Überwiegend muslimische Kinder und Jugendliche haben bei einem internationalen Fest eine jüdischen Tanzgruppe mit Kieselsteinen beworfen.

Hannover. Die Liberale Jüdische Gemeinde in Hannover hat der Stadt nach den Steinwürfen auf eine Tanzgruppe eine Verharmlosung antisemitischer Tendenzen bei Migranten vorgeworfen. „Die wollen das nicht wahrhaben“, erklärte die Gemeindevorsitzende Ingrid Wettberg am Montag. „Ich habe Angst.“ Statt sich ratlos angesichts des Angriffs auf die jüdische Gruppe zu zeigen, sei Handeln gefragt. Die Stadt müsse für Ganztagsschulen sorgen, damit die Kinder und Jugendlichen des Problemviertels nicht schon ab mittags zu Hause dem schädlichen Einfluss arabischer Fernsehsender ausgesetzt seien. „Die Kinder leben in zwei Welten.“

Im Multikulti-Stadtteil Sahlkamp hatten überwiegend muslimische Kinder und Jugendliche bei einem internationalen Fest am Sonnabend vor einer Woche bei dem Auftritt der jüdischen Tanzgruppe Kieselsteine geworfen. Außerdem riefen sie judenfeindliche Parolen. Die Polizei hat inzwischen neun mutmaßliche Täter im Alter von 9 bis 19 Jahren ermittelt, zumeist mit arabischem Migrationshintergrund. Sie sollten nun zum Ablauf der Attacke und ihren Motiven befragt werden, sagte eine Polizeisprecherin am Montag.

Der Angriff, bei dem eine Tänzerin am Bein verletzt wurde, sei eine erhebliche Bedrohung für die jüdische Gemeinschaft in Hannover, erklärte Wettberg. „Den jugendlichen Tätern und deren Eltern muss deutlich gezeigt werden, dass der deutsche Rechtsstaat mit allen Konsequenzen gegen antisemitisch motivierte Straftaten vorgeht.“ Es gehe nicht, dass antisemitische Schimpfwörter von der Stadt und ihren Sozialpädagogen als „bloße Sprüche“ verharmlost würden. „Es geht auch nicht, dass eine jüdische Gruppe durch antisemitisch motivierte Straftaten am Auftritt gehindert wird, die Veranstaltung sodann ohne weitere Reaktion fortgesetzt wird.“

Die Stadt solle ihre Mitarbeiter im Umgang mit Antisemitismus, Rassismus und ethnisch motivierten Straftaten schulen, verlangte Wettberg. Das Land Niedersachsen müsse stärker als bisher den Ethik-Unterricht in den Schulen verankern und einen Schwerpunkt in der Erziehung zur wechselseitigen Anerkennung verschiedener Religionen und Kulturen setzen.

Die Linksfraktion im Landtag rief Niedersachsen ebenfalls zum Handeln auf. „Auch die Landesregierung verkennt, wie tief der Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft verankert ist. Da können nicht allein wohlklingende Sonntagsreden eine Antwort darauf sein“, sagte die Abgeordnete Pia Zimmermann. Sie verwies auf die gestiegene Anzahl antisemitischer Straftaten in Niedersachsen und forderte ein Landesprogramm zur Bekämpfung von Antisemitismus. „Es ist eine Aufklärungs- und Bildungsoffensive für alle Bevölkerungsschichten nötig.“