Eine Überraschung ist das nicht: Es war absehbar, wie Journalisten dieser Tage die Arbeit der Berliner Koalitionäre benoten würden. Von einem klassischen Fehlstart ist die Rede, 100 Tage schwarz-gelb seien geprägt gewesen von Chaos und Krawall. Dazu passend werden Umfrageergebnisse gedruckt und gesendet, die die mediale Meinung bestätigen. Werte anderer Meinungsforscher, die beispielsweise keinen dramatischen Sinkflug der FDP entdecken können, erscheinen allenfalls im Kleingedruckten und passen ja auch nicht ins Bild. Wie gut, dass wir nicht von Journalisten regiert werden.
Allerdings: Die Außenwirkung der vergangenen Monate ist tatsächlich stark verbesserungswürdig. Da wurden Projekte zerredet, die im Koalitionsvertrag lange festgeschrieben sind: dringend notwendige steuerliche Entlastungen der Bürger beispielsweise oder auch - ganz aktuell - die Neuordnung des Gesundheitssystems. Es wird allmählich anstrengend, insbesondere die Partner aus Bayern immer wieder an bestehende Vereinbarungen und gemeinsame Prinzipien zu erinnern. Teilen der Union fehlt offenbar bislang das notwendige Vertrauen in diese Koalition. Das muss, das wird sich ändern.
Denn es gibt neben den bereits vereinbarten Zielen, zu denen unter anderem eine große Steuerstrukturreform gehört, einige zentrale Fragen, die die Koalition jenseits des üblichen Theaterdonners beantworten muss. Dringend notwendig ist eine breite Diskussion darüber, welchen Sinn der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan hat. Und eine gesellschaftliche Debatte über den Wert freiheitlicher Bürgerrechte ebenso wie über die Perspektiven von Bildung und Forschung. Die Liberalen werden sich deutlich positionieren.
Häufig werde ich gefragt, was wir in Schleswig-Holstein anders machen, warum die Kieler Koalition vergleichsweise geräuschlos und konstruktiv arbeitet. Die Erklärung hat etwas mit Vernunft zu tun: FDP und CDU in Schleswig-Holstein haben erkannt, dass sie nur gemeinsam Erfolg haben. Oder gemeinsam scheitern werden. Aber unser Land braucht den Erfolg.