Große Bestürzung nach dem antisemitischen Angriff auf eine jüdische Tanzgruppe in Hannover. Zwei mutmaßliche Täter sind gefasst.
Berlin. Nach Steinwürfen auf eine jüdische Tanzgruppe in Hannover hat die Polizei zwei mutmaßliche Täter ermittelt. Es handele sich um einen 14-jährigen Deutschen und einen 19-jährigen gebürtigen Nordafrikaner, teilte die Polizei mit. Bei dem Angriff während eines Festes in einem sozialen Brennpunkt am Sonnabend war eine Tänzerin am Bein verletzt worden. Die nach erster Erkenntnis der Stadt zumeist aus islamischen Ländern stammenden Angreifer hatten auch judenfeindliche Parolen gerufen. Oberbürgermeister Stephan Weil (SPD) sprach von einem vollkommen inakzeptablen Vorfall und kündigte Konsequenzen an.
Nach einer Anzeige der Stadt wegen Volksverhetzung und Körperverletzung hatten Polizei und Staatsschutz Ermittlungen aufgenommen. "Es geht nicht, dass in Hannover Parolen wie 'Juden raus' gerufen werden", sagte Weil. Bisher habe es in Hannover keine Probleme zwischen Juden, Arabern oder Türken gegeben. Die Stadt hatte nach Zeugenaussagen als mutmaßliche Täter zunächst 10 bis 15 Jahre alte Kinder aus libanesischen, iranischen und palästinensischen Familien ausgemacht. Diese hätten relativ spontan gehandelt.
Als gegen Ende des Festes die Gruppe der jüdischen Gemeinde mit israelischen Tänzen angekündigt wurde, hätten Kinder und Jugendliche zunächst judenfeindliche Ausdrücke gerufen. Der Veranstaltungsleiter habe sie zur Rede gestellt. Andere Jugendliche hätten dennoch Steine in Richtung Bühne geworfen. Das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus in Berlin kritisierte, dass das Fest nach der Steinattacke ohne Einschalten der Polizei fortgesetzt worden sei.
Funktionäre jüdischer Gemeinden haben mit Bestürzung auf den Angriff Kinder und Jugendlicher auf eine jüdische Tanzgruppe in Hannover reagiert. Charlotte Knobloch, Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, sagte, der antisemitische Zwischenfall bei einem Stadtteilfest belege eine neue gesellschaftliche Herausforderung. „An diesem Fall stimmt mich besonders traurig, dass jene antisemitischen Einstellungen bereits unter Kindern und Jugendlichen in dieser Vehemenz anzutreffen sind“, sagte Knobloch der in Berlin erscheinenden Tageszeitung „Die Welt“ (Donnerstagsausgabe).
Der stellvertretende niedersächsische Verfassungsschutzpräsident Dirk Verleger sagte der „Welt“, dass es in Niedersachsen bereits in der Vergangenheit mehrmals „israelfeindliche Demonstrationen und Aktionen außerhalb des rechtsextremistischen Spektrums“ gegeben habe. Der jüngste Fall in Hannover ist laut Verleger insofern neu, „als erstmals Steine auf Juden geworfen wurden“.
Levi Salomon, Antisemitismus- Beauftragter der Jüdischen Gemeinde Berlin, sieht in den Ereignissen in Hannover die Folge systematischer Hasspropaganda gegen Juden, die seit dem israelischen Angriff auf einen Schiffskonvoi mit Hilfsgütern für den Gazastreifen enorm zugenommen habe. Juliane Wetzel, Mitglied des Expertengremiums gegen Antisemitismus im Deutschen Bundestag, sagte der Zeitung: „Es ist schon seit Jahren so, dass gewalttätige Übergriffe auf Juden in Deutschland vor allem dann erfolgen, wenn im Nahost-Konflikt etwas passiert.“