Greenpeace und die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg werfen dem Minister vor, Messwerte ignoriert zu haben.

Hannover/Gorleben. Zwei Anti-Atom-Organisationen haben nach eigenen Angaben Anzeige gegen den niedersächsischen Umweltminister Hans-Heinrich Sander gestellt. Greenpeace und die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) werfen dem FDP-Politiker vor, erhöhte Messwerte am Atommüll-Zwischenlager in Gorleben ignoriert zu haben. Sander hätte den Castor-Transport Ende November nicht genehmigen dürfen, sagte Tobias Riedl, Atomexperte bei Greenpeace, laut einer Mitteilung vom Dienstag. Der gesetzliche Grenzwert von 0,3 Millisievert könnte auch ohne weitere Castoren überschritten werden. Deswegen habe Greenpeace bei der Staatsanwaltschaft Lüneburg Anzeige gegen den Minister gestellt. Im Ministerium war davon noch nichts bekannt. Bei der Staatsanwaltschaft war zunächst niemand zu erreichen.

+++Abgeordnete dürfen nicht ins Gorlebener Castor-Lager+++

Das Umweltministerium hatte am Montag die Zustimmung zur Einlagerung elf weiterer Behälter im Zwischenlager angekündigt. Nach neuen Strahlenmessungen spreche nichts dagegen, „dass der Transport kommt“, sagte Umweltstaatssekretär Stefan Birkner. Die Einlagerungsgenehmigung werde „in wenigen Tagen erteilt werden können“.

Der Umweltausschuss des niedersächsischen Landtages wurde bei einem Besuch des Zwischenlagers über die geplante Zustimmung zur Einlagerung informiert. Dem Betreiber des Zwischenlagers werde die Entscheidung in den kommenden Tagen zugestellt.

Auch bei Einlagerung elf weiterer Castoren werde am Zwischenlager der erlaubte Jahreswert für die Strahlung von 0,3 Millisievert nicht erreicht, betonte Birkner. Dies hätten Auswertungen der Messungen und Berechnungen des Ministeriums ergeben. Nach den Berechnungen des Ministeriums ergibt sich nach Einlagerung weiterer Behälter am Zaun des Zwischenlagers eine maximale Jahresdosis von 0,235 Millisievert.

Atomkraftgegner sehen „Schmu und Betrug“

Bei Atomkraftgegnern stieß die Ankündigung des Umweltministeriums auf scharfe Kritik. „Der Grenzwert für Radioaktivität an der Castorhalle konnte nur mit Schmu und Betrug niedrig gehalten werden“, sagte die Vorsitzende der Bürgerinitiative (BI) Lüchow-Dannenberg, Kerstin Rudek. Der Strahlenprognose des Ministeriums liege ein viel zu hoher Wert für natürliche Radioaktivität zugrunde, der von den Messwerten abgezogen worden sei.

Auch Greenpeace bemängelte „eine falsche Berechnung von Strahlenmesswerten“ durch das Umweltministerium. Die Einlagerung weiterer Castoren sei unzulässig, sagte Greenpeace-Atomexperte Tobias Riedl. Für die Anti-Atom-Organisation „Ausgestrahlt“ sprach Jochen Stay von einer Täuschung der Öffentlichkeit. „Die zuständige Landesbehörde stellte fest, dass die Grenzwerte überschritten werden und jetzt wird die Strahlung einfach weggerechnet“, sagte er.

Die atompolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Sylvia Kotting-Uhl, warf Landesumweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) „ein unverantwortliches Lotteriespiel“ mit Strahlung vor. Der Linken-Landtagsabgeordnete Kurt Herzog nannte die Zustimmung des Ministeriums zum Transport „willkürlich, fahrlässig und rechtswidrig“. Der SPD-Abgeordnete Marcus Bosse appellierte an Ministerpräsident David McAllister (CDU), eine Zustimmung noch zu verhindern.

Ministerium betont genauere Messungen

Umweltstaatssekretär Birkner wies den Vorwurf zurück, man habe die am Zwischenlager gemessenen Strahlenwerte schöngerechnet. Erste Messungen, nach denen der niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft noch ein Überschreiten des Jahreswertes von 0,3 Millisievert prognostiziert hatte, seinen „gröber“ gewesen, sagte er.

Mit der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) habe man anschließend die fachkundigste Institution beauftragen können, die wesentlich genauere Messungen durchführen könne. „Wir haben nun ein viel klareres Bild der Strahlensituation vor Ort“, sagte Birkner. Die Messergebnisse seien so, dass nichts gegen eine Durchführung des Transportes spreche.

Mit Material von dpa/dapd