Wentorf. Drei Jahre hat Dr. Torsten Diederich einen Nachfolger gesucht und ihn nun gefunden. Was Rahmi Baycuman in der Praxis ändern will.
Dass immer seltener junge Ärzte Praxen übernehmen wollen, ist kein Geheimnis. Jährlich geben rund 2200 Hausärzte in Deutschland meist aus Altersgründen ihren Beruf auf. 60 Prozent der Ärzte mit Hausarztpraxen, die kurz vor dem Ruhestand stehen, haben noch keine Nachfolger. Immerhin: In Wentorf ist der Hausarztmangel vorerst abgewendet, können 3000 Patienten aufatmen.
Hausarzt Dr. Torsten Diederich ist 68 Jahre alt. In gut einem Jahr liefe sein Mietvertrag aus, spätestens dann hätte er die Praxis geschlossen. Doch die Hoffnung auf einen Nachfolger hat er nie aufgegeben und immer weiter seine Fühler ausgestreckt. Drei Jahre lang hat er sich umgeschaut und nun einen jungen und dennoch erfahrenen Arzt gefunden, der genau das gesucht hat, was Diederich zu bieten hat.
Hausarztpraxis Dr. Torsten Diederich: Rahmi Baycuman übernimmt
Rahmi Baycuman (35) bringt viel Erfahrung mit und den großen Wunsch, eine eigene Praxis zu eröffnen. Aktuell arbeitet er im Notdienst für die Kassenärztliche Vereinigungen Hamburg und Schleswig-Holstein in Geesthacht. Seit Langem suchte er nach einer geeigneten Praxis in der Region. „Die Praxis, die Patientenstruktur und die Einrichtung sind perfekt“, sagt der gebürtige Türke.
Am 1. Mai wird er starten, zwei Monate noch unter den Fittichen von Diederich, dann wechseln die beiden die Rollen: Rahmi Baycuman übernimmt hauptverantwortlich die Praxis, Torsten Diederich wird stundenweise weiter unterstützen und die Hausdienste vorerst weiter übernehmen. „Ab Mai können wir sogar wieder neue Patienten aufnehmen“, sagt der junge Arzt. Der 35-Jährige lebt mit seiner Frau und den drei Kindern in der Nähe von Reinbek.
Hausbesuche bei Patienten will auch der neue Hausarzt anbieten
„Natürlich habe ich Respekt vor der Aufgabe gerade hinsichtlich der gesamten Organisation in der Selbstständigkeit, aber vor allem freue ich mich auf die Herausforderung“, sagt er. Hausbesuche wird er weiterhin anbieten. Doch es gebe auch Veränderungen: So wird die Praxis ab dem 1. Mai zusätzlich Dienstagnachmittag und Mittwochvormittag geöffnet sein.
Sabine Stoll-Diederich wird weiterhin die Patienten in Empfang nehmen, eine Auszubildende der Praxis steht kurz vor dem Abschluss und wird übernommen. Aber Baycuman will das Team darüber hinaus künftig erweitern. Für die Patienten nur kleine Veränderungen. Doch vor allem wird für Wentorf zumindest aktuell die Ärzteversorgung sichergestellt bleiben.
Einige Praxen in Wentorf haben bereits einen Aufnahmestopp verhängt
Perspektivisch könnte das durchaus schwierig werden. Sieben Hausarztpraxen gibt es in Wentorf. Die ein oder andere Praxis hat bereits einen Aufnahmestopp für neue Patientinnen und Patienten ausgesprochen. Und es nähern sich weitere ortsansässige Medizinerinnen oder Mediziner dem Rentenalter. Auch sie stehen vor der Frage, eine geeignete Nachfolge zu finden.
Vor Jahren war dies kein Problem. Eine eigene Praxis war der Traum vieler junger Mediziner. Doch viele junge Ärzte wollen die Verantwortung einer eigenen Praxis nicht mehr übernehmen. Dabei wird aufgrund der demografischen Entwicklung der Behandlungsbedarf der zunehmend älter werdenden Bevölkerung eher steigen.
Hausarztmangel: Ein Ärztehaus soll in Wentorf für Entlastung sorgen
Die Gründe für den Nachwuchsmangel sind vielfältig. Ärzte haben heutzutage andere Vorstellungen von ihrer beruflichen Zukunft als noch vor einigen Jahren. Viele von ihnen wünschen sich geregelte Arbeitszeiten und möchten nicht unbedingt das Risiko einer eigenen Praxis eingehen. Andere hingegen wollen nicht in Vollzeit arbeiten.
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„Die Übergabe klassischer Einzelpraxen gestaltet sich heute zunehmend schwierig, weil die jüngeren Ärzte gern in Teilzeit und in einem größeren Team sowohl mit ärztlichen Kolleginnen und Kollegen als auch Angehörigen anderer Gesundheitsberufe arbeiten möchten“, sagt Dr. Monika Schliffke, Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung in Schleswig-Holstein. Ein Ärztehaus sollte in Wentorf die Lösung sein, doch damit geht es nur schleppend voran.
Für Rahmi Baycuman erfüllt sich ein Traum. „Ich möchte die Patienten begleiten und nicht nur im Notdienst eine Diagnose stellen und die Patienten dann nicht wiedersehen“, sagt er.