Greenpeace wirft Niedersachsen falsche Zahlen bei Messungen in Gorleben vor und fordert die Absage des Castor-Transports.

Hannover. Die Umweltorganisation Greenpeace wirft dem niedersächsischen Umweltministerium falsche Berechnungen bei Strahlenmessungen am Atommülllager in Gorleben vor. Die Dosis an der Castor-Lagerstätte überschreite vermutlich noch in diesem Jahr den gesetzlichen Grenzwert von 0,3 Millisievert (mSv), sagte der Greenpeace-Atomexperte Heinz Smital am Mittwoch in Hannover. „Wir fordern deshalb, dass der Castor-Transport abgesagt wird.“

Das Umweltministerium habe bei der Berechnung die Gammastrahlung nicht berücksichtigt und rückwirkend einen höheren Neutronen-Hintergrundwert angenommen. Greenpeace geht statt der errechneten 0,233 mSv von einer Strahlung von 0,305 mSv aus.

Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) will aller Voraussicht nach am Dienstag das Regierungskabinett darüber informieren, ob der Castor wie geplant Ende November ins Wendland rollen darf.

„Im Ministerium sitzen jetzt Atomphysiker und wägen alles ab“, sagte eine Ministeriumssprecherin. Auch die Greenpeace-Berechnungen würden genau geprüft. „Ich schließe aber nicht aus, dass etwa noch jemand vom TÜV angerufen wird, und externer Rat eingeholt wird.“ Im Ministerium werde davon ausgegangen, dass es Klagen geben wird. „Das ist eine wichtige Entscheidung, die absolut wasserdicht sein muss.“

Für das erste Halbjahr 2011 beruft sich das Ministerium nach Angaben von Greenpeace auf Messergebnisse des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) - die Prognose für die zweite Jahreshälfte geht aus Zahlen der Physikalisch-Technischen-Bundesanstalt (PTB) hervor. Bei dieser Kombination von Messdaten aus unterschiedlichen Quellen seien erhebliche Fehler gemacht worden, betonte die Umweltorganisation.

Vor rund einem Monat hatte bereits die Bürgerinitiative Umweltschutz (BI) vor der Überschreitung des Strahlengrenzwertes in Gorleben gewarnt. Der Gesellschaft für Nuklearservice (GNS) hatte sie vorgeworfen, Messdaten gefälscht zu haben, und gegen den Betreiber in Gorleben Strafanzeige gestellt.

Die Oppositionsparteien im Landtag – SPD, Grüne und Linke - sprachen sich angesichts der Greenpeace-Kritik erneut für eine Absage des Castor-Transports aus. Die Analyse dokumentiere die Manipulation des Berechnungsverfahrens zur Belastung mit radioaktiver Strahlung, sagte der Grünen-Fraktionsvorsitzende im niedersächsischen Landtag, Stefan Wenzel. Unterdessen kündigte die Anti-Atom-Organisation „ausgestrahlt“ bereits für den kommenden Samstag bundesweit Demonstrationen gegen den Castor-Transport an.

Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) Niedersachsen unterstützt die Forderung von Greenpeace, sofern sich die Zweifel an den Strahlenmessungen bestätigen. „Im Interesse der Bevölkerung und aller eingesetzten Polizeikräfte darf der offenbar geplante Transport im November nun keinesfalls stattfinden, falls dies zutrifft“, sagte der GdP-Landesvorsitzende Dietmar Schilff.