Niedersachsens Kabinett berät am kommenden Wochenende Haushaltskürzungen. Der Druck auf Abgeordnete steigt. Halten sie den aus?
Hannover. Der niedersächsische Städte- und Gemeindebund hat die Landesregierung gestern ultimativ vor einer Kürzung der Städtebauförderung gewarnt. Die Gewerkschaft der Polizei spekulierte zudem über einen drohenden Kahlschlag bei der Wasserschutzpolizei und die oppositionelle SPD lehnte jedwede Kürzung im Bildungsbereich rundweg ab. Der Zeitpunkt der lauten öffentlichen Forderungen macht Sinn. Denn an diesem Wochenende trifft sich das CDU-FDP-Kabinett in Hannover , um in Klausur die Eckpunkte für den Haushalt 2011 festzulegen.
Ministerpräsident David McAllister (CDU) wird dann zusammen mit Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) tags darauf der Öffentlichkeit die Ergebnisse präsentieren und er verspricht den Journalisten: "Sie haben am Montagnachmittag ganz viel zu schreiben."
In finanziell besseren Zeiten hat sich das Kabinett zu dieser Klausur gerne in Schlössern oder Burgen getroffen, in diesem Jahr begnügt man sich mit den Räumen des Landessportbundes in der Landeshauptstadt. Zum Ritual von Haushaltsberatungen gehört, dass die Situation vorher immer noch ein wenig dramatischer dargestellt wird, als es den Fakten entspricht. Ministerpräsident McAllister spricht in diesem Zusammenhang gerne von einem "Handlungsbedarf von 1,3 Milliarden Euro". Dabei geht es aber bei näherem Hinsehen nicht um Einsparungen von 1,3 Milliarden Euro, sondern nur um die von den Ministerien angemeldeten Wünsche nach mehr Geld. Tatsächlich nimmt Niedersachsen im kommenden Jahr 16,5 Milliarden Euro ein, rund 300 Millionen Euro mehr als 2010. Weil sich die Landesregierung verpflichtet hat, die Nettoneuverschuldung 2011 um 350 Millionen auf dann 1,95 Millionen Euro zu reduzieren, geht es tatsächlich nur darum, etwa mit dem gleichen Geld auszukommen wie im laufenden Haushaltsjahr.
Das aber ist schwierig genug, weil die Personalkosten und vor allem die Lasten für Pensionäre steigen, Investitionsverpflichtungen aus den Vorjahren bezahlt werden müssen, die Inflation ausgeglichen werden muss. Wenn Niedersachsen entsprechend der Schuldenbremse im Grundgesetz die Neuverschuldung bis zum Ende des Jahrzehnts auf null zurückführen will, kommt das Land an einem weiteren Personalabbau nicht vorbei.
Finanzminister Möllring hat gestern deutlich gemacht, dass er in der gegenwärtig schwierigen Finanzsituation ein früheres Versprechen des damaligen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU) abräumen möchte. Der hatte angekündigt, in dieser Legislaturperiode solle es trotz rückläufiger Schülerzahlen keine Abstriche bei den Lehrerstellen geben. Der für den Haushaltsausgleich zuständige Möllring sieht das jetzt anders: "Dass man bei sinkenden Schülerzahlen um teilweise bis zu 40 Prozent auch weniger Lehrer braucht, liegt auf der Hand." Alle Signale in Hannover deuten darauf hin, dass es hier zu einem Kompromiss mit Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) kommen wird bei der Klausurtagung: Die Zahl der Lehrer sinkt - allerdings langsamer als die Zahl der Schüler. Es bliebe also Luft für eine bessere Unterrichtsversorgung.
Der schonende Umgang mit Lehrern macht umso stärkere Einschnitte in anderen Bereichen der Landesverwaltung nötig, schließlich sind 86 000 der insgesamt 192 000 Landesbediensteten Pädagogen. Gegen den von Innenminister Uwe Schünemann angedachten Stellenabbau bei der Landesbehörde für Geoinformation formiert sich etwa in der Region Braunschweig öffentlicher Widerstand der örtlichen CDU-Landtagsabgeordneten. Und auch bei den absehbaren Einschnitten im Sozial- und Kulturbereich werden die Betroffenen versuchen, Druck auf die örtlichen Abgeordneten der Koalition von CDU und FDP auszuüben. Sollte Niedersachsen nach dem Vorbild von Schleswig-Holstein das dritte kostenfreie Kindergartenjahr zurücknehmen, wird dies rund 100 Millionen Euro sparen, aber auch viel Sympathie kosten.
In diesen Wochen ist Halbzeit der fünfjährigen Legislaturperiode. Die näher rückende Landtagswahl macht die Abgeordneten druckempfindlich für alle Proteste. Für den neuen Ministerpräsidenten McAllister bedeutet dies, dass die Unterrichtung der Koalitionsfraktionen über die Kürzungspläne am Montagmittag - ehe er vor die Medien tritt - zur Nagelprobe wird für seine Autorität. Bei seinem präsidialen und auf Distanz bedachten Vorgänger Wulff haben die Fraktionsmitglieder sich letztlich nicht getraut, offen aufzumucken.