Die Bauarbeiten auf hoher See sind eine enorme Herausforderung, doch der Tag der Inbetriebnahme des Windparks Baltic 1 rückt immer näher.

Rostock/Bentwisch. Nach jahrelangen Planungen und Bauarbeiten rückt der Tag der Inbetriebnahme des Windparks Baltic 1 näher. Völlig unspektakulär kommen im Umspannwerk Bentwisch bei Rostock drei armdicke Kabel aus der Erde. Von dort fließt der Strom mit einer Spannung von 150 Kilovolt zum Transformator, wo die Spannung auf 380 Kilovolt hochtransfomiert wird. Das ist nötig, um auf die deutschen „Stromautobahnen“ zu kommen. Doch der Ort, wo dieser Strom künftig produziert wird, ist alles andere als unspektakulär. 16 Kilometer vor der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst stehen im Windpark EnBW Baltic 1 seit Monaten 21 Windräder, die nur darauf warten, Strom zu erzeugen. Jährlich sollen mit einer Gesamtleistung von rund 50 Megawatt 185 Gigawattstunden Strom produziert werden, genug für 50.000 Haushalte.

Ein Termin für die Inbetriebnahme steht noch nicht fest. Die Investitionen für den ersten Windpark vor der deutschen Ostseeküste, bei dem alle Beteiligten zum großen Teil Neuland betraten, sind gigantisch. Der Vorstandsvorsitzende des Betreibers Energie Baden-Württemberg (EnBW) in Karlsruhe, Hans-Peter Villis, sprach von mehr als 300 Millionen Euro, die der Bau insgesamt kostet. Allein für die Kabeltrasse vom Windpark nach Bentwisch und das Umspannwerk waren laut Harald Sieker, Projektleiter vom Netzbetreiber 50Hertz Transmission, 160 Millionen Euro fällig. Darin enthalten sind 30 Prozent Verteuerung wegen des dauerhaft schlechten Wetters, wie Sieker am Montag betonte.

Wie schwierig die Bedingungen waren, der 23 Zentimeter dicke Kabelstrang 61 Kilometer vom Windpark zum Festland und von dort noch einmal 16 Kilometer nach Bentwisch zu verlegen, lässt sich auch an der Zeitverzögerung ablesen. War bei Baubeginn im Juli 2009 noch von Ende 2010 als Termin für der Inbetriebnahme des Parks die Rede, wird es nun mindestens Mai. Doch jetzt sind die ersten Funktionsprüfungen erfolgreich über die Bühne gegangen, erstmals ist Spannung von 150 Kilovolt angelegt worden - „problemlos“, sagt Sieker.

Für die Verlegearbeiten auf See durfte der Wind über ein Zeitfenster von fünf Tagen nicht heftiger als mit Stärke 4 wehen und die Wellen nicht höher als ein Meter sein, berichtet Sieker. Das Kabel, von dem ein Meter 113 Kilo wiegt, wurde 1,50 Meter tief in den Ostsee-Grund verlegt, um Kontakt zu Schiffsankern oder Schleppnetzen zu verhindern. Dazu waren in der Tiefe des Meeres auch Baggerarbeiten nötig. Auf der Festlandstrecke musste der „Breitling“, ein Seegebiet vor dem Rostocker Hafen, überwunden werden - bei 30 Zentimeter dickem Eis. „Es ist unmöglich, mit dem Verständnis einer Landratte auf Seebedürfnisse einzugehen.“, erinnert sich einer der 50Hertz-Verantwortlichen, Ralf Plischke. Jeden Tag seien neue Probleme aufgetaucht.

Mit den Prüfungen des Kabels ist die Arbeit noch nicht getan. In den kommenden Wochen werden in Zusammenarbeit mit EnBW nach und nach die 21 Windanlagen getestet. Aber auch hier sind die Techniker auf gutes Wetter angewiesen. „Wenn ein Sturm aufkommt, heißt es: „Runter von der Plattform““, sagt Sieker. Denn bei Sturm oder hohem Wellengang ist die Plattform unmittelbar am Windpark nicht zu begehen. Bilder wie im Winter 2009, als im Offshore-Windpark „alpha ventus“ in der Nordsee elf Monteure tagelang festsaßen, soll es nicht geben.

An der Plattform von Baltic 1 wird künftig auch der Strom von EnBW Baltic 2 ankommen. Dazu müssen noch einmal 56 Kilometer Kabel in der Ostsee bis zum 17 Kilometer nördlich von Rügen geplanten Park verlegt werden. Ab 2012 soll mit Bau von Baltic 2 begonnen werden, der sechsmal so groß sein wird wie Baltic 1. Ab 2013 sollen laut EnBW-Planungen 80 Windkraftanlagen Strom für rund 340.000 Haushalte erzeugen. „Dort müssen wir mit noch ausgeprägteren Schlechtwetter-Phasen rechnen“, fürchtet Sieker. (dpa)