Margot Käßmann spricht über ihre Trunkenheitsfahrt und darüber, wie sie ihr Leben verändert hat. Es war wie: “Gehe zurück auf Los!“
Hamburg/Hannover. Die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann, hat sich erstmals nach ihrem Rücktritt infolge einer Trunkenheitsfahrt ausführlich zu den Umständen an jenem Abend und ihrem Leben danach geäußert. Sie sei um 22.50 Uhr beim Einparken in ihre Garage gewesen, als ein Polizeiwagen angekommen sei, sagte Käßmann in einem am Wochenende veröffentlichten ausführlichen Interview des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel". "Ich bin ausgestiegen, habe das Garagentor aufgemacht und wollte mein Auto einparken." Dann sei ein Polizist gekommen und habe gesagt, er wolle die Fahrzeugpapiere sehen. "Das ist mir übrigens im ganzen Leben noch nicht passiert, seitdem ich 1976 meinen Führerschein gemacht habe", sagte Käßmann.
Käßmann machte in dem Gespräch keinen Hehl daraus, dass ihre Trunkenheitsfahrt ein Fehler gewesen sei. "Ich habe einen Riesenfehler gemacht. Und für Fehler muss der Mensch die Verantwortung übernehmen." Vom Gericht sei ihr Verhalten am Ende als eine "Fahrlässigkeit" bezeichnet worden, sagte Käßmann dem "Spiegel" und fügte hinzu: "Für eine Fahrlässigkeit hat die ganze Angelegenheit allerdings eine große Dimension bekommen, das muss ich schon sagen." Sie habe eine Strafe in Höhe von 3600 Euro bezahlen sowie einen Erste-Hilfe-Kurs und einen Sehtest ablegen müssen. "Und den Führerschein bekomme ich am 22. Dezember wieder."
Käßmann findet es schwierig, dass ihre Trunkenheitsfahrt öffentlich gemacht worden sei. "Eigentlich unterliegt ein solcher Vorgang dem Datenschutz, und eigentlich darf - das habe ich inzwischen auch gelernt - eine Person nicht im Zusammenhang mit einer Promillezahl genannt werden." Dem aber sei sie "hilflos" ausgeliefert gewesen, sagte Käßmann. "Ich habe meine Promillezahl zuerst aus der Zeitung erfahren." Vier Tage nach dem Vorfall, "am 24. Februar morgens um sechs mit meiner jüngsten Tochter in der Küche" habe sie sich für den Rücktritt entschieden und zu ihrer Tochter gesagt: "Esther, ich glaube, es hat keinen Sinn mehr zu sagen, ich kämpfe um dieses Amt, und ich werde dann ständig damit konfrontiert werden. Ich hätte nicht mehr die gleiche Autorität."
Käßman verglich die Wochen nach ihrem Rücktritt mit einem Trauerprozess. "Das Erste ist eine Schocksituation, die zu bewältigen ist." Danach hätten die Trauer und das Abschiednehmen angefangen. "Und ich musste natürlich von einem Tag auf den anderen Abschied nehmen, von meinem Amt, von meiner Lebenssituation hier, wo ich lebe." An ihrem 52. Geburtstag sei sie aufgewacht und habe gedacht, das alles sei so ein wenig wie Monopoly: "Gehe zurück auf Los!" "Ich habe keinen Arbeitsplatz, ich habe keine Wohnung, jetzt ist auch meine jüngste Tochter ausgezogen, ich werde ohne Familie irgendwo neu anfangen."
Als Strafe Gottes habe sie diese Konsequenzen nicht empfunden, sagte Käßmann weiter. "Der liebe Gott hat mich sicher nicht dazu verleitet, an diesem Abend zu viel Alkohol zu trinken und mit dem Auto zu fahren." Sie finde es merkwürdig, wenn Menschen Gott was in die Schuhe schieben würden, was sie selbst zu verantworten haben. Allerdings habe ihr Glaube ihr in dieser schwierigen Situation sehr geholfen. "Diese Angriffe und diese Häme und diesen Spott kann ein Mensch besser ertragen, wenn er den christlichen Glauben hat, dass die Würde des Menschen wahrhaftig unantastbar ist - weil Gott dir die Würde gibt und nicht jemand, der die Kamera auf dich hält."
Den Namen des Mannes, der am 20. Februar neben ihr im Auto saß, wollte Käßmann nicht verrraten. "Ich muss sagen, ich finde das absurd. Was hat das mit meinem Leben und allem zu tun? Und welchen Anspruch von Öffentlichkeit gibt es da? Ich verstehe nicht, was das jemanden angeht."
Käßmann forderte zudem eine stärkere Beteiligung der Reichen am Sparpaket der Bundesregierung. „Wer mehr leisten kann, sollte auch mehr zur Solidargemeinschaft beitragen als andere“, sagte die ehemalige Landesbischöfin. „Geiz gehört schon in der Bibel zu den Lasterkatalogen und ist überhaupt nicht „geil“.“ Man müsse wachsam sein, dass nicht der soziale Friede gefährdet werde. „Die Entsolidarisierung der Gesellschaft ist ein großes Problem.“ Gegen das Sparpaket der Bundesregierung gibt es heftige Proteste. Kritiker sehen darin zu starke Belastungen auf Kosten der sozial Schwachen. Das größte Sparpaket der bundesdeutschen Geschichte soll den Haushalt bis Ende 2014 um 80 Milliarden Euro entlasten.