Wentorf. Mediziner, der genesen, aber nicht geimpft ist, behauptet, Impfstoffe seien gegen Omikron wirkungslos. Wie die Ärztekammer reagiert.

  • Ein Hausarzt in Wentorf hat die Impfungen gegen das Coronavirus eingestellt
  • Der Mediziner behauptet, die Impfstoffe seien gegen Omikron wirkungslos
  • Geimpft ist der Mann, der im Sommer an Covid-19 erkrankt war, nicht

Die Entwicklung der Corona-Situation bereitet Christoph Müller (Name geändert) große Sorge. Deswegen will er sich boostern lassen. Da der gebürtige Bergedorfer erst seit Kurzem in der Gemeinde Wentorf im Herzogtum Lauenburg lebt, hat er noch keinen Hausarzt. Auf Rat seiner Nachbarn nimmt er Kontakt zu einer Paxis auf. Der dort praktizierende Arzt ist beliebt. Doch seit dem 10. Januar hat das Praxisteam nach eigenem Bekunden die Corona-Impfungen eingestellt. „Wir sehen uns mental, logistisch und organisatorisch nicht mehr in der Lage, die Impfungen mit der notwendigen Aufklärung, Information und Sicherheit zu verabreichen“, heißt es auf einem Aushang an der Praxistür.

Die Begründung hat Müller schockiert. In dem Schreiben an der Tür heißt es weiter: „Die neuesten Zahlen zeigen, dass die Impfung mit erheblich mehr Nebenwirkungen belastet ist als bisher angenommen. Zudem ist sie gegen die Mutationen (z. B. „Delta“ oder „Omicron“) wirkungslos.“ Wer telefonisch ärztlichen Rat sucht, bekommt mittels einer Ansage auf dem Anrufbeantworter weitere Informationen zu hören. Dort heißt es, dass versucht werden müsse, die Ansteckungsgefahr innerhalb der Praxis so gering wie möglich zu halten. Deswegen sei das Tragen einer Maske sowie ausreichend Abstand extrem wichtig. Dann fällt folgender Satz: "Omikron ist sicher nicht gefährlich, aber lästig."

Corona: Arzt aus Wentorf meint, Impfung ist gegen Mutationen wirkungslos

„Überall ist zu hören, wie wichtig es gerade jetzt ist, sich boostern zu lassen, damit die Pandemie zu Ende geht und man vor schweren Verläufen geschützt ist. Doch ausgerechnet ein Arzt distanziert sich von der Impfung und verbreitet aus meiner Sicht höchst fragwürdiges Falschwissen“, sagt Müller, der angesichts der aufgeheizten Stimmung nicht mit seinem richtigen Namen in der Zeitung stehen will. Beunruhigt sei er, wenn studierte Mediziner die Bevölkerung zusätzlich verunsicherten und das Ende der Pandemie verzögerten.

„Das ist nicht meine Absicht“, sagt der Allgemeinmediziner auf Nachfrage unserer Zeitung in seiner gut gefüllten Praxis. „Wir impfen, aber keine Kinder, und wir boostern nicht. Am liebsten verwende ich den Impfstoff des Herstellers Johnson & Johnson statt mRNA-Impfstoffe.“ Es habe ihn überrascht, wie schnell andere Kollegen boostern, obwohl die Datenlage noch dünn sei. Die Frage impfen oder nicht sorge auch in seiner Familie für erbitterte Diskussionen. Sein Bruder, ein Internist, sei Impfbefürworter, er sieht die Impfwirkung skeptisch, auch weil die Omikron-Verläufe nach seiner Erfahrung eher mild sind. Er selbst habe seine Corona-Infektion im August kaum gespürt. Noch sei er nicht geimpft.

Dieser Zettel klebt an der Tür von Arzt Sancho Panzer aus Wentorf.
Dieser Zettel klebt an der Tür von Arzt Sancho Panzer aus Wentorf. © Privat | Privat

In Schleswig-Holstein gibt es insgesamt 5708 niedergelassene Ärzte

Ob der Aushang an der Praxistür Konsequenzen hat, prüft die Ärztekammer Schleswig-Holstein gerade, die Müller informiert hat. Die will sich zu dem konkreten Fall nicht äußern, allerdings gibt es Vorgaben, die Ärzte einhalten müssen: „Ärzte sind freie Bürger. Sie dürfen ihre Meinung frei äußern. Im Patientenkontakt in der Praxis wie im Krankenhaus hat die persönliche Meinung allerdings nichts verloren. Hier muss das ärztliche Handeln auf wissenschaftliche Erfahrung gestützt sein“, sagt Professor Henrik Hermann, Präsident der Ärztekammer Schleswig-Holstein.

An die Ärztekammer können sich Patienten und Berufskollegen wenden, wenn einer der insgesamt 5708 niedergelassenen Ärzte in Schleswig-Holstein fehlerhaft behandelt oder falsch abgerechnet hat. „Berufrechtliche Prüfverfahren sind eher selten, liegen im niedrigen zweistelligen Bereich“, sagt Stephan Göhrmann, Sprecher der Ärztekammer. Die Sanktionen reichen von Mahnung bis Ordnungsgeld.

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Wie geht die Ärztekammer damit um, wenn eine Beschwerde eingereicht wird?

Die ÄKSH wird nicht investigativ tätig. Erreicht die Kammer eine entsprechende Meldung, erfolgt eine juristische Bewertung der eingehenden Beschwerden. Der interne Beschwerdeweg, der für alle Beschwerden gleich ist, läuft wie folgt ab: Zunächst wird geprüft, ob der Beschwerde eine berufsrechtliche Relevanz zu entnehmen ist. Sofern es Anhaltspunkte für eine Berufspflichtverletzung gibt, wird das Mitglied über das Verfahren in Kenntnis gesetzt und um eine Stellungnahme gebeten.

„Enthält der Sachverhalt danach weiterhin die erforderliche Berufsrelevanz, befasst sich der Vorstand mit dem Fall. Kommt dieser auf Basis der bisherigen Informationen zu dem Ergebnis, das zureichende Anhaltspunkte bestehen, die den Verdacht einer Berufspflichtverletzung rechtfertigen, kann er den Untersuchungsführer mit den Ermittlungen der be- und entlastenden Umstände beauftragen“, erklärt Pressesprecher Stephan Göhrmann. Die Ermittlungen des Untersuchungsführers endeten mit einem Abschlussbericht. Der Vorstand entscheidet dann über das weitere Vorgehen.

Entscheidet sich ein Mediziner gegen das Boostern, ist das noch kein Vergehen

Wenn sich ein Arzt gegen das Boostern entscheidet, ist das an sich kein Vergehen. Dass das Boostern aber nicht hilft, ist nach vorherrschender Expertenmeinung schlicht falsch: „Studien in mehreren Ländern belegen, dass eine Booster-Impfung auch bei der Omikron-Variante vor einer schweren Erkrankung und sogar tödlichem Verlauf schützt, wenn auch nicht sicher vor einer Ansteckung“, sagt Professor Stefan Jäckle, Ärztlicher Direktor des St.-Adolf-Stifts in Reinbek.

Der Nutzen einer vollständigen Impfung samt der Booster-Impfung übersteige das geringe Risiko einer Impfnebenwirkung um ein Vielfaches – auch bei Jugendlichen. Bei einer Infektion mit dem Coronavirus sei das Risiko einer Herzmuskelentzündung viel höher als durch eine Impfung. „Die Studienlage, die den Nutzen einer Impfung vor einem schweren Verlauf belegt, können wir auch in unserem Mikrokosmos St.-Adolf-Stift täglich beobachten“, sagt Jäckle.