Der erste Offshore-Windpark Baltic 1 vor der deutschen Ostsee-Küste wurde von der Kanzlerin eröffnet. Er besteht aus 21 Windkraft-Anlagen.
Zingst. Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima befindet sich Deutschland in einer heftigen Debatte über die künftige Energieversorgung. Die Eröffnung des Offshore-Windparks Baltic 1 vor der Ostseehalbinsel Fischland-Darß-Zingst am Montag könnte die Diskussion beschleunigen. Noch bewegen sich die Flügel der 21 Windkraft- Anlagen in der Ostsee, 16 Kilometer vor der Halbinsel Fischland-Darß- Zingst, nur sehr träge. Richtig Fahrt werden sie erst am Montagmittag aufnehmen, wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Zingst den ersten rein kommerziellen Offshore-Windpark in Deutschland namens Baltic 1 offiziell eröffnet. Er ist zudem der erste Offshore-Windpark vor der deutschen Ostsee-Küste. Vor einem Jahr hatte Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) per Knopfdruck das Startsignal für das Offshore-Testgebiet „Alpha Ventus“ mit zwölf Windrädern in der Nordsee gegeben.
Bauherr von Baltic 1 ist der Karlsruher Energieversorger Energie Baden-Württemberg (EnBW), einer der vier großen deutschen Konzerne, die nach der Katastrophe von Fukushima im Mittelpunkt des Streits um die Zukunft der Atomindustrie stehen. Baltic 1 wird mit 21 Windkraftanlagen und einer Leistung von knapp 50 Megawatt Strom für rund 50 000 Haushalte erzeugen. EnBW steckt schon tief in der Planung für den zweiten Ostsee-Windpark vor Rügen mit 80 Windkraftanlagen, ab 2013 sollen sie Strom für rund 340 000 Haushalte erzeugen.
Die Investitionen für diese zwei Projekte belaufen sich laut EnBW-Vorstand Hans-Peter Villis auf rund 1,2 Milliarden Euro. „Das kann niemand mehr guten Gewissens als bloße PR-Maßnahme abtun“, weist er entsprechende Vorwürfe zurück. „Wir sind beim Thema Offshore nicht nur mit im Boot, sondern ganz vorne mit dabei.“ Es sei eine Selbstverständlichkeit, nach Fukushima kritisch nach möglichen Konsequenzen im Umgang mit der Kernenergie zu fragen.
Für Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschaftsminister Jürgen Seidel (CDU) sendet Baltic 1 ein wichtiges Signal aus: „Das Zeitalter der regenerativen Energien wird auf eine neue Stufe gehoben.“ Ausgebaut werden müssten aber noch andere Energieträger für den Fall, wenn kein Wind weht oder die Sonne nicht scheint. Gaskraftwerke könnten eine sinnvolle Alternative zum Atomstrom darstellen. Zudem sei die Stromspeicherung noch lange nicht gelöst. Im Zuge der Umstrukturierung der Energieversorgung müsse auch das Repowering verstärkt werden, also das Ersetzen älterer Anlagen durch leistungsstärkere Maschinen.
Das größte Problem ist aber der notwendige Netzausbau an Land. Bis 2020 sind laut einer Studie der Deutschen Energie-Agentur (DENA) rund 3600 Kilometer weitere Leitungen erforderlich. Doch die Widerstände sind groß. „Ich würde niemals jemanden pauschal verurteilen, der mit einer bestimmten Anlage ein Problem hat“, sagt Seidel. Aber niemand dürfe sich hinstellen und raus aus der Atomenergie wollen, dann aber die entstehenden Probleme auf andere Schultern übertragen. Aber auch Investoren würden nicht alle gesteckten Ziele erreichen.
Trotz der vielen Unsicherheiten geht der Sachverständigenrat für Umweltfragen davon aus, dass bis 2050 der Strombedarf in Deutschland zu 100 Prozent aus regenerativen Quellen gedeckt werden kann. Auch der Ausstieg aus der Atomenergie sei bei einem beschleunigten Übergang zu den erneuerbaren Energien spätestens bis 2022 möglich. Dazu gehörten attraktive Bedingungen für die Offshore-Windindustrie, sagt der Generalsekretär des Rates, Christian Hey. Entsprechend fordert auch EnBW-Vorstand Villis Investitionshilfen für Offshore-Windparks. Die Windenenergie werde „für eine gewisse Übergangszeit noch Unterstützung durch Fördersysteme benötigen.“ (dpa)