Wentorf. Viele Hausärzte finden keine Nachfolger. Junge Mediziner scheuen das Risiko der Selbstständigkeit. Neue Arbeitsmodelle sind gefragt.
Mehr als ein Jahr sucht der Allgemein- und Palliativmediziner Dr. Torsten Diederich für seine gut gehende Hausarztpraxis am Echardusstieg in Wentorf bereits einen Nachfolger. Der 67-Jährige würde seine Praxis gern bis 2024 übergeben. Doch bislang ist das Interesse junger Ärzte sehr verhalten. Diederich erklärt sich die schwierige Nachfolgersuche so: „Viele junge Ärzte scheuen den Schritt in die Selbstständigkeit. Als Arzt mit eigener Praxis ist man eben auch Unternehmer, muss Abrechnungen schreiben, Personal führen. Dieses Unternehmergen fehlt jungen Ärzten oft“, sagt er.
Grund für Ärztemangel: Junge Ärzte scheuen die Selbstständigkeit
Das kann Dr. Monika Schliffke, Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung in Schleswig-Holstein (KVSH) nur bestätigen. „Die Übergabe klassischer Einzelpraxen gestaltet sich heute zunehmend schwierig, weil die Jüngeren gern in Teilzeit oder in einem größeren Team sowohl mit ärztlichen Kolleginnen und Kollegen als auch Angehörigen anderer Gesundheitsberufe arbeiten möchten“, sagt Schliffke. So scheuten viele junge Ärzte den Schritt in die Selbstständigkeit. Nur wenige wollen gerade zum Berufseinstieg die Verantwortung für den gesamten Praxisbetrieb tragen. Viele wünschen sich stattdessen geregelte Arbeitszeiten oder wollen nur Teilzeit arbeiten.
Wentorfs Bürgermeister: „Kein Anlass zur Sorge“
Wir sehen diese Entwicklung auch auf unsere Gemeinde zukommen“, sagt Bürgermeister Dirk Petersen. Zurzeit bestehe zwar kein Anlass zur Sorge, dennoch möchte der Verwaltungschef rechtzeitig für die Zukunft vorsorgen, „damit wir eben keinen Engpass bekommen“, so der Verwaltungschef.
Ein Weg, um die medizinische Versorgung langfristig zu sichern, könnte ein Ärztehaus sein. „Wir haben mit Dr. Monika Schliffke, dem Geschäftsführer vom Praxisnetz Herzogtum Lauenburg, Markus Knöfler, vier ansässigen Hausärzten, dem Bürgervorsteher Lutz Helmrich und den Fraktionsvorsitzenden einen ersten Austausch über ein Ärztehaus geführt“, berichtet Petersen. Auch ein Gebäude sei dafür bereits ausgeguckt, erste Verhandlungsgespräche habe es bereits gegeben. Doch solange keine Verträge unterzeichnet sind, soll die genaue Adresse nicht bekannt gegeben werden.
Schon jetzt Aufnahmestopp in einigen Wentorfer Praxen
Oberstes Ziel soll sein, Nachwuchs für die ambulante Versorgung zu gewinnen. „Es braucht Strukturen, die es Ärztinnen und Ärzten ermöglichen, in größeren Einheiten zusammenzuarbeiten“, erläutert Schliffke. So gebe es ganz unterschiedliche Modelle für ein Ärztehaus. Bei einem wären die Mediziner direkte Mitarbeiter der Gemeinde.
In Wentorf gibt es aktuell sieben Hausarztpraxen, die allerdings nicht nur Wentorfer ärztlich versorgen. Rund 3000 Patienten betreut ein Hausarzt in Vollzeit. Aktuell ist das eine gute Versorgung für die 13.500 Einwohner zählende Gemeinde, dennoch gibt es in der ein oder anderen Praxis bereits Aufnahmestopps für neue Patienten.
Zudem haben mehrere ortsansässige Mediziner das Rentenalter bald erreicht und beschäftigen sich wie Diederich mit der Suche nach einer Praxisnachfolge.
Dirk Petersen ist mit Hausärzten im Gespräch
„Wir wollen rechtzeitig vorsorgen“, sagt Bürgermeister Petersen. Wohl wissend um den bundesweit bevorstehenden Ärztemangel möchte er mit seiner Gemeinde nicht in eine Unterversorgung rutschen. „Davon sind wir auch weit entfernt, dennoch nehmen einige Praxen bereits keine neuen Patienten mehr an“, weiß der Rathaus-Chef aus vielen Gesprächen mit Bürgern. Vor allem Neu-Wentorfer haben schlechte Karten.
Mediziner Diederich unterstützt das Vorhaben: „Ein Ärztehaus würde ich begrüßen. Ich kann mir gut vorstellen, mich dort als Arzt einzubringen“, so Diederich.
Im nächsten Schritt will Bürgermeister Petersen mit allen weiteren Wentorfer Hausärzten ins Gespräch kommen, um gemeinsam eine tragbare Strategie zu entwickeln. „Wir liegen gut in der Zeit, doch wir müssen perspektivisch etwas tun“, so Petersen. „Jetzt haben wir noch kein Problem mit der medizinischen Versorgung, aber wir wollen auch keines bekommen.“