht zulässt, verspricht sie dem Land dauerhaft 25 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich für die Forschung. „Ein solches Engagement des Bundes setzt jedoch voraus, dass das Land Schleswig-Holstein die Universitätsmedizin in Lübeck einschließlich Lehre und Forschung dauerhaft aufrecht erhält“, schreibt Schavan in einem Brief an Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU). 24 bis 26 Millionen Euro sind es, die die CDU/FDP-Koalition in Kiel mit der Schließung der Medizin in der Hansestadt pro Jahr einsparen wollte.
Das Kieler Institut für Meereskunde soll von der Leibniz- Gemeinschaft zur Helmholtz-Gemeinschaft wechseln, die zu 90 Prozent vom Bund finanziert wird. Dadurch kann Berlin etwa zwölf Millionen Euro mehr pro Jahr zahlen. Außerdem wird der Bund unter anderem einen höheren Anteil beim Neubau des Institutsgebäudes schultern – Kiel spart damit einmalig etwa 36 MillionenEuro.
„Das alles sind nicht dauerhaft 25 Millionen Euro“, gestand Minister de Jager zu. Eine Arbeitsgruppe zwischen Bund und Land werde einKonzept über die gesamte Summe entwickeln. De Jager kündigte zudem an, die Universität zu Lübeck in eine Stiftung umzuwandeln, um mehr Geld von Dritten zu bekommen.Ein entsprechender Gesetzentwurf werde vorgelegt. Außerdem soll die Uni sparen, verlangt Schavan in ihrem Brief.
Deutliches Lob für die Verhandlungen mit dem Bund bekamen de Jager, Carstensen und FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki vor allem aus den eigenen Reihen.Die Opposition zeigte sich erfreut, übte aber auch Kritik am Vorgehen der Landesregierung. Der SPD-Abgeordnete Jürgen Weber erklärte, ein „wochenlanger Blindflug“ sei beendet. Zu den Millionen-Zusagen erklärte er:„Wir werden uns sehr genau angucken, ob es ein Obendrauf ist und nicht ein Woandersher.“ Anke Spoorendonk vomSSW warf der Regierung vor, sie habe Porzellan zerschlagen.
Dass die letztenWochen Schaden angerichtet haben, zeigt der Rückzug des Leibniz-Preisträgers Born. Er werde die Uni Lübeck definitiv verlassen, kündigte der Schlafforscher an. Er wolle nicht länger in einem Bundesland Wissenschaft betreiben, das den Eindruck erwecke, gar kein Interesse daran zu haben. Skepsis auch bei dem für seine Forschungen zur Lungenkrankheit SARS bekannten Biochemiker Rolf Hilgenfeld:Er geht imWintersemester erstmal nach Shanghai. Wenn es die Uni Lübeck dann noch gebe, kehre er aber 2011 zurück.
Der Lübecker Bürgermeister Saxe ist zwar erleichtert, aber er erklärte:„Das Spiel ist noch nicht zu Ende. Abgepfiffen wird nach 90 Minuten. Ich habe den Abschlusspfiff noch nicht gehört.“ Man müsse erst das Konzept zur Weiterentwicklung der Hochschulen im Norden bis 2020 abwarten.
Auch die Studenten, die in den vergangenen Wochen zu den massiven Protesten mobilisiert hatten, jubelten nicht. „Wissenschaftsminister Jost de Jager lässt sich als Retter der Uni feiern, dabei ist es nur dem Druck der Studierenden, der Universität und der Lübecker zu verdanken, dass der Bund jetzt rettend eingreifen will“, sagte der stellvertretende Vorsitzende des AllgemeinenStudierendenausschusses, Michael Drefahl und forderte den Rücktritt de Jagers. Unterdessen protestierten rund 100 Studenten und empfingen Wissenschaftsminister Jost de Jager (CDU) mit einem Pfeifkonzert vor einem Hotel in der Lübecker Innenstadt. In Sprechchören und auf Transparenten forderten sie seinen Rücktritt. Wer so viel gelogen habe, wie de Jager in den vergangenen Wochen, sei nicht mehr tragbar, sagte ein Sprecher der Demonstranten. Sie kritisierten seine Haltung im Streit um den Erhalt der Medizinerausbildung in Lübeck. De Jager, der an einer Podiumsdiskussion zur festen Fehmarnbeltquerung mit Politikern aus Deutschland und Polen teilnahm, reagierte verärgert. Die für die Uni gefundene Lösung sei „in der Sache gut“, sagte er.
Die Aktionen sollen weitergehen: Am Dienstag wollen Uni und die Stadt Lübeck der Landesregierung mehr als 50.000 Unterschriften für den Erhalt der Lübecker Medizin übergeben.