Der neue Umweltminister war auf Antrittsbesuch in Niedersachsen. Altmaier soll SPD und Grüne im Bundestag zu neuem Gesetz bewegen.
Hannover. Der neue Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) hat gestern seinen Antrittsbesuch in Hannover gemacht. Ministerpräsident David McAllister (CDU) hofierte den Gast nicht nur, weil die Energiewende Wachstumsimpulse für Niedersachsen verspricht. Altmaier soll für McAllister vor der Landtagswahl am 20. Januar 2013 gewissermaßen die Kastanien aus dem Feuer holen, also SPD und Grüne im Bundestag noch in diesem Jahr zur Zustimmung für ein neues Endlagergesetz bewegen, bei dem auch der Standort Gorleben im Spiel bleibt.
Gelingt dieser große Konsens, haben CDU und FDP in Hannover ein Problemthema weniger, aber SPD und Grüne auf Landesebene ein Problem mehr. SPD-Spitzenkandidat und Landeschef Stephan Weil lässt deswegen derzeit keine Gelegenheit aus, um auf die klare Beschlusslage der SPD im eigenen Bundesland zu verweisen, bei der Gorleben als Endlager für den hoch radioaktiven Müll kategorisch ausgeschlossen wird: "Wir sind nicht das Atomklo Deutschlands." Und er kritisiert, dass gegenwärtig in Berlin über einen Konsens vor allem hinter verschlossenen Türen gesprochen werde. Da klingt eindeutig Misstrauen durch, auch gegenüber dem eigenen Bundesvorsitzenden Sigmar Gabriel. Der hatte sich gemeinsam mit dem Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin kürzlich von Bundesweltminister Altmaier in dessen Berliner Wohnung privat bekochen lassen. Seither gilt als sicher, dass SPD und Grüne auf Bundesebene den Endlagerkonsens nicht scheitern lassen werden.
Derlei "Küchengespräche" stoßen den Gorleben-Gegnern vor allem im Wendland sauer auf. Sie fürchten, der als Schlitzohr bekannte Altmaier koche SPD und Grüne am Ende weich. Die Bürgerinitiative (BI) Lüchow-Dannenberg pocht auf Transparenz: "Was uns Aktivisten am meisten aufstößt, ist die Tatsache, dass statt der versprochenen Transparenz bei der Atommülldebatte der Kreis der Entscheider immer kleiner wird."
Zwar gibt noch andere Streitpunkte, wie die weitere Zuständigkeit des Bundesamtes für Strahlenschutz für das Projekt oder die alternative Gründung eines neuen Bundesinstituts. Auch über Umfang und Dauer der Mitsprache der Bürger wird noch gestritten und darüber, wie die Kriterien aussehen sollen für die neue Endlagersuche. Daran hängt, wie viele Standorte in ein Auswahlverfahren kommen könnten.
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Altmaier wollte - mit Rücksicht auf die laufenden Gespräche - gestern keine Details nennen. Klar ist aber auch: Sowohl Gabriel als auch Trittin haben in ihrer Zeit an der Spitze des Umweltministeriums bereits eine neue Endlagersuche anschieben wollen, deren Grundrezept ganz ähnlich war wie jener Kompromiss, an dessen Zutaten Altmaier jetzt arbeitet.
Gar keinen Hunger auf Konsens aber haben die Atomkraftgegner im Wendland. Die Kreisvorsitzende der Grünen im Landkreis, Martina Lammers, kritisierte die Verhandlungsführung schon vor Monaten als "Irrweg": "Wir können uns doch jetzt Zeit lassen und brauchen nicht innerhalb weniger Monate etwas zu verabschieden, was vorher in 30 Jahren nicht zustande gekommen ist." Und sie warnt, die Grünen seien dabei, sich um gute Wahlergebnisse zu bringen: "Wir sind nicht in der Regierung und müssen deren Weg nicht bis zur Selbstaufgabe gehen."
Auch Greenpeace behagt weder der Kreis der Entscheider noch die offenkundige Eile, die die Bundesregierung derzeit an den Tag legt: "Zeitdruck hat 1977 zu der großen Fehlentscheidung Gorleben geführt. Wer jetzt ein mit heißer Nadel gestricktes Gesetz zur Endlagersuche von oben durchpeitscht, ohne die Bürger umfassend zu beteiligen, der wird wieder scheitern."
Und dass der neue Bundesumweltminister Altmaier gestern in Hannover ankündigte, er wolle in den nächsten Wochen nach Gorleben reisen und die Betroffenen vor Ort informieren, kann Greenpeace nicht beeindrucken: "Die erste Aufgabe des Ministers müsste sein, eine nationale Debatte mit den Bürgern dieses Landes zu organisieren." Klar ist: Der Neustart der Endlagersuche macht nur Sinn, wenn kein Bundesland eine Sonderrolle beansprucht, so wie es Bayern in der Vergangenheit getan hat. Altmaier betonte deshalb: "Die Endlagersuche ist kein niedersächsisches, sondern ein nationales Problem." Klar ist aber auch, dass die anderen Bundesländer im Umkehrschluss nur mitmachen, falls Gorleben weiter im Rennen bleibt. Altmaier aber wird spätestens bei seinem Besuch im Wendland merken, dass die Bürger vor Ort das Versprechen einer ergebnisoffenen Suche nicht glauben. Wolfgang Ehmke, Sprecher der BI: "Das ist ein Trick, um durch die Hintertür Gorleben genehmigungsreif zu machen."