Das Leben in den jüdischen Gemeinden Niedersachsens ist wieder aufgeblüht. Die Integration der Juden aus Osteuropa wird besonders gelobt.
Hannover. Das Judentum in Niedersachsen ist wieder aufgelebt, radikale Tendenzen aber sind nicht verstummt: Ein energisches Auftreten gegen offene rechtsextreme und antisemitische Tendenzen in Deutschland hat die Vorsitzende des Zentralrats der Juden , Charlotte Knobloch, am Dienstag in Hannover gefordert. Staat und Bürger müssten sich für eine wehrhafte Demokratie einsetzen, sagte Knobloch beim 60-jährigen Jubiläum des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen.
“Das deutsche Judentum ist die lebendigste jüdische Diaspora in Europa, vielleicht sogar in der Welt“, sagte Knobloch. Vor 60 Jahren sei eine Wiederkehr jüdischen Lebens nach Deutschland noch schwer vorstellbar gewesen. „Es war richtig, zu vertrauen: Auf die Demokratie, die Politiker und ihre Bürger ist Verlass.“ Knobloch würdigte außerdem den Einsatz des Landesverbandsvorsitzenden Michael Fürst, dessen 30-jähriges Amtsjubiläum am Dienstag ebenfalls gefeiert wurde.
Fürst rief das Land Niedersachsen auf, mehr gegen Antisemitismus zu tun und nicht am falschen Ende zu sparen. Er appellierte an die Landesregierung, Klassenfahrten zum ehemaligen Konzentrationslager Bergen-Belsen weiterhin zu bezahlen - sonst werde es später teuer. „Wenn wir am falschen Ende sparen, werden wir von der Vergangenheit eingeholt.“ Schon jetzt rangiere Niedersachsen bei der Zahl antisemitischer Gewalttaten nach Nordrhein-Westfalen auf Rang zwei.
“Jüdisches Leben ist wieder sichtbar geworden“, sagte Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU), der an die Befreiung von Bergen-Belsen durch die britischen Militärkameraden seines Vaters erinnerte. McAllister würdigte den besonderen Einsatz der jüdischen Gemeinden bei der Integration der aus der ehemaligen Sowjetunion zugewanderten Juden in den vergangenen 20 Jahren. Außerdem mache sich der Landesverband um den Dialog der Religionen und Kulturen verdient. So habe der Verband im vergangenen Jahr in einer bundesweit bisher beispiellosen Aktion gemeinsam mit der palästinensischen Gemeinde gegen Antisemitismus und Rechtsradikalismus demonstriert.
Dem Landesverband der jüdischen Gemeinden gehören rund 7000 Mitglieder in 13 Gemeinden an und die Zeichen stehen weiter auf Wachstum. Alleine in den vergangenen zwei Jahren wurde dies deutlich sichtbar: Die liberalen Gemeinden öffneten neue Synagogen in Hannover und Göttingen, in Osnabrück wurde ebenfalls eine neue Synagoge errichtet und in Hameln begann ein Neubau. Niedersachsen erhielt wieder einen Landesrabbiner und die aus Zentralasien stammenden bucharischen Juden eröffneten ihre deutschlandweit erste Synagoge in Hannover.